Meinungsfreiheit oder Dienstvergehen: Dürfen Beamte Kritik äußern?
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Die Grundrechte der Verfassung sind unantastbar und dürfen in ihrem Kernbereich nicht berührt werden. Das gilt im Prinzip für jedermann. Berufsbeamte haben jedoch eine besondere Beziehung und Treuepflicht zum Staat. Daher können sie sich nur eingeschränkt auf ihre Grundrechte berufen. Das betrifft besonders die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz.
Hier erfahren Sie:
- was Sie als Beamter zu Ihrer Meinungsfreiheit & kritischen Äußerungen wissen müssen
- welche Äußerungen Sie besser vermeiden
- welche Konsequenzen bei einer Pflichtverletzung drohen
Der allgemeine Grundsatz zu den Freiheitsrechten eines Beamten
Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage der Reichweite und Grenzen des Grundrechtsschutzes von Beamten bereits ausführlich thematisiert. In einem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde stellten die Richter folgendes klar:
„Auch ein Beamter genießt Grundrechtsschutz und kann sich auf die Garantie der individuellen Freiheitsrechte berufen. Indes ist ein Ausgleich zwischen diesen Rechten und den für die Erhaltung eines intakten Beamtentums unerlässlich zu fordernden Pflichten des Beamten zu suchen.“
Das bedeutet, grundsätzlich stehen einem Beamten dieselben Freiheitsrechte zu, wie jedem anderen auch. Allerdings liegt die Grenze der Freiheitsrechte dort, wo der Beamte zur Erhaltung des Beamtentums eine Verpflichtung hat, die insgesamt höher wiegt.
Der Grundsatz zur politischen Meinungsfreiheit eines Beamten
Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus:
„So ist jedes Verhalten, das als politische Meinungsäußerung gewertet werden kann, nur dann verfassungsrechtlich durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn es nicht unvereinbar ist mit der in Art. 33 Abs. 5 GG geforderten politischen Treuepflicht des Beamten.“
Dabei schreibt Art. 33 Abs. 5 GG wortwörtlich keine politische Treuepflicht vor, sondern spricht nur davon, dass das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ zu regeln ist. Diese „hergebrachten Grundsätze“ wurden vielfach ausgelegt und definiert. Daraus haben sich zahlreiche konkrete Grundsätze für das Beamtentum entwickelt, zum Beispiel:
- Dienst- und Treueverhältnis
- Hingabe zum Beruf
- Verschwiegenheit über das Amt
- ein achtungs- und vertrauenswürdiges Verhalten
- keine Beamtenstreiks
- unparteiische Amtsführung
Die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit
Eben diese Besonderheiten des Beamtentums führen dazu, dass ein Spannungsverhältnis zwischen Grundrechten und Staatspflichten entsteht. Ein Beamter kann sein Recht auf freie Meinungsäußerung nur wahrnehmen, wenn er dadurch seine Treuepflicht gegenüber dem Staat nicht verletzt.
Das betrifft nicht nur politische Äußerungen in der Öffentlichkeit. Auch bei Kritik an einem Vorgesetzten kann ein Beamter eine sogenannten „Mäßigungspflicht“ haben, wenn es um die Form und den Inhalt einer kritischen Äußerung geht. Er muss gegenüber seinem Vorgesetzten auch dann Gehorsam und Zurückhaltung wahren, wenn er mit dessen Entscheidung nicht einverstanden ist. Denn ein Beamter hat die Pflicht, sich gegenüber seinem Dienstherrn „achtungsvoll und vertrauenswürdig“ zu verhalten – auch, wenn er berechtigte Kritik äußert.
Wohlverhaltenspflicht innerhalb und außerhalb des Dienstes
§ 34 Beamtenstatusgesetz setzt für das Verhalten eines Beamten konkrete Maßstäbe fest. Satz 3 bestimmt, dass das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordern. Die Pflicht zu „achtungsvollem und vertrauenswürdigem“ Verhalten betrifft somit auch das Verhalten außerhalb des Dienstes, also in der Freizeit.
Diese „Wohlverhaltenspflicht“ ist jedoch immer amtsbezogen: Je höher das Amt, desto höher sind die Anforderungen an das Verhalten. Die Wohlverhaltenspflicht verlangt, dass ein Beamter seine Lebensführung nach moralischen Grundsätzen ausrichtet, also etwa die Beachtung von Sitte, Anstand und Ehre.
Innerdienstliche Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht sind z. B.:
- unkollegiales Verhalten
- eine Meinungsäußerung, die den Bereich sachlicher Kritik verlässt
- verleumderische Aussagen über Dritte im Rahmen des Dienstbetriebs
- beleidigende Aussagen (muss nicht den Straftatbestand der Beleidigung erfüllen)
- Mobbing (systematisches Anfeinden) untereinander
Praxisbeispiele: Verhalten & Äußerungen, die Beamte besser vermeiden
Nicht jede kritische Äußerung muss dazu führen, dass ein Beamter seine Wohlverhaltenspflicht oder seine Treuepflicht verletzt. Die Grenze der Meinungsfreiheit wird im Einzelfall stets an einer anderen Stelle gezogen. Dabei werden immer das konkrete Amt und die Umstände der Situation betrachtet. Dazu einige Beispiele aus der Praxis:
- Antisemit & Personalreferent? Ein Beamter wurde als leitender Personalreferent eingesetzt. In einem Kantinengespräch äußerte er sich negativ über Ausländer und Juden. Insgesamt musste befürchtet werden, dass er ausländische und jüdische Bewerber benachteiligen werde. Er hatte die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten.
- Beleidigung von Schülern? Ein Lehrer sagt zu seinen Schülern: „Du Pflaume“, „Du hast ja Scheiße im Hirn“ oder „Bist du zu blöd, bis 12 zu zählen?“ Hier könnte die Meinungsäußerungsfreiheit überschritten sein. Es kommt jedoch auf die Situation an. So kann eine abfällige Bemerkung aufgrund besonderer Umstände auch gerechtfertigt sein. Andererseits kann es sich auch um eine strafrechtlich relevante Beleidigung (§ 185 StGB) handeln. Eine schmale Gratwanderung, die Lehrer besser vermeiden sollten.
- Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht durch Tattoos? Ein Polizeikommissar trug Tätowierungen mit verfassungswidrigem Inhalt. Zusätzlich hatte er öffentlich den sog. Hitlergruß gezeigt, mit einer Hakenkreuzflagge posiert und nationalsozialistische Devotionalien in seiner Wohnung aufbewahrt. Aufgrund dieser Umstände wurden seine Tätowierungen als grundsätzliche und dauerhafte Abkehr von den Prinzipien der Verfassungsordnung gewertet. Er wurde aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
- Politische Flugblätter verteilen? Ein Dritter hatte eine Skizze erstellt, in der er zu bewaffneten Aufständen und zur „Entausländerung Deutschlands“ aufrief. Ein Beamter druckte seinen Namen auf diese Skizzen und verteilte sie. Deutliche Kritik an der Regierungspolitik reicht an sich noch nicht für eine Treuepflichtverletzung aus. Anders sah die Situation hier aus, da die Kritik in kämpferischer, aggressiver Form geäußert wurde und sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtete.
- Äußerung einer bloßen Vermutung? Ein Beamter warf seinem Vorgesetzten ein gesetzwidriges Verhalten vor, ohne sich auf konkrete Sachhintergründe oder Anhaltspunkte zu beziehen. Er vermutete „ins Blaue hinein“, dass sein Vorgesetzter sich rechtswidrig verhalte. Das Urteil der Richter lautete: Eine derartige Äußerung sei diffamierend und stelle keine sachliche Kritik dar. Vielmehr werde dadurch eine Missachtung eines Vorgesetzten ausgedrückt – ein Verstoß gegen die Pflicht zu „achtungsvollem und vertrauenswürdigem“ Verhalten. Die Äußerung dieser Vermutung überschritt die Grenze der Meinungsfreiheit.
Konsequenzen bei einem Dienstvergehen
Wenn Sie als Berufsbeamter innerdienstlich oder außerdienstlich gegen Ihre Treuepflicht, Ihre Wohlverhaltenspflicht oder das Gebot der Mäßigung und Zurückhaltung im politischen Bereich verstoßen, liegt ein Dienstvergehen vor.
Sieht Ihr Dienstherr in einer Äußerung bzw. in Ihrem Verhalten ein Dienstvergehen, so ist er selbst verpflichtet, ein Disziplinarverfahren gegen Sie einzuleiten. In diesem Verfahren soll zunächst der genaue Sachverhalt ermittelt werden.
Anschließend steht es im Ermessen des Dienstherrn, ob er eine Disziplinarmaßnahme ausspricht oder nicht. Folgende Disziplinarmaßnahmen kommen dabei in Frage:
- Verweis
- Geldbuße
- Kürzung der Dienstbezüge
- Zurückstufung
- bei sehr schweren Dienstvergehen: Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
Was tun, wenn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde?
In meinem Rechtstipp Beispiele für Dienstvergehen und ihre Folgen – das Disziplinarverfahren erfahren Sie, wie ein Disziplinarverfahren abläuft und wie Sie sich dagegen wehren können.
Sobald Sie darüber unterrichtet werden, dass ein Disziplinarverfahren gegen Sie in Gang gesetzt wurde, sollten Sie sich Rat von einem versierten Rechtsanwalt holen. Denn alles, was Sie jetzt zu den Vorwürfen äußern, kann gegen Sie verwendet werden und daher gravierende Folgen haben.
Als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Beamtenrecht stehe ich während eines Disziplinarverfahrens an Ihrer Seite und verteidige Ihre Rechte – von Anfang an. Kontaktieren Sie mich einfach und unkompliziert über einen Kanal Ihrer Wahl, ob per Mail, telefonisch, oder per Post.
Ihr Rechtsanwalt Christopher Heumann
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