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Neugierige Vermieter und verschlossene Mieter – Das Besichtigungsrecht im Wohnraummietrecht

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Wenn es um den Wunsch eines Vermieters geht, die Wohnung seines Mieters zu besichtigen, gibt es in der Praxis erstaunlich viele Missverständnisse – jede Partei fühlt sich bei dieser Frage offenbar schnell im Recht. Selbst krasse Fälle – etwa, wenn ein Vermieter ohne Einverständnis seines Mieters Wohnungsschlüssel behält und in dessen Abwesenheit die Wohnung betritt – kommen häufiger vor als man vielleicht ahnt.

Solche extremen Verhaltensweisen sind natürlich nicht rechtmäßig, das ist den meisten klar. Sobald es aber um die Frage geht, ob und zu welchem Anlass, wann und wie häufig ein Vermieter (selbstverständlich immer mit Einverständnis des Mieters) die Wohnung betreten darf, herrscht oft große Unsicherheit. Dieser Überblick soll helfen, auf diese Fragen Antworten zu finden.

Recht auf Privatsphäre vs. Eigentumsrecht

Der Grund, weshalb an diesem Punkt die Interessen von Mietern und Vermietern so stark aufeinanderprallen, ist der emotionale Hintergrund. Auf der einen Seite ist da das Recht des Mieters auf Privatsphäre. Er hat das Besitzrecht, er lebt in der Wohnung und darf sich dort auch „ausleben“. Kein Wunder, dass das Bundesverfassungsgericht in vielen Entscheidungen, die nicht nur das Mietrecht betreffen, die herausgehobene Stellung des Rechts auf Privatheit in der eigenen Wohnung immer wieder betont hat.

In diese Privatsphäre will der Vermieter eindringen, manchmal aus guten Gründen, manchmal ist es nur ein Vorwand und manches Mal auch komplett ohne Grund.

Für einen Vermieter ist das Besichtigungsrecht aber ebenfalls wichtig. Es geht hier schließlich um sein Eigentum, vielleicht die Altersvorsorge. Da will man natürlich wissen, wie es der eigenen Investition geht und ob vielleicht Schäden drohen. Deswegen haben auch Vermieter ein verfassungsrechtlich geschütztes Eigentumsrecht, welches ihnen ein Mindestmaß an Kontrolle und Einwirkungsmöglichkeit auf die Wohnung gewährt.

Zum Zutritt der Wohnung berechtigende Gründe

Unstreitig ist, dass es Gründe gibt, die es einem Vermieter erlauben, die Wohnung zu besichtigen. Dazu gehört als allererstes natürlich die Abwehr drohender Gefahren. Ebenso selbstverständlich ist sein Recht, wenn es um die Begutachtung von Mängeln oder Schäden geht, von denen der Vermieter erfahren hat. Dazu gehört dann auch das Zutrittsrecht, wenn Reparatur- oder Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen oder Verbrauchsmessgeräte abzulesen sind. Auch bei bevorstehender Beendigung des Mietvertrages sind Besichtigungen zulässig – sowohl um die Wohnungsübergabe vorzubereiten als auch um Mietinteressenten die Wohnung zu zeigen.

Aber es gehören auch noch weitere Gründe dazu, die Mieter zu Unrecht zurückweisen. Dazu gehört beispielsweise der Grund,

  • wenn der Vermieter potentiellen Käufern die Wohnung zeigen will,
  • wenn es den begründeten Verdacht eines vertragswidrigen Mieterverhaltens gibt,
  • wenn die Wohnung vor einer Mieterhöhung durch einen Sachverständigen begutachtet werden soll,
  • wenn der Vermieter sein Pfandrecht an Gegenständen des Mieters sichern will.

Besichtigungen ohne konkreten Anlass

Nicht ganz so eindeutig ist die Frage, inwieweit ein Vermieter auch ohne konkreten Anlass die Wohnungen seiner Mieter besichtigen darf. Juristisch liegt das daran, dass manche dieses Recht aus der Grundlage von Mietverträgen, § 535 BGB, herleiten und andere aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB.

