Nebentätigkeit im Öffentlicher Dienst (Bauamt) - Untersagung bzw. Verweigerung der Genehmigung

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Nebentätigkeit im Öffentlicher Dienst (Bauamt) - Untersagung bzw. Verweigerung der Genehmigung – Urteil des LAG Baden-Württemberg


Einzelfallentscheidung zur Rechtmäßigkeit der Untersagung der Nebentätigkeit eines Mitarbeiters in einem kommunalen Bauamt bei einem in der Gemeinde ansässigen Architekten – Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 05.05.2023, 12 Sa 11/22


1. Vorgeschichte


Der Kläger ist seit dem 01.07.2014 bei der Beklagten als Bautechniker in Vollzeit beschäftigt. Die Beklagte ist eine Gemeinde mit rund 12.000 Einwohnern eigenem Bauamt. Zum Tätigkeitsbereich des Klägers zählen überwiegend die Betreuung der Tiefbau- und Kanalisationsarbeiten. Darüberhinaus ist er im Bereich der Hochbauarbeiten für die dauerhafte Instandhaltung von zwei Kindergärten sowie für das Rathaus zuständig.


Der Kläger ist mit einem Architekten befreundet, der ein Büro für Bauwesen auf dem Gemeindegebiet der Beklagten betreibt. Das Büro wurde von der Beklagten in der Vergangenheit mit Planungsarbeiten geringeren Umfangs betraut.


Der Kläger teilte der Beklagten mit, dass er eine entgeltliche Nebentätigkeit im Büro des befreundeten Architekten mit einem Zeitaufwand von weniger als einem Fünftel seiner wöchentlichen Arbeitszeit ausüben wolle. Er sicherte zu keine Aufträge der Beklagten und des Weiteren auch keine Aufträge mit Bezug zum Gemeindegebiet auszuüben und bat insoweit um Genehmigung dieser Nebentätigkeit.


Gemäß § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags vom 16. Mai 2014 findet der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.


§ 3 Abs. 3 TVöD-V in der seit 1. März 2018 geltenden Fassung lautet wie folgt:


            "Nebentätigkeiten gegen Entgelt haben die Beschäftigten ihrem Arbeitgeber       rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen. Der Arbeitgeber kann die          Nebentätigkeit untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn diese geeignet      ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Beschäftigten oder           berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. … "


Die Beklagte lehnte die Erteilung der Genehmigung jedoch ab und begründete dies auf Nachfrage mit einer befürchteten Interessenkollision.


2. Folgen der Genehmigungsablehnung: Klage -& Berufung


Der Kläger begehrte zunächst die Bewilligung der Nebentätigkeit, scheiterte jedoch erstinstanzlich. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Begrundung (Auszug):


"Der Kläger sei nicht zur Ausübung der von ihm angezeigten Nebentätigkeit berechtigt. Die Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V lägen vor. Die begehrte Nebentätigkeit sei geeignet, das öffentliche Ansehen der Beklagten zu beschädigen. Es sei unvermeidlich, dass potentielle Wettbewerber des Büros XY Kenntnis von der Nebentätigkeit erlangten und fortan die Objektivität der Entscheidungen durch Vertreter der Beklagten anzweifelten."


Gegen das klageabweisende Urteil legte der Kläger Berufung ein und stellte seinen Antrag nach Hinweis des Gerichts um. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass die Nebentätigkeit keiner Bewilligung/Erlaubnis bedarf, sondern gemäß § 3 Abs. 3 TVöD-V lediglich anzeigepflichtig ist. Allerdings kann sie bei berechtigtem Interesse untersagt werden.


Weiter wurde darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob  eine Verweigerung der Bewilligung mit einer Untersagung gleichgesetzt werden könne.


Daraufhin stellte der Kläger seine Anträge um. Es soll nunmehr festgestellt werden, dass


            "1.       der Kläger die nachfolgend näher beschriebene Nebentätigkeit auszuführen                berechtigt ist und

            2.         die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger die nachfolgend näher                              beschriebene Nebentätigkeit zu untersagen: [...]"


