Mängel beim Hausbau / Mängelrechte beim Bau von Immobilien / Mängelbeseitigungskosten

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Im Jahre 2019 wurden in alleine in Deutschland 19,2 Millionen Wohngebäude gezählt. Fast 300.000 neue Objekte kamen hinzu. Die große Anzahl von Gewerbeimmobilien ist noch nicht einmal mitgezählt. Was haben die allermeisten dieser Gebäude gemeinsam? Richtig, sie weisen eine Vielzahl an Baumängeln auf. Laut der Studie „Bauqualität beim Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern“ aus dem Jahre 2019 kommt es beim Neubau einer im Schnitt zu 23 Baumängeln.


Was sind Mängel?

Ein Sachmangel beim Hausbau liegt nach § 633 Abs. 2 BGB vor, wenn die Immobilie entweder nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet oder wenn sie nicht die übliche Beschaffenheit hat und sich nicht zur gewöhnlichen Verwendung eignet. Juristen sprechen von einer Abweichung der sogenannten Ist- von der Soll-Beschaffenheit.

Typische Sachmängel sind beispielsweise Schäden am Wärmedämmverbundsystem, ein undichtes Dach oder falsch gegossener Estrich.

Neben Sachmängeln gibt es noch die sogenannten Rechtsmängel. Eine Immobilie ist nach § 633 Abs. 3 BGB frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Bauherrn geltend machen können.

Insbesondere bei geistigen Werkleistungen können Rechtsmängel vorliegen, wenn beispielsweise Urheberrechte verletzt werden und Dritte Unterlassungsansprüche geltend machen können. In der Praxis spielen Rechtsmangel nahezu keine Rolle.


Welche Mängelrechte stehen mir zu?

Hinsichtlich der Mängelrechte, die Bauherrn bei mangelbehafteten Bauwerken zustehen, ist zu prüfen, ob es sich um einen BGB-Bauvertrag im Sinne des § 650a Abs. 1 S. 1 BGB handelt oder ob der Vertrag anhand der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B,  VOB/B, zu beurteilen ist. 

Die VOB/B wird nur Bestandteil eines Bauvertrages, wenn die Parteien dies vereinbaren. Da die VOB/B weder Gesetz noch Rechtverordnung, sondern Vertragsrecht ist, gilt sie nicht automatisch. Die Vereinbarung der VOB/B bedarf keiner Form. Ein Bezug oder allgemeiner Hinweis auf die VOB/B reicht allerdings grundsätzlich aus. Dieser Hinweis muss jedoch klar und unmissverständlich sein. Ist dem Bauherrn die VOB/B nicht vertraut, muss sie ihm vom Vertragspartner konkret zur Kenntnis gebracht werden. Ein bloßer Hinweis auf die VOB/B reicht in diesen Fällen nicht aus. 

Bei einem BGB-Bauvertrag ergeben sich die Mängelrechte des Bauherrn aus § 634 BGB, bei einem VOB-Vertrag aus § 13 VOB/B. Die Mängelrechte aus einem BGB-Bauvertrag kann der Bauherr grundsätzlich erst nach der Abnahme geltend machen, bei einem VOB-B-Vertrag gibt es die Sondervorschrift des § 4 Nr. 7 VOB/B, wonach der Bauherr einen Mangelbeseitigungsanspruch bereits während der Bauausführung hat.

Zunächst ist dem Vertragspartner grundsätzlich eine zweite Chance zu geben. Das heißt, dass er zunächst nach § 635 Abs. 1 BGB bzw. nach § 13 Abs. 5 S. 1 VOB/B zur Nacherfüllung, also zur Beseitigung des Mangels, aufgefordert werden muss. Wie das Bauunternehmen den Mangel beseitigt oder ob es gegebenenfalls das Bauwerk neu errichtet, bleibt dem Bauunternehmen überlassen.

Kommt das Bauunternehmen der Aufforderung zur Nacherfüllung nicht nach oder scheitert diese, steht dem Bauherrn nach seiner Wahl das Recht zur Selbstvornahme, zur Minderung, auf Schadens- bzw. Aufwendungsersatz bzw. zum Rücktritt zu. 

Besonders erwähnenswert ist, dass dem Bauherrn sowohl beim BGB-Bauvertrag, als auch beim VOB-Vertrag ein Vorschussanspruch in Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zusteht. 

