Neues WEG und Anwendung auf Altregelungen (Teilungserklärungen)

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In letzter Zeit treten vermehrt Anfragen zur Anwendung von dem neu kodifizierten Wohnungseigentumsgesetz auf die vorhandene Teilungserklärungen (Altvereinbarung) auf. So insbesondere im Bereich von baulichen Veränderungen und dem Abstimmungsprozedere im Bereich der Beschlussfassung. Tatsächlich kam von der jeweiligen Gegenseite so insbesondere auch von Hausverwaltern als auch von Rechtsanwälten die Aussage, es gelte das neue Recht aufgrund der Übergangsvorschrift in § 47 WEG. Diese pauschale Aussage ist selbstverständlich unzutreffend und schlicht falsch.

§ 47 WEG lautet:

“Vereinbarungen, die vor dem 1. Dezember 2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschriften dieses Gesetzes abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden, stehen der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1. Dezember 2020 an geltenden Fassung nicht entgegen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt. Ein solcher Wille ist in der Regel nicht anzunehmen.”

Ein solcher Wille kann sich allerdings aus dem Wortlaut der Teilungserklärung (TE) ergeben, bspw. wenn geregelt ist, dass eine bestimmte Klausel explizit abweichend vom Gesetz gelten soll.

Folge der Negativvermutung im Gesetz ist allerdings, dass derjenige, der sich darauf berufen möchte, dass die alte Regelung in der TE weiter Bestand haben und nicht das (neue) Gesetz anwendbar sein soll, die Beweislast trifft.  

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich dass der § 47 WEG eingeführt worden ist, weil in vielen Teilungserklärungen der bestehende Gesetzestext im Wortlaut wiedergegeben wird, Zitat:

“Eine solche Vorschrift ist notwendig, da viele Gemeinschaftsordnungen den Wortlaut des bei ihrer Errichtung geltenden Gesetzes wiederholen.”

(BT-Drucks. 18791/19, zu § 47 WEG)

Tatsächlich ist dies nicht immer der Fall. Zeigt eine TE Regelungen, die nicht den zum Erstellungszeitpunkt gültigen Gesetzestext wiedergeben, kann schon mit guten Gründen überlegt werden, dass der Regelungsgehalt des § 47 WEG gar nicht eröffnet ist (teleologische Reduktion). 

In der Kommentarliteratur gibt es Stimmen, die diese Voraussetzung gar als negatives Tatbestandsmerkmal sehen. Dort wird im weiteren Verlauf ausgeführt, dass bereits jede vom seinerzeitigen Gesetzestext abweichende Regelung die Vermutung mit sich bringe, dass diese auch bei einer Gesetzesänderung weiterhin gelten solle. 

Dieser Rückschluss allerdings widerspricht den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der eben sagt, dass in der Regel nicht anzunehmen sei, dass die alten Regelungen Bestand haben sollen.

Nach anderen Stimmen in der Literatur wurde in der alten Fassung des WEG der Weg der Unabdingbarkeit gewählt. Das heißt, dass dort explizit die Normen, die nicht geändert werden sollten (bzw. durften) als nicht disponibel ausgewiesen waren, so bei § 12 Abs. 4 S. 2 WEG a.F., § 16 Abs. 5 WEG a.F. und bei § 22 Abs. 2 S. 2 WEG a.F. Mit der Einführung des § 47 WEG verließ der Gesetzgeber den Weg der Unabdingbarkeit in den einzelnen Vorschriften und stelle auf eine generelle Geltung des neuen Rechts ab, sofern sich aus den alten Vereinbarungen kein anderer Wille ergäbe.

Hierbei sei zu fragen, ob die TE ebenfalls auf das nicht disponible Recht abgestellt hat und sagt, dass die abweichenden Regelungen gelten sollen, es sei denn es ist „zwingend“ etwas anderes vorgeschrieben oder es ist ein zusätzliches oder anderes Tatbestandsmerkmal „vorgeschrieben“.

Schließlich gibt es Stimmen, die etwas filigraner vorgehen. Diese schlagen ein mehrstufiges Vorgehen vor.

1. Es ist zu prüfen, ob die Regelung gegenüber der damaligen gesetzlichen Regelung einen milderen oder strengeren Maßstab angesetzt hat. Hier ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Beispielhaft sei hier die Regelung des § 22 Abs. 1 WEG a.F aufgezeigt. Hier musste jeder zustimmen, der über das Maß betroffen war. Bei wesentlichen Veränderungen der Außenanlage, die für jedermann sichtbar sind, waren immer alle Wohnungseigentümer betroffen. Gibt die TE bei solchen Fällen eine geringer Stimmmehrheit vor, wird man hier von einem milderen Maßstab ausgehen können. Genauer zu prüfen sind sicherlich Regelungen bez. des § 22 Abs. 2 WEG a.F., der eine doppelt qualifizierte Mehrheit gefordert hat.

2.    Im zweiten Schritt ist zu prüfen, wie die Gesetzeslage nach dem neuen Recht ist. Hier sieht man am Beispiel des § 22 Abs. 1 WEG a.F., der eben auf die Betroffenen abgestellt hat, dass häufig zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen werden kann, da es immer darauf ankäme, welche Eigentümer über das Maß eines geordneten Zusammenlebens hinaus von der Maßnahme betroffen wären und wie sich dann die Mehrheitsstimmverhältnisse ergeben hätten. Bei der baulichen Veränderung von Außenanlagen ist die evtl. Abweichung meist offensichtlicher.

3.    Bei entgegengesetzten Zielrichtungen soll klar sein, dass ein entgegenstehender Wille vorliegt, weshalb die Altregelung Bestand habe. 

Liegen identische Zielrichtungen vor, sei zu fragen, ob die Vereinbarung über die Neuregelung hinausgeht? Auch in diesem Fall bleibt die Altvereinbarung (TE) bestehen.

Gerade bei baulichen Veränderungen, die in der Vergangenheit an der erforderlichen doppelt qualifizierten Mehrheit gescheitert sind, wird nunmehr versucht über die einfache Mehrheit zum Erfolge zu kommen. Wie oben dargelegt ist dies aber nicht immer „per se“ anzunehmen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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