Neben den selbst erlegten Auflagen - keine Aufträge der Beklagten und des Weiteren auch keine Aufträge mit Bezug zum Gemeindegebiet zu bearbeiten - begründete er seine Anträge weiter damit, dass ein Kollege aus der EDV nebenberuflich für ein IT-Beratungsbüro im Gemeindegebiet tätig sei.


3. Berufungsausgang & Entscheidungsgründe


Hinsichtlich des Antrages zu Ziffer 1 wurde festgestellt, dass der Kläger zur Ausführung der gegenständlichen Nebentätigkeit berechtigt ist, denn die Beklagte hat die Nebentätigkeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht untersagt.


Der Antrag zu Ziffer 2 wurde unbegründet abgewiesen. Die Beklagte hat das Recht die Nebentätigkeit zu untersagen oder mit Auflagen zu versehen. Zudem liegen Untersagungsgründe vor.


Irritation bei Wettbewerbern und Bürgern


Im Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger selbst angemerkt, dass seine Tätigkeit im Büro des befreundeten Architekten "Geschwätz" und "Gerede" in der Gemeinde nach sich ziehen könne. Nach seiner Ansicht müsse dies von der Beklagten hingenommen werden, weil ein Interessenkonflikt nicht drohe (Projekte auf dem Gemeindegebiet und die Bearbeitung von Aufträgen der beklagten Gemeinde sind ausgeschlossen).


Das Gericht ist allerdings anderer Meinung und stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG):


"Das Bundesarbeitsgericht betont zu Recht, dass es auf die inhaltliche     Ausgestaltung einer Nebentätigkeit und die konkrete Konkurrenzsituation für die   Frage der Ansehensbeeinträchtigung nicht ankommt, weil Bürger und     Wettbewerber von den einzelnen Vertragsbedingungen und ihrer strikten       Einhaltung bei der Vertragsdurchführung keine Kenntnis haben können (vgl. BAG     19. Dezember 2019 – 6 AZR 23/19 – BAGE 169, 180 ff, Rn. 31). Die konkrete       Ausgestaltung der Nebentätigkeit ist mithin nicht geeignet, der Nebentätigkeit ihre   potentiell ansehens- und vertrauensbeeinträchtigende Wirkung zu nehmen."


Interessenabwägung zwischen Kläger (freie Berufswahl, Gleichbehandlung) & Beklagter (Öffentliches Ansehen)


In der Gesamtbetrachtung überwiegen die Interessen der Beklagten.


Um dem Eindruck der mangelnden Neutralität und Objektivität des Bauamts vorzubeugen, könnte der Kläger z. B. einer Nebentätigkeit ohne Bezug zu seiner Tätigkeit nachgehen oder aber remote für ein Architekturbüro außerhalb der Gemeinde und somit auch ohne Beteiligung des Bauamtes arbeiten.


Der durch den Kläger ins Spiel gebrachte Kollege (EDV) und eine diesbezüglich unterbliebene Untersagung ändert ebenfalls nichts daran. Zum einen bestreitet die Beklagte überhaupt Kenntnis davon gehabt zu haben, zum anderen wären die Sachverhalte nach Auffassung des Gerichts nicht vergleichbar. Denn ein Konfliktpotential wie im Baubereich besteht im IT-Bereich nicht. Insbesondere nimmt die Beklagte mit ihrem internen EDV-Bereich keine Aufgaben im Rahmen der öffentlichen Eingriffsverwaltung gegenüber Dritten wahr.


4. Fazit: Arbeitgeber-Interesse > Arbeitnehmer-Interesse


Eindeutig ist es, sofern eine Nebentätigkeit bei einem Konkurenzunternehmen angestrebt wird oder man durch selbstständige Arbeit in derselben Sparte selbst zum Wettbewerber des Arbeitgebers wird (Wettbewerbsverbot). Davon sollte man Abstand nehmen, anderenfalls droht die Kündigung.


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