LG Münster: Creditreform muss „Aufhebung des Insolvenzverfahrens“ und weitere Merkmale löschen

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Knapp zwei Jahre nach dem bahnbrechenden Urteil des OLG Schleswig vom 02.07.2021 – 17 U 15/21, in welchem die Zulässigkeit der Speicherung des Merkmals „Restschuldbefreiung erteilt“ durch das Gericht massiv in Frage gestellt wurde, hat das Landgericht Münster mit Urteil vom 04.07.2023 – 016 O 238/22 eine weitere, mindestens ebenso wichtige Entscheidung getroffen. Demnach muss die Creditreform Boniversum GmbH auch das Merkmal der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans frühzeitig zur Löschung bringen.

Nicht nur Schufa, sondern auch Creditreform in der Pflicht

Die bisherige Rechtsprechung konzentrierte sich überwiegend auf Merkmale, die bei der Schufa Holding AG gespeichert wurden. Im Zentrum stand dabei das Merkmal „Restschuldbefreiung erteilt“, welches weit über 250.000 Menschen in Deutschland betrifft. Das Oberlandesgericht Schleswig hatte vor knapp zwei Jahren in einem von AdvoAdvice geführten Verfahren klargestellt, dass die Speicherung allenfalls für den Zeitraum von sechs Monaten zulässig ist, also solange wie es auch in den Insolvenzbekanntmachungen gespeichert ist.

Die Kanzlei AdvoAdvice hat im Anschluss eine Vielzahl von Betroffenen in dieser Rechtsfrage vertreten. Im Januar 2023 kam es zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Nach einer sehr klaren Stellungnahme des Generalanwalts hat sich die Schufa Holding AG dazu entschieden, das Merkmal der Restschuldbefreiung generell nach sechs Monaten zur Löschung zu bringen.

Diese Entscheidung hat die Schufa Holding AG eigenständig getroffen. Auf ihrer Homepage schränkt die Schufa diese verkürzte Speicherfrist aber ausschließlich auf das Merkmal der erteilten Restschuldbefreiung ein (vgl. https://www.schufa.de/scoring-daten/daten-schufa/ - Letzter Aufruf: 06.07.2023).

Andere Auskunfteien wie die Creditreform Boniversum sind an diese Entscheidung nicht gebunden. Auch sagt diese Entscheidung nichts über andere Merkmale aus, die bei Auskunfteien gespeichert sind, wie z.B. alternative Möglichkeiten das Insolvenzverfahren zu beenden.

Insolvenzverfahren aufgehoben – Besser oder schlechter?

Im Dezember 2022 reichte die Kanzlei AdvoAdvice für einen Betroffenen eine Klage vor dem Landgericht Münster gegen die Creditreform Boniversum ein. Hintergrund des Falles war, dass zu dem Kläger im August 2019 zwar ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Dieses wurde aber nicht – wie bei vielen Betroffenen – nach mehreren Jahren per Restschuldbefreiung erledigt.

Der unternehmerisch tätige Kläger konnte sich mit den vielen Gläubigern auf einen sog. Insolvenzplan einigen. Damit sorgte der Betroffene dafür, dass die Forderungen im Einverständnis mit den Gläubigern bedient wurden. Die Bestätigung des Insolvenzplans erfolgte knapp zwei Jahre nach Eröffnung des Verfahrens. In der Folge leistete der Betroffene unstrittig die vereinbarten Zahlungen.

Die Boniversum Creditreform speicherte Daten zum Eröffnung und Aufhebung des Insolvenzplans sowie mehrere Forderungen, die in diese Zeit fielen. Die Creditreform und andere Auskunfteien halten die Aufhebung eines Insolvenzverfahrens nach einem Insolvenzplan offenbar mit dem Merkmal der Restschuldbefreiung für nicht vergleichbar. Ausschlaggebend dürfte ferner sein, dass der EuGH noch kein Urteil gesprochen hat, sondern es bislang „nur“ die Stellungnahme des Generalanwalts gibt.

Wie argumentierte das Landgericht Münster?

Das Landgericht Münster folgte der Argumentation der Rechtsanwälte AdvoAdvice und legte überzeugend dar, dass eine Vergleichbarkeit der Fallgruppen gleichwohl gegeben sei. Bereits in der Klageschrift argumentierte Rechtsanwalt Dr. Rohrmoser, dass betroffene Personen, die einen Insolvenzplan vereinbaren, eher leistungsfähig sind, als Personen, die eine Insolvenz mit Restschuldbefreiung in Kauf nehmen.

Diese Einschätzung teilte das Gericht und formulierte:

„Vielmehr lässt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ohne Restschuldbefreiung auf eine positive Vermögensentwicklung des Klägers schließen, sodass der Kläger im Vergleich zu einem Insolvenzschuldner, der ein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung abgeschlossen hat, ein nochmal gesteigertes Interesse an der Löschung der Negativeintragungen hat. Gleichzeitig ist er auch schutzbedürftiger, da von ihm vergleichsweise ein noch geringeres Risiko für den allgemeinen Rechtsverkehr ausgeht. Die von zitierten Rechtsprechung des OLG Schleswig und des OLG München herausgearbeiteten Argumente, denen sich die Kammer anschließt, müssen somit „erst recht" für solche Betroffene gelten, deren Insolvenzverfahren - wie beim Kläger des vorliegenden Verfahrens - durch Aufhebung endete.“


Auch im weiteren sah das Gericht, ähnlich wie das OLG Schleswig in einer weiteren Entscheidung vom 02.06.2022 – 17 U 5/22, dass die weiteren Argumente hinsichtlich der Restschuldbefreiung auch beim Insolvenzplan übernommen werden können.

Was gilt für Betroffene eines Insolvenzverfahrens?


Auch wenn die Schufa Holding AG eine massive Änderung in ihren Speicherfristen vorgenommen hat, gilt dies weder für alle Merkmale noch für alle Auskunfteien. Die Kanzlei AdvoAdvice empfiehlt daher:


  1. Wenn Sie ein Insolvenzverfahren erfolgreich beendet haben, sollten Sie bei allen großen Auskunfteien wie der Schufa Holding AG, der Boniversum Creditreform GmbH, der Infoscore Consumer Data GmbH sowie der CRIF Bürgel GmbH eine Datenauskunft einholen.
  2. Wenn Merkmale zur Insolvenz auch nach sechs Monaten gespeichert sind, sollten Sie die Auskunftei zur Löschung auffordern.
  3. Sofern die Löschung abgelehnt wird, können Sie sich an eine spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei wenden, um gegen die weitere Speicherung vorzugehen. Im Optimalfall werden die Kosten von einer Rechtsschutzversicherung übernommen.

Rechtsanwalt Dr. Rohrmoser fasste abschließend zusammen:


„Man darf sich von den Ereignissen der letzten Wochen nicht blenden lassen und meinen, dass sich das Thema Datenspeicherung nach einer Insolvenz erledigt habe. Mit Spannung wird weiter das Urteil des EuGH erwartet. Bis dahin gibt es aber Auskunfteien, die Daten erst nach Einreichung einer Löschungsaufforderung entfernen. Andere Merkmale sollen offenbar weiter gespeichert werden.“


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Foto(s): AdvoAdvice

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