Neue Normen für die spanische Energiewende: endlich eine klare Regelung des Netzzugangs?

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Spanien gehört zu den ersten Märkten in denen die sogenannte grid parity erreicht wurde. Das heißt, dass auf erneuerbarer Energien (EE) basierte Stromerzeugung, selbständig von sich aus profitabel ist, also ohne jegliche Art staatlicher Förderungsmaßnahmen. Die Folge ist derzeit (selbst in den Monaten der Corona-Krise) ein erhebliches Interesse und große Aktivität der internationalen Akteure der EE-Branche, aber auch der internationalen Investoren, im spanischen Markt. Derzeit gibt es Hunderte von EE-Projekten, v. a. Wind- und Solarparks, in verschiedenen Entwicklungsstufen.

Ein EE-Projekt ohne Netzzugang ist wie ein Fisch ohne Wasser

Ist es möglich, dass es in einem bestimmten EU-Land zu viele EE-Projekte gibt? Wenn man die hochstrebenden Ziele, zu denen sowohl Spanien als auch die EU an sich dank der verschiedenen Klimaabkommen verpflichtet sind, berücksichtigt, sollte die Antwort "Nein" sein. Ist es möglich, dass es zu viele EE-Projekte für ein konkretes Netzsystem gibt? Auch diese Frage sollten wir verneinen, zumindest, sofern das Netzsystem ausreichende Kapazität hat. Dies unabhängig davon, dass das Netzsystem sich im Laufe der Zeit zwingend weiterentwickeln sollte, um die Klimaziele zu erreichen.

Was passiert jedoch, wenn innerhalb von wenigen Wochen und Monaten und bezüglich des gleichen Netzzugangspunktes (z. B. ein 400 kV Umspannwerk) mehrere Projektentwickler Netzzugang beantragen? Die logische Antwort wäre, die Kapazität wird in chronologischer Reihenfolge gewährt, sprich, der erste Beantragende erhält Kapazität, dann der zweite und so weiter, der Reihe nach, bis die Kapazität an diesem Punkt erschöpft ist. Die (leider unlogische) Antwort in Spanien ist, dass es keine klare Regelung dieses Prozesses gibt. In anderen Worten, sowohl der Hochspannungsnetzbetreiber (REE) als auch die verschiedenen Stromverteiler verfügen über nicht klar regulierte Befugnisse, die oft unklar bzw. ungerecht ausgeübt werden. Dies obwohl gemäß EU-Recht Netzzugangszuteilung ein diskriminierungsfreier und transparenter Prozess sein sollte.

Dies führt sowohl bei Investoren als auch bei Projektentwicklern nicht nur zu Kopfschmerzen, sondern auch zu einer exponentiell wachsenden Anzahl von s. g. Netzzugangskonflikten vor der Kompetenzüberwachungsbehörde CNMC. Verklagt werden von den Projektentwicklern oft der REE und die verschiedenen Stromverteiler, die das Nieder- und Mittelspannungsnetz in einer Art regionalen Monopolen betreiben, zum Teil aber auch andere Projektentwickler, oft diejenigen, die als IUN benannt wurden. IUN ist eine unterregulierte jedoch in der Praxis sehr einflussreiche Figur, wodurch ein Projektentwickler als Koordinationsagent zwischen REE und anderen Projektentwicklern agiert. Netzzugang ist und bleibt zurzeit, auch in Zeiten direkt nach der Coronavirus-Pandemie, der Hauptengpass der spanischen Energiewende.

Ein Licht am Ende des Tunnels?

Innerhalb der ersten Hälfte des Monats Mai 2020 wurden zwei Regelungsvorschläge mit Einfluss auf den Netzzugang präsentiert: beim ersten handelt es sich um den Entwurf der Energiewende und des Klimawandelgesetzes, der am 19. Mai von der Regierung dem Parlament zugestellt wurde. Die vierte Schlussbestimung dieses Gesetzentwurfes befasst sich explizit mit gewissen Netzzugangsaspekten. Der zweite Vorschlag, mit geringerem Rang aber detailliertem technischen Inhalt, ist das das CNMC-Rundschreiben für Netzzugang und Netzanschluss, das am 6. Mai dem Staatsrat zugesandt wurde. Unabhängig vom Rang der Norm, nur inhaltlich bewertet, wäre das CNMC-Rundschreiben die in diesem Zusammenhang wichtigere Norm, da dieses klare Regeln und technische Kriterien setzt, was endlich Rechtssicherheit in den Bereich des Netzzugangs bringen könnte.

Ob der Staatsrat, ein höchstpolitisiertes Gremium, den Vorschlag des CNMC-Rundschreibens genehmigt oder nicht ist noch offen. Einfluss hierauf hat ggf. auch der bereits seit Jahren existierende Konflikt zwischen dem Energieministerium und der CNMC darüber, wer welche Zuständigkeiten zur Erteilung von Netzzugangsregelungen hat. Nachdem in 2014 die damalige Regierung der CNMC gewisse Kompetenzen abgenommen hatte, musste bereits im Jahr 2016 die Europäische Kommission mehrmals das spanische Energieministerium auffordern, Kompetenzen an die CNMC zurückzugeben, was endlich im Februar 2019, durch die Erteilung des entsprechenden Gesetzes, formalisiert wurde. Diese Kompetenzzugabe wurde von der damals neuen Regierung promoviert. Man könnte also denken, dass der Kompetenzkonflikt mit dem Regierungswechsel zu Ende war. Leider ist das nicht der Fall.

Im Verlauf des Jahres 2019 haben die CNMC und das Energieministeriums zwar versucht, sich auf Kriterien und Regeln bzgl. Netzzugang und Netzanschluss zu eignen, leider sind diese Versuche gescheitert. In diesem Zusammenhang frägt sich man sich also, ob die Tatsache, dass Anfang Juni, knapp einen Monat nach der Zusendung an den Staatsrat des (angeblich mit dem Ministerium nicht abgesprochenen) CNMC-Rundschreibens, die Regierung den Wechsel des Präsidenten sowie von mehreren Vorstandsmitgliedern der CNMC in die Wege geleitet hat, ein Hinweis darauf sein könnte, dass das Ministerium seine Machtposition klarstellen will. Entsprechend würde das Energieministerium darauf bestehen, zunächst ein königliches Dekret zu erlassen, das die Grundregeln des Netzzugangs festlegt. Die CNMC dürfte erst dann ihre technischen Regelungen und auch nur in diesem Rahmen erlassen, was eher auf einen negativen Entscheid des Staatsrats hinweisen könnte. Wir sind also gespannt und warten darauf wie der Staatsrat entscheiden wird. Klar ist, dass ein Entscheid zugunsten des Rundschreibens der CNMC, wie erwähnt, ein wichtiger Schritt zur zeitnahen Konsolidierung der Rechtssicherheit im Bereich des Netzzugangs wäre.


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