OLG Hamm: Elternwille bestimmt auch nach Entzug der elterl. Sorge Religionszugehörigkeit des Kindes

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Sachverhalt: Die Kindsmutter ist Mutter der 2007 geborenen Tochter. Die Kindesmutter stammt aus einem Land Nordafrikas und ist muslimischen Glaubens. Der Vater ist nicht sorgeberechtigt, er ist 1968 in Duisburg geboren und stammt von evangelischen Eltern ab. Direkt nach der Geburt nahm das Jugendamt das Kind in Obhut und verbrachte es in eine Bereitschaftspflegefamilie. Direkt danach entzog das Familiengericht der Kindsmutter Teile der elterlichen Sorge, unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge. Es kam dann zum Sorgerechtsverfahren. Die Kindesmutter hat in mehreren, an das Familiengericht gerichteten Schreiben ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass das Kind nach dem muslimischen Glauben großgezogen werden solle. Auch gegenüber dem Sachverständigen äußerte sie sich so.

Im Jahr 2008 entzog das Familiengericht der Kindesmutter die elterliche Sorge und übertrug diese auf das Jugendamt als Vormund. Seit 2009 lebt das Kind inkognito in einer Dauerpflegefamilie, die ihre eigenen Kinder nach christlichen Wertvorstellungen erzieht und römisch-katholisch taufen ließ. Nach den Vorstellungen der Pflegeeltern und des Vormunds soll die Pflegetochter katholisch getauft werden. Sie soll nämlich nach der Teilnahme am katholischen Religionsunterricht auch die Erstkommunion empfangen. Dies sei Wunsch des Kindes, meinen die Beteiligten. Das Familiengericht hat die vom Vormund getroffene Anordnung, das Pflegekind in der römisch-katholischen Religion zu erziehen, genehmigt.

Gegen diese Entscheidung hat die Kindsmutter Beschwerde eingelegt, die mit einer Taufe der Tochter und ihrer römisch-katholischen Erziehung nicht einverstanden ist.

Die Beschwerde war erfolgreich. Der zweite Senat für Familiensachen des OLG Hamms hat die familiengerichtliche Genehmigung, das Pflegekind nach dem römisch-katholischen Glauben zu erziehen, abgelehnt. Das Jugendamt als Vormund könne die Religionszugehörigkeit des Kindes nicht mehr bestimmen. Das lassen die Vorschriften des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung nicht zu. Die Kindesmutter habe zuvor entschieden, dass ihre Tochter nach dem muslimischen Glauben erzogen werden solle. An diese Bestimmung sei das Jugendamt als Vormund gebunden, weil es sich um die Erstbestimmung handle. Das Gesetz über die religiöse Kindererziehung erlaube es ihnen nicht, diese zu ändern.

Dieses erste Bestimmungsrecht habe die Kindesmutter noch vor dem vollständigen Entzug der elterlichen Sorge ausgeübt. Das ergebe sich aus ihren im Sorgerechtsverfahren dokumentierten schriftlichen und persönlichen Äußerungen.

Zu diesem Zeitpunkt sei die Kindesmutter nämlich noch Inhaberin des zur religiösen Erziehung des Kindes berechtigten Teils der elterlichen Sorge gewesen. Nach dem einschlägigen Gesetz sei insoweit unerheblich, ob diese Entscheidung aus heutiger Sicht dem Kindeswohl entsprechen würde.

Es