Maulkorb Erlass Lex Putin § 130 Abs. 5 StGB

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Gibt es jetzt für Meinungsäußerungen in Deutschland etwa Haftstrafen? Dies und mehr erfahrt ihr hier in meinem Rechtstipp und in meinen Videos.


Lügen an sich, ist nicht strafbar.

Bisher war es erlaubt über historische Ereignisse falsche Behauptungen zu verbreiten, ohne dass es irgendwelche Strafgerichte interessiert hätte. Vielleicht auch deshalb, weil vor deutschen Gerichten am meisten gelogen wird?
 
Teilweise war es sogar ein lukratives Geschäftsmodell, falsche Behauptungen zu verbreiten. So zum Beispiel in den sozialen Netzwerken oder auch bei der Bildzeitung.
 
Nur für das Leugnen des Holocausts gab es historisch bedingt eine einzige strafbewehrte Ausnahme.
 
Deshalb ist das vom Bundestag am 20.10.2022 beschlossene neue Strafgesetz nicht mehr und nicht weniger als der schwerste Eingriff in die Meinungsfreiheit, die Deutschland je erlebt hat.
 
Bestraft wird nach dem neuen Absatz 5 in Paragraf 130 StGB  das Leugnen oder gröbliche Verharmlosen eines jeden Völkermordes, Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechens, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Unabhängig davon, an welchem Ort oder zu welcher Zeit das umstrittene Kriegsverbrechen stattgefunden haben soll.
 
Die Äußerung muss lediglich geeignet sein, zum Hass gegen eine nationale oder ethnische Gruppe aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
 
Wie weit diese Einschränkung der Meinungsfreiheit geht und welche Folgen das für jeden Einzelnen für uns hat, erfahrt ihr hier und in meinem Video.

Seit Ende des 2. Weltkrieg kein einziger Tag vergangen, an dem nicht irgendwo auf dieser Welt irgendein Krieg war, Genozide oder Kriegsverbrechen begangen wurden. Traurig, aber leider wahr.
 
Alleine im Jahr 2021 gab es weltweit 28 Kriege bzw. bewaffnete Konflikte. Darunter öffentlich bekanntere wie der syrische Bürgerkrieg oder der Russland/Ukraine Krieg, aber viele auch eher unbekannte Kriege, die meist in Asien, Afrika oder Südamerika stattfinden.
 
Wenn man keinen Krieg will, warum dann nicht das Billigen oder Leugnen von Kriegen verbieten und bei Verstößen dagegen, auch strafen?
 
Die Ampelregierung hat deshalb Ende Oktober 2022 und nahezu unbemerkt und ohne vorherige Beratungen eine Ausweitung des Straftatbestandes der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) verabschiedet.
 
Meinungsäußerungen zu Kriegen, Konflikten oder Kriegsparteien können dadurch jetzt unter Strafe stehen.
 
Ist das eine Lex Putin? Was darf ich jetzt noch sagen? Welche Meinungsäußerungen sind strafbar? Welche Strafen drohen?
 
In einem sogenannten Omnibusverfahren, also ohne inhaltlichen Bezug an ein anderes Gesetz drangehängt (in diesem Fall an eine Änderung des Bundeszentralregistergesetzes), hat der Bundestag eine Ausweitung des Straftatbestandes der Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) verabschiedet.
 
Ein neuer Absatz § 130 Abs.5 StGB stellt künftig das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
 
Damit werden Äußerungen und Handlungen, die jahrzehntelang von der Meinungsfreiheit gedeckt waren, plötzlich strafbar und sind mit harten Strafen bis zu 3 Jahren Strafhaft bedroht.
 
Die neue Strafvorschrift ist leider typisch für eine Entwicklung, die wir Strafverteidiger seit Jahren beobachten. Die Strafverfolgung rückt immer weiter in die Mitte der Gesellschaft vor.
 
Eine vorherige öffentliche Diskussion oder Erörterungen über geplante Straferweiterungen bzw. Verschärfungen wird unterdrückt. Wichtige Fragen etwa, wie:
 
Braucht unsere Gesellschaft neue oder schärfere Strafgesetze?
Will eine Gesellschaft überhaupt neue Strafvorschriften?
 
 
Auch eine Diskussion im Bundestag wird weitgehend verhindert.
 
Irgendein Ministerium denkt sich eine neue Strafvorschrift aus und setzt die unangekündigt und kurzfristig auf die Tagesordnung und Abstimmungsliste des Bundestags.

Der einzelne Abgeordnete bekommt davon meist bis zur eigentlichen Abstimmung auch nichts mit. Es gehört zum Arbeitsalltag vieler Abgeordneter, dass sie kaum noch zum Lesen ihrer Eingangspost kommen, deren Postfächer täglich überquellen.
 
Aus Zeitmangel stimmen sie über Gesetze ab, deren Inhalt und Folgen sie oft überhaupt nicht kennen oder überblicken. In ihrem Abstimmungsverhalten folgen sie dann den Vorgaben ihrer Fraktionsführung. So wurde dieses neue Strafgesetz nachts um 23:00 Uhr ohne jede öffentliche Anhörung beschlossen.
 
Mangels eingehender vorheriger Diskussionen sind diese Strafverschärfungen meist noch handwerklich schlecht gemacht.
 
Gesetze sollen eigentlich Orientierung geben. Was darf ich noch? Was nicht? Was ist verboten? Wo sind die Grenzen?
 
Dieses neue Strafgesetz macht genau das Gegenteil. Es schafft Verwirrung. Was ist noch erlaubte Meinungsäußerung? Wo beginnt schon die Strafbarkeit?
 
Im Ergebnis werden Strafermittler, Staatsanwaltschaften und Strafgerichte verpflichtet, sich von nun an in historische Debatten einzumischen und eigenständig zu bewerten.

