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Nach Verfassungsbeschwerde: Familiengericht ändert Entscheidung

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Einen großen Teil meiner Arbeit nehmen Verfassungsbeschwerden im Familienrecht ein. Dies liegt wohl an verschiedenen Faktoren:

  • Scheidungen, Trennungen und nachfolgende Sorgerechtsstreitigkeiten werden wohl immer häufiger
  • Elternrechte haben einen hohen ideellen und emotionalen Stellenwert, sodass man die Kosten einer Verfassungsbeschwerde auf sich nimmt
  • Verfassungsbeschwerde können auf zu erwartende künftige Auseinandersetzungen einen positiven Einfluss haben


Gerade letzterer Punkt ist meines Erachtens entscheidend dafür, Mandanten im Familienrecht eher zu einer Verfassungsbeschwerde zu raten als in anderen Rechtsbereichen.


Gericht setzt sich mit Argumenten auseinander


Einen Beleg hierfür habe ich gerade in einer Sache, in der ich die Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss eines süddeutschen Oberlandesgerichts begleitet habe, bekommen:


Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet. Die Entscheidung des Familiengerichts vom ... in der Fassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom ... (Az. ...) war in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise abzuändern.

Zwar ist weiterhin davon auszugehen, dass die Entscheidung zutreffend war. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass (ausführliche Verteidigung der damaligen Entscheidungen).

Indes sind die in der namens des Antragstellers eingelegten Verfassungsbeschwerde vom ... (Bl. ... der Akten), die dem Abänderungsantrag beigefügt war, ausgeführten Argumente nicht völlig von der Hand zu weisen. Nach einer eingehenden Prüfung der aktuellen Sach- und Rechtslage und der sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an die familiengerichtliche Entscheidung war die Umgangsregelung daher zugunsten des Antragstellers abzuändern.

Hierfür spricht zunächst, dass (Wiedergabe weiter Teile des Inhalts der Verfassungsbeschwerde).


Passiert ist hier also Folgendes:


  • Das Amtsgericht (Familiengericht) hatte der Mutter das Sorgerecht für die Kinder zugesprochen. Der Vater der Kinder erhielt Umgangsrechte, mit denen er aber nicht einverstanden war.


  • Daher wurde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt, um zusätzliche Umgänge mit den Kindern vor allem am Wochenende sowie in den Schulferien zu erhalten. Das Oberlandesgericht hat den Beschluss des Amtsgerichts im Wesentlichen bestätigt und lediglich kleinere Korrekturen zugunsten des Kindesvaters vorgenommen.


  • Nun wurde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Verfassungsbeschwerde unter anderem wegen Verletzung der Elterngrundrechte (Art. 6 des Grundgesetzes) eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat über die Verfassungsbeschwerde noch nicht entschieden, das Verfahren liegt in Karlsruhe.


  • Als nächstes hat der Kindesvater über seinen Instanzanwalt beim Amtsgericht beantragt, die damalige Entscheidung zu ändern und den Umgang für die Zukunft anders festzusetzen. Hierfür wurden einige Argumente aus seinem Umfeld (z.B. dass sich seine Arbeitszeiten verschoben haben) angebracht. Außerdem wurde die Verfassungsbeschwerde gegen die vorherige Entscheidung informationshalber mit eingereicht.


  • Das Amtsgericht hat dann entschieden, dass zwar seine vorherige Entscheidung an sich richtig war, es also eigentlich keine zwingenden Gründe gibt, diese nun zu ändern. Weil aber die verfassungsrechtlichen Argumente durchaus bedeutsam sind (netterweise formuliert als "nicht völlig von der Hand zu weisen"), hat es noch einmal alle Gesichtspunkte abgewogen. Hier ist es zu dem Schluss gekommen, dass es dem Kindesvater doch etwas mehr entgegenkommen müsse als bisher geschehen.


Familiengericht wurde auch ohne BVerfG aktiv


Um es noch einmal zu verdeutlichen: Das Bundesverfassungsgericht hat hier noch keinen Ton zu der Verfassungsbeschwerde gesagt, geschweige denn über sie entschieden. Aber allein die Tatsache, dass es in einem vorherigen Verfahren eine Verfassungsbeschwerde gab, hat das Gericht im Folgeverfahren anscheinend (neben neuen Sachargumenten) dazu bewegt, von seiner bisherigen Haltung teilweise abzurücken.

Daher kann man nun möglicherweise sogar erwägen, die Verfassungsbeschwerde zurückzunehmen, um den Familiengerichten zu signalisieren, dass man diesen Umschwung in ihrer Meinung anerkennt und mit gegenseitigem Wohlwollen und Respekt in das weitere Verfahren geht.

Um dies zu erreichen, ist es aber grundsätzlich wichtig, die Verfassungsbeschwerde möglichst sachlich und konstruktiv zu formulieren. Es geht keineswegs darum, die Richter des Vorverfahrens zu beschimpfen und als Verfassungsbrecher darzustellen. Man muss freilich mit klaren Worten verfassungsrechtliche Fehler und Grundrechtsverstöße darlegen. Aber das sollte durch nachvollziehbare Argumente und nicht durch pauschale Vorwürfe erfolgen.



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten Familienrecht, Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

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