Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen einer GmbH oder Personengesellschaft - Unternehmensnachfolge mit Altersversorgung
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1. Ziele einer Nießbrauchgestaltung
Der Nießbrauch ist ein Recht an einer Sache oder einem Recht, das den Nießbrauchberechtigten (auch: Nießbraucher oder Nießnutzer genannt) berechtigt, die Vorteile (bspw. Erträge) einer Sache oder eines Rechts zu nutzen, während die Vermögenssubstanz beim Nießbrauchverpflichteten verbleibt.
Ein Nießbrauch kann auch an Gesellschaftsanteilen bestellt werden. Zwei Konstellationen sind besonders praxisrelevant:
- Vorbehaltsnießbrauch: Schenkung einer Beteiligung unter Vorbehalt des Nießbrauchs zugunsten des Schenkers im Rahmen einer lebzeitigen Unternehmensnachfolge durch vorweggenommene Erbfolge.
- Zuwendungsnießbrauch: Bestellung eines Nießbrauchs durch Testament oder Erbvertrag, wobei ein Erbe die Beteiligung (z.B. Kind) erhält und ein anderer Erbe oder Vermächtnisnehmer (z.B. Ehegatte) einen Nießbrauch an der Beteiligung bekommt.
Der häufigste Fall ist die lebzeitige Schenkung von Anteilen an künftige Generationen unter Vorbehalt eines Nießbrauchs zugunsten der älteren Generation. Hierdurch erhält die jüngere Generation die Vermögenssubstanz, während sich die ältere Generation die Gewinnrechte und ggf. auch Stimmrechte vorbehalten kann und somit finanziell abgesichert wird und in gewissem Umfang die Kontrolle über das Unternehmen behält. Mit einem Nießbrauch trägt die ältere Generation auch weiterhin die wirtschaftlichen Chancen und Risiken der Beteiligung. Soll das unternehmerische Risiko dagegen ausgeschlossen werden, kann eine feste Leibrente vereinbart werden.
2. Begründung eines Nießbrauchs
Bei Anteilen an Personengesellschaften wird die Anteilsübertragung und die Nießbrauchbestellung in der Praxis durch privatschriftlichem Vertrag zwischen dem Schenker und dem Beschenkten vereinbart. Voraussetzung auch für die Nießbrauchbestellung ist, dass der Gesellschaftsvertrag die Übertragung von Anteilen zulässt. Soweit nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlich, müssen die Gesellschafter der Anteilsübertragung und Nießbrauchbestellung zustimmen.
Im Fall von GmbH-Beteiligungen müssen sowohl die Anteilsabtretung als auch die Vereinbarung eines Nießbrauchs notariell beurkundet werden. Zustimmungspflichten der Gesellschafterversammlung für Anteilsübertragungen im Gesellschaftsvertrag (sog. Vinkulierung) gelten ebenfalls für die Nießbrauchbestellung.
Ob das Nießbrauchrecht im Handelsregister eingetragen werden kann oder sogar muss, ist in der Rechtsprechung und juristischen Literatur lebhaft umstritten.
3. Umfang eines Nießbrauchs
Der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen ist im Gesetz nur rudimentär geregelt, weshalb eine detaillierte vertragliche Regelung dringend zu empfehlen ist.
Zudem sind Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften zu berücksichtigen.
Für sämtliche Rechtsformen gilt, das der Nießbrauch zum Erhalt des entnahmefähigen Gewinns berechtigt. Außerordentliche Erträge stehen dem Gesellschafter zu.
In Personengesellschaften gilt hinsichtlich des Stimmrechts nach herrschender Auffassung der Grundsatz, dass der Nießbraucher für laufende Angelegenheiten zuständig ist, während der Gesellschafter zur Abstimmung über außergewöhnliche Angelegenheiten sowie Grundlagenentscheidungen befugt ist. Im Einzelnen ist vieles umstritten und es empfiehlt sich eine klare vertragliche Aufteilung der Kompetenzen.
Bei einer GmbH stehen die Stimmrechte allein dem Gesellschafter zu und nicht dem Nießbraucher. Der Gesellschafter kann jedoch dem Nießbraucher eine (unwiderrufliche, aber nicht verdrängende) Stimmrechtsvollmacht erteilen. Der Gesellschafter muss die Interessen des Nießbrauchers, insbesondere an den Erträgen, bei der Ausübung der Stimmrechte angemessen berücksichtigen.
Der Nießbrauch erstreckt sich auch auf Surrogate (z.B. infolge Umwandlung der Gesellschaft).
Hinsichtlich des Umfangs des Nießbrauchrechts sind folgende Variationen möglich:
- Ertragsnießbrauch: erstreckt sich nur auf den entnahmefähigen Gewinn.
- Vollrechtnießbrauch: umfasst auch das Stimmrecht.
- Quotennießbrauch: erfasst nur einen quotalen Anteil der Gewinne bzw. Stimmen.
- Bruchteilnießbrauch: erstreckt sich nur auf einen Teil der Beteiligung.
4. Erbschaft- und Schenkungsteuer
Der kapitalisierte Wert des Nießbrauchs wird bei der Bewertung des übertragenen Anteils abgezogen und mindert die Bereicherung des Beschenkten.
Die Inanspruchnahme der Verschonungsabschläge für Betriebsvermögen setzt bei Schenkung von Anteilen an Personengesellschaften voraus, dass der Beschenkte als Mitunternehmer qualifiziert. Hierfür müssen dem Beschenkten insbesondere ausreichend Verwaltungsrechte zustehen, damit er die notwendige Mitunternehmerinitiative entfalten kann.
Ein späterer Verzicht auf das Nießbrauchrecht kann Schenkungsteuer auslösen (Bereicherung = jährliche Dividende * verbleibende Lebenserwartung). Das Erlöschen des Nießbrauchrechts durch Tod des Nießbrauchers löst dagegen regelmäßig keine Erbschaftsteuer aus.
5. Übertragung des belasteten Anteils
Der mit einem Nießbrauch belastete Anteil kann an einen Dritten übertragen oder vererbt werden. Dabei bleibt der Nießbrauch bestehen und der Dritte erwirbt den Anteil belastet mit dem Nießbrauch.
6. Ende des Nießbrauchs
Der Nießbrauch endet:
- mit dem Tod des Nießbrauchers,
- mit einem vereinbarten Ablaufdatum, oder
- durch Vereinbarung eines Verzichts.
7. Pflichtteil
Aus erbrechtlicher Sicht ist zu berücksichtigen, dass durch eine Anteilsschenkung unter Nießbrauchvorbehalt möglicherweise entstehende Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht jährlich abschmelzen, da die 10-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB nach der Rechtsprechung in diesem Fall nicht zu laufen beginnt.
8. Beratung und Begleitung
Wir besitzen breite Erfahrung mit der Übertragung von Anteilen unter Nießbrauchvorbehalt sowie mit der Vererbung von Beteiligungen unter Zuwendung eines Nießbrauchs. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie eine Frage haben oder eine Beratung wünschen.
Mehr Informationen finden Sie auf unserer Website: https://freudenberg-law.com/
Mit besten Grüßen, RA Dr. Rainer Freudenberg, LL.M.
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