Welche konkreten Mängelrechte erfolgsversprechend sind, sollte stets mit einen kompetenten Baurechtler anhand des Einzelfalls besprochen werden.


Wie bemisst sich die Höhe der Mängelbeseitigungskosten?

Auch hinsichtlich der Bemessung der Mängelbeseitigungskosten sind zwei verschiedene Fallkonstellationen zu beachten.

Der BGH entschied mit einem Grundsatzurteil vom 22.02.2018, Az. VII ZR 46/17, dass man Schadensersatz in Höhe von fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht mehr verlangen könne. Dies gilt für alle seit dem 1. Januar 2018 geschlossenen Verträge. Der Mangel eines Werks stelle lediglich ein Leistungsdefizit dar, so das Urteil, da das Werk bleibt hinter der geschuldeten Leistung zurückbleibe. Doch dieses Leistungsdefizit wird im Werksvertragsrecht durch die fiktive Schadensbemessung nicht richtig abgebildet, entschieden die Richter. Vielmehr führe sie häufig zu einer Überkompensation und das widerspreche den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen.

Beseitigt der Bauherr den Mangel nicht, kann er seinen Vermögensschaden geltend machen. Hierbei wird die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert des Bauwerks ohne den Mangel und dem Wert des Bauwerks mit dem Mangel gebildet. Alternativ kann der Bauherr ausgehend vom vereinbarten Werklohn den Minderwert des Bauwerks schätzen. Der Vermögensschaden entspricht dann der Leistung, die der Auftragnehmer nicht mangelfrei erbracht hat. Entscheidet sich der Auftraggeber hingegen, den Mangel beseitigen zu lassen, kann er die dafür erforderlichen Kosten der Mängelbeseitigung als Schadensersatz geltend machen.

Verlangt der Bauherr hingegen einen Kostenvorschuss, bemisst sich die Höhe danach, welche Aufwendungen für die Mangelbeseitigung vorausschauend zu erwarten sind. Zu berücksichtigen sind die Kosten der Selbstvornahme einschließlich der Kosten der Nebenarbeiten. Sogenannte Mangelfolgeschäden sind dagegen nicht erfasst, da diese sind nicht Gegenstand der Selbstvornahme sind, also auch nicht des Vorschussanspruchs. Ist die Neuherstellung des Bauwerks erforderlich, besteht ein Anspruch auf Vorschussin Höhe der für die Neuherstellung erforderlichen Kosten, auch wenn diese über dem ursprünglichen Vertragspreis liegen. Der Bauherr muss den Umfang der Selbstvornahmekosten darlegen. Hierfür muss er die beabsichtigten Maßnahmen umrisshaft angeben und seine Kostenschätzung nachvollziehbar begründen. Den Nachweis kann der Bauherr durch Vorlage erholter Angebote oder Gutachten erbringen. Außergerichtlich kann auch die Eigenkalkulation des sachkundigen Auftraggebers bei genügender Spezifizierung ausreichen. Im Rechtsstreit ist die Höhe des angemessenen Vorschusses in der Regel durch Sachverständigengutachten zu klären.


Was sind Sowieso-Kosten?

Bauherren, die einen Mangel erleiden, dürfen keinen Vorteil aus dem Mangel selbst bzw. aus der Mangelbeseitigung ziehen. Bei der Bemessung von Mängelbeseitigungskosten sind daher die sogenannten Sowieso-Kosten in Abzug zu bringen. Bei den Sowieso-Kosten handelt es sich um die Kosten, die „sowieso“ angefallen wären – also selbst dann, wenn das Bauunternehmen das Bauwerk mangelfrei erstellt hätte. 

Sowieso-Kosten sind beispielsweise in Abzug zu bringen, wenn ein Bauunternehmen die Dämmstoffdicke des Wärmedämmverbundsystems nicht ausreichend geplant und dementsprechend das Werk umgesetzt hat. Da eine mangelfreie Isolierung von vornherein aufwändiger und sicherlich auch teurer gewesen wäre, wären die Kosten für das mangelfreie Werk sowieso entstanden. Diese Mehrkosten sind bei den Mängelbeseitigungskosten daher nicht zu berücksichtigen.


Wie rüge ich einen Mangel richtig bzw. zeige ich ihn an?

