Nebenwirkung der Digitalisierung: Ein Monat kann ein Jahr dauern

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Ein Monat kann ein Jahr lang sein. Dies gilt für alle Bereiche der Sozialversicherung. Die Digitalisierung wirft auch im Bereich des Rechtswesens schon große Schatten voraus. Im Normalfall haben Sie einen Monat Zeit, um einen Widerspruch zu erheben.

Das Sozialgericht Darmstadt wies im Beschluss vom 23.05.2018 (S 19 AS 309/18 ER) darauf hin, dass die Monatsfrist aber gemäß § 66 Abs. 1 SGG nur dann zu laufen beginnt, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung hingegen unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer, wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.

Über dieses Recht werden Sie im Bescheid (meist am Ende oder auch in einer Fußnote) unter der Überschrift „Rechtsbehelfsbelehrung“ informiert. Dort steht dann, dass Sie den Widerspruch binnen eines Monats schriftlich oder zur Niederschrift erheben können.

Seit dem 01.01.2018 muss dort zusätzlich über die dritte Form des Widerspruchs belehrt werden.

Der Widerspruch ist in elektronischer Form nach § 36 a Abs. 2 SGB I zulässig.

Die Vorschrift des § 36 a Absatz 2 Satz 1 - 2 SGB I lautet: Eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform kann, soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. Der elektronischen Form genügt ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist.

Weiter kann die Schriftform auch durch die De-Mail ersetzt werden.

Sie müssen nun den Widerspruch nicht selbst in elektronischer Form erheben. 

Wichtiger ist zu wissen, was passiert, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig oder unvollständig ist.

Unrichtig ist die Belehrung dann, wenn sie nicht den statthaften Rechtsbehelf als solchen (also seine Bezeichnung der Art nach), die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, deren bzw. dessen Sitz und die einzuhaltende Frist angibt (vgl. die in § 66 Abs. 1 SGG genannten Merkmale). Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ist nach ihrem Sinn und Zweck, den Beteiligten ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur (fristgerechten) Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen, aber auch eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften erforderlich (ständige Rechtsprechung).

Im Fall der unrichtigen oder unvollständigen Rechtsbehelfsbelehrung ordnet § 66 Abs. 2 SGG an, dass Sie für den Widerspruch ein Jahr Zeit haben.

Darum lohnt sich der Blick ins Kleingedruckte der Rechtsbehelfsbelehrung

Eine spontane Stichprobe heute in meiner Kanzlei ergab nur eine richtige Rechtsbehelfsbelehrung von 10 verschiedenen Bescheiden. Somit eine Fehlerquote von 90 %. Das wird sich sicherlich in nächster Zeit ändern.

Es gibt viele Fälle, in denen über den genauen Zugang des Bescheids oder des Widerspruchs gestritten wird. Wenn dann noch die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist, kommt es auf die wenigen Tage Differenz nicht mehr an, weil dann nach § 66 SGG ohnehin die Jahresfrist gilt.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen aus Nürnberg

Rechtsanwalt Wecks

Fachanwalt für Sozialrecht



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