Ob eine Strafbarkeit vorliegt oder auch nicht, ist damit vom Gutdünken der Strafgerichte abhängig. Dies wird zu willkürlichen Anwendungen und Einschränkungen der Meinungsfreiheit führen. Ob jemand mehrere Jahre ins Gefängnis muss oder nicht, wird reine Glückssache.


Warum ist das so?

Kriege haben Besonderheiten:
 
1.)
Im Krieg stirbt die Wahrheit immer zuerst. Vor über 2500 Jahren soll das der Schöpfer der griechischen Tragödie Aischylos schon erkannt haben. Jede Kriegsführung gründet sich auf Täuschung.
 
Ganze Kriege begründen sich auf einer einzigen Lüge. Hitler nahm für den Überfall auf Polen einem von der SS inszenierten Angriff auf den Rundfunksender Gleiwitz als Rechtfertigung.
 

Die USA behauptete in der UNO, der Irak sei im Besitz von chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen um ihren Krieg zu begründen. Schlicht gelogen.
 
Putin behauptete, in der Ukraine hätten Neonazis die Macht ergriffen hätten und würden die Bevölkerung terrorisieren. Reine Kriegspropaganda.
 
Information, Desinformation und Nichtinformation sind eine neue Waffengattung. Die Oberhoheit über Informationen ist für die Kriegführung mittlerweile mindestens so wichtig wie die Erringung der Lufthoheit über feindlichem Gebiet.

Dies beinhaltet überlegenes Wissen über Gegner, Risiken, potenzielle Ziele, die Wirkung eingesetzter Waffen, aber auch die Außendarstellung gegenüber der Weltöffentlichkeit.
 
Jede Kriegsberichterstattung in Medien, aber auch Nachrichten in sozialen Medien hat ihren Ursprung  in so gelenkten Informationen oder auch Zensur der Kriegsparteien. Mal mehr, mal weniger.
 
Laut der Ukraine und den westlichen Ländern hat Russland in Butscha ein Kriegsverbrechen begangen. Laut Russland, aber auch China und vielen afrikanischen Ländern, gab es in Butscha überhaupt kein Massaker. Es handelt sich um eine Inszenierung der Ukraine um Russland zu diskreditieren. Wem glauben?
 
Mangels der Möglichkeit, sich vom Ort selbst ein eigenes Bild vom Kriegsgeschehen zu machen, beruht deshalb jede Meinungsäußerung auf solch gesteuerten und möglichweise auch manipulierten Nachrichten vom Kriegsgeschehen.
 
Auch der Staatsanwalt oder der Strafrichter hat als Grundlage für seine Anklage oder Strafurteil meist nur diese möglicherweise manipulierten Nachrichten. Ein etwa überlegenes Wissen hat er nicht.
 
Stattdessen wird nur selten so viel gelogen wie im Krieg. Beweise werden regelmäßig von staatlichen Akteuren vertuscht oder manipuliert, Zeugen sind nur schwer zu finden und auch die rechtliche Einordnung ist oft schwierig.
Wie soll deutsches Amtsgericht hier die Wahrheit finden? Meist unmöglich.

2.)
Es gibt keine sauberen Kriege. Kriege sind immer fürchterlich und schmutzig. Kriegsverbrechen sind der Alltag bei allen Kriegsparteien. Kriegsverbrechen sind entweder ganz bewusst Teil der Kriegsstrategie von Kriegsparteien oder passieren unter dem ständigen Druck, selbst getötet zu werden oder andere zu töten.
 
Die Klärung und Feststellung von Völkermord oder Kriegsverbrechen passiert eigentlich am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Regelmäßig sitzen dort auf der Anklagebank aber ausschließlich die Verlierer von Kriegen oder Afrikaner.
 
Die Kriegsgewinner unternehmen aber alles, dass ihre mutmaßlichen Kriegsverbrechen dort nicht verhandelt werden. Die USA gehen hier sogar soweit, dass sie den Richtern den Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag die Einreise in die USA verbieten und diese Richter mit Sanktionen belegen, wenn sie gegen US-Amerikaner ermitteln.
 
Im Ergebnis wird mit dieser neuen Strafvorschrift jede öffentliche Diskussion über historische aber auch aktuelle Konflikte mit Strafe bedroht.
 
War der Atombombenabwurf der USA auf Hiroshima und Nagasaki ein Kriegsverbrechen? Je nach Sichtweise kann dann eine Äußerung dazu schon eine Straftat sein.
 
War die  Ermordung von hunderttausenden Armenier durch Türken im Jahre 1915/16 ein Genozid? Dies als Völkermord zu bezeichnen, war bis 2006 in der Türkei noch eine Straftat. In Deutschland dagegen, dies als Genozid abzustreiten….könnte ab jetzt eine Straftat sein.

Die Attentate der Palästinenser gegen die Israelis als legitime Selbstverteidigung und nicht als Kriegsverbrechen zu benennen…ab jetzt möglicherweise strafbar.
 
Israel verbal zu unterstützen in ihrem Kampf gegen palästinische Attentäter…. vielleicht das Leugnen von Kriegsverbrechen und damit eine Straftat?
 
Mit den ständigen Strafverschärfungen begeben wir alle uns auf einem gefährlichen Weg.
 
Als Gesellschaft sollten wir alle ganz genau überlegen, ob und wie politisch unser Strafrecht sein soll. Wenn wir unangebrachte und kritikwürdige Äußerungen nicht mehr auszuhalten, ohne nach dem Staatsanwalt zu rufen, wie schwach ist diese Gesellschaft?

So schwach wie die russische Gesellschaft, die den Ukraine Krieg als militärische Spezialoperation benennt?


Weitere Infos finden Sie unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht





Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

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