Wenn der Bauherr Mängelrechte geltend machen möchte, ist er verpflichtet, den Mangel anzuzeigen bzw. zu rügen. Von der Anzeige wird meistens bei einem VOB-Vertrag gesprochen, bei einem BGB-Bauvertrag hingegen von einer Mängelrüge. Inhaltlich sind jedoch sowohl an die Mängelanzeige als auch an die Mängelrüge die grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu stellen und dieselben Voraussetzungen zu erfüllen.

§ 13 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B sieht vor, dass der Mangel bei einem VOB/B immer schriftlich anzuzeigen ist. Dies empfiehlt sich zu Beweiszwecken selbstverständlich auch beim BGB-Bauvertrag.

Der Bauherr ist verpflichtet, in seiner Mängelanzeige den angefallenen Mangel zu benennen und mindestens nach dem Erscheinungsbild zu beschreiben. Entsprechend der „Symptomrechtsprechung“ kann vom Bauherrn nicht verlangt werden, den Mangel fachmännisch exakt und technisch genau darzustellen. Selbstverständlich ist es auch nicht erforderlich, die eigentliche Ursache bzw. den aufgetretenen Fehler für den Mangel anzugeben. Die meisten Bauherrn dürften schließlich nicht über die dafür notwendigen Fachkenntnisse verfügen.

Mit der schriftlichen Anzeige ist dem Auftragnehmer eine angemessene Frist, in der der Mangel zu beseitigen ist. Sie sollte so angemessen vorgegeben werden, dass dem Auftragnehmer auch ausreichend Zeit zur Mängelbeseitigung zur Verfügung steht. Handelt es sich bei der ausgeführten Bauleistung um eine sehr umfangreiche und schwierige Baumaßnahme und kann der dabei für eine Mängelbeseitigung notwendige Aufwand nicht bzw. nur schwer eingeschätzt werden, dann sollte mindestens ein Termin für den Beginn der Mängelbeseitigungsarbeiten durch den Aufraggeber vorgegeben werden.

Neben der Fristsetzung sollte durch den Bauherrn in der Mängelanzeige bereits Konsequenzen angedroht werden, für den Fall, dass das Bauunternehmen den Mangel nicht behebt. Während der Bausauführung kann der VOB-Vertrag beispielsweise gekündigt werden, nach der Abnahme besteht das Recht der Selbstvornahme.


Welche Tipps sollten Bauherren unbedingt beachten?

Bauherren ist ohne Ausnahme anzuraten, rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist einen Bausachverständigen zu beauftragen, die Immobilie hinsichtlich etwaiger Baumängel zu begutachten. 

Nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB beträgt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche bei beim BGB-Bauvertragfünf Jahre. Nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 S. 1 VOB/B beträgt die Verjährungsfrist für Bauwerke bei VOB-Bauverträgenhingegen nur vier Jahre, soweit im Vertrag nichts Abweichendes geregelt ist. Sowohl die fünfjährige Verjährungsfrist nach BGB als auch die vierjährige Verjährungsfrist nach der VOB/B beginnen mit der Abnahme der Werkleistung zu laufen.

Durch das Anerkenntnis eines Mangels durch Mangelbeseitigungsmaßnahmen beginnt die Verjährungsfrist der Mängelrechte hinsichtlich des mangelhaften Bauwerks erneut.

Sollte hingegen Verjährung eingetreten sein, steht dem Bauunternehmen die Einrede der Verjährung zu. Das heißt, dass Bauherrn die ihnen eigentlich zustehende Rechte nicht mehr durchsetzen können.


Welche Tipps sollten Bauunternehmen beachten?

Bauunternehmen sollten bei Mängeln an Immobilien ihr Hauptaugenmerk auf die Sowieso-Kosten richten. Selbst wenn die Bauausführung tatsächlich mangelhaft sein sollte, sind die gegebenenfalls zu erstattenden Mängelbeseitigungskosten bei konsequenter Berücksichtigung der Sowieso-Kosten in der Regel enorm zu senken. Daneben ist allen Bauunternehmen unbedingt anzuraten, eine Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen, um vor Haftpflichtansprüchen Dritter bestmöglich geschützt zu sein. Über eine Betriebshaftpflichtversicherung können Bauunternehmen jedenfalls die Kosten derMängelbeseitigungsnebenkosten versichern. Mängelbeseitigungsnebenkosten sind die Kosten, die erforderlich sind, um die mangelhafte Werkleistung zur Schadensbeseitigung zugänglich zu machen und den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Nicht ersetzt werden jedoch Aufwendungen für die Beseitigung der mangelhaften Werkleistung.





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