Musterfeststellungsklage verabschiedet – Wird Verbrauchern damit tatsächlich geholfen?

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Der Bundestag hat ein Gesetz erlassen, wonach nun eine sog. Musterfeststellungsklage möglich sein soll. Sinn und Zweck einer solchen Musterfeststellungsklage ist es, Schadensersatzansprüche gegen Unternehmen gerichtlich und somit verbindlich durchzusetzen, ohne selbst ein Gerichtsverfahren anstrengen zu müssen. Dafür können „qualifizierte Einrichtungen” die Interessen der Betroffenen wahrnehmen. In der Begründung zum Gesetzesentwurf vom 09.05.2018 heißt es wörtlich:

„Gerade wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall gering ist, werden Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche oft nicht individuell verfolgt, da der erforderliche Aufwand aus Sicht des Geschädigten unverhältnismäßig erscheint („rationales Desinteresse“). Kommt eine Einigung der Parteien – etwa im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung – nicht zustande und sehen die Betroffenen von einer Klage ab, verbleibt der unrechtmäßig erlangte Gewinn bei dem Anbieter, der hierdurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber rechtstreuen Wettbewerbern erzielt.”

Wie funktioniert das Verfahren genau?

Nach den nunmehr verabschiedeten Regelungen muss eine qualifizierte Einrichtung eine Klage unter Aufarbeitung der Fälle von mindestens 10 Geschädigten einreichen. Im Anschluss daran können sich weitere Betroffene in ein sog. Klageregister eintragen, um die eigenen Rechte in dem „Musterprozess” ebenfalls geltend zu machen. Dabei müssen sich innerhalb von zwei Monaten, mindestens 50 Betroffene im Klageregister anmelden, damit das Verfahren fortgeführt werden kann. Hat man sich in das Klageregister eingetragen, können die eigenen Ansprüche nicht mehr verjähren.

Das Gesetz tritt zum 01.11.2018 in Kraft, damit die verjährungshemmende Wirkung der Klage auch noch für gegenwärtige Ansprüche greifen kann. Dies dürfte vor allem die Betroffenen aus dem VW-Dieselskandal betreffen.

Was sind die Probleme an dem Verfahren?

Problematisch ist zunächst, dass nur wenige Institutionen eine solche Klage einreichen können. Dabei handelt es sich hauptsächlich um große Verbraucherschutzverbände (ein Verband muss mindestens 10 Unterverbände oder 350 Mitglieder haben und max. 5 Prozent des Budgets dürfen von Unternehmen stammen). Kleinere und mittelgroße Verbände sowie spezialisierte Anwaltskanzleien, welche womöglich ebenfalls eine Vielzahl von Betroffenen vertreten, sind von der Möglichkeit einer Musterfeststellungsklage ausgeschlossen. Zudem sind nach Angaben des vzbv die Haftungsrisiken nur unzureichend geregelt, weshalb nicht klar ist, ob alle großen Verbände auch tatsächlich vom Klagerecht Gebrauch machen können/sollten. Konkret müssen die geschädigten Verbraucher also einen Verband finden, der eine solche Klage einreichen kann und dies auch möchte. Dass sich die Geschädigten selbst organisieren, ist dagegen nicht möglich.

Ein zweites Problem besteht darin, dass es sich um ein sog. „Zweistufiges Verfahren” handelt. Wer sich im Klageregister eingetragen hat, bekommt am Ende ein sog. Feststellungsurteil. Es wird also lediglich festgestellt, dass ein Gesetzesverstoß vorlag. Die eigenen Ansprüche auf Zahlung muss der betroffene Verbraucher im Anschluss an das Musterfeststellungsverfahren sodann selbst durchsetzen. Dabei können dann wieder diverse neue Rechtsfragen auftreten, welche im Musterfeststellungsverfahren gerade nicht geklärt wurden. Es kann also sein, dass man trotz des Urteils im Musterverfahren nochmals eine Klage auf Zahlung einer konkreten Summe einreichen muss.

Das Gesetz ist wie oben bereits zitiert, auf Fälle ausgelegt, in welchen sich die Durchsetzung der Ansprüche im Einzelfall nicht lohnt. Gerade bei schwierigen Verfahren ist fraglich, ob das Musterfeststellungsverfahren überhaupt effektiv zur Anwendung kommen kann.

Fazit: Meilenstein oder Mogelpackung?

Die Musterfeststellungsklage an sich ist ein Fortschritt für die Verbraucher in Deutschland. Gleichzeitig ist das Instrument noch kritisch zu betrachten, bestehen doch viele Einschränkungen und Unsicherheiten. Besonders effektiv scheint das Verfahren für kompliziertere Fälle nicht zu sein. Ob den Verbrauchern mit der neuen Möglichkeit auch tatsächlich effektiv geholfen werden kann, wird sich in der Praxis erst noch zeigen müssen. Dies insbesondere deshalb, weil nur wenige Verbände überhaupt eine Klage einreichen können und andererseits für diese Verbände ein Haftungsrisiko besteht, weshalb nicht sicher ist, ob die neuen Möglichkeiten in größeren Fällen auch tatsächlich genutzt werden.



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