Relativ verbreitet ist die Information, dass es ein periodisches Besichtigungsrecht in Abständen von ein bis zwei Jahren gibt, LG Berlin, Urteil vom 24. November 2003 – 67 S 254/03. Das dürfte nach einem Urteil des BGH allerdings in dieser Form nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Nach diesem Urteil sind Routinekontrollen oder anlasslose Besichtigungen unzulässig. Ein Vermieter bedarf immer eines konkreten sachlichen Grundes, BGH, Urteil vom 4. Juni 2014, VIII ZR 289/13.

Als einen möglichen sachlichen Grund hat der Bundesgerichtshof die „ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Mietobjekts“ genannt. Dies, so interpretiert es das Amtsgericht München (Urteil vom 8. Januar 2016, 461 C 19626/15), beinhalte jedenfalls auch alle fünf Jahre eine Wohnungsbesichtigung. Denn würde man eine solche Besichtigung nicht zulassen, bestünde die Gefahr, dass der Vermieter als Eigentümer auf Jahrzehnte von jeder Kontrolle der in seinem Eigentum stehenden Sachen ausgeschlossen sein würde.

Zeitpunkt und Ankündigung der Besichtigung

Wenn nicht gerade Gefahr in Verzug ist (z. B. Wasserrohrbruch, Unwetterschäden etc.) kann ein Vermieter den Zutritt zu den Mieträumen nur zu den ortsüblichen Besuchszeiten verlangen. Die sind normalerweise werktags (auch der Sonnabend gehörte dazu) von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr und von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Im Einzelfall kann es natürlich auch mal früher oder später sein.

Auch bei der Ankündigung kommt es letztlich auf die jeweiligen Umstände an. Bei stark in das Berufsleben eingebundenen Mietern sollte eine Besichtigung besser mindestens vier Werktage vorher angekündigt werden. Ansonsten wird man wohl nur verlangen können, dass ein Vermieter zumindest 24 Stunden vor der Besichtigung Bescheid sagt. Auf Hinderungsgründe muss der Vermieter natürlich grundsätzlich Rücksicht nehmen.

Umfang der Besichtigung

Dauer und Umfang einer Besichtigung richten sich nach ihrem Zweck. Eine Wohnungsbesichtigung wird beispielsweise mit 30 bis 45 Minuten als angemessen angesehen. Sollte es verschiedene Gründe für eine Besichtigung geben, dann sollen diese verschiedenen Zwecke möglichst in einem einzigen Termin gebündelt werden, AG Hamburg, Urteil vom 23. Februar 2006 – 49 C 513/05.

Ebenfalls heikel ist das Fotografieren in der Mietwohnung. Während dies von außen unproblematisch ist, handelt es sich innerhalb der Wohnung immer um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Es muss also gute Gründe dafür geben, wenn der Mieter nicht freiwillig auf dieses Recht verzichtet – beispielsweise, wenn die Aufnahmen zur Beweissicherung notwendig sind. Dabei muss selbstverständlich darauf geachtet werden, dass nur das fotografiert wird, was auch tatsächlich zu dem konkreten Zweck abgelichtet werden muss.

Anwaltstipp

Da es der Vermieter ist, der mit seinem Wunsch auf Besichtigung in die Sphäre des Mieters eindringt, sollte dieser seinen Wunsch möglichst höflich, gut begründet und zurückhaltend äußern. Mehr als einmal habe ich es in meiner anwaltlichen Praxis erlebt, dass Vermieter Besichtigungstermine allzu forsch und kurzfristig ankündigen. Auch keine gute Idee ist es, plötzlich mit einer halben Fußballmannschaft von Angehörigen, Wohnungsinteressenten oder Handwerkern vor der Tür zu stehen – da muss man sich dann auch nicht wundern, wenn Mieter bockig werden.

Es ist deswegen ratsam, den Besichtigungswunsch vorher einmal persönlich anzusprechen, genau darüber zu informieren, warum die Besichtigung durchgeführt werden soll, wer alles dabei sein wird und möglichst mehr als einen Terminvorschlag zu machen.

Allen Mietern ist zu raten, den Wunsch nach Zutritt nicht vorschnell zurückzuweisen. Im Zweifel sollte immer anwaltlicher Rat eingeholt werden. Denn auch wenn der Vermieter sein Besichtigungsrecht gerichtlich durchsetzen kann (was an sich ja schon Ärger und teuer genug ist) – er kann den Mieter aufgrund der unberechtigten Weigerung, eine Besichtigung durchzuführen, auch vor die Tür setzen und die Wohnung kündigen, BGH, Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 281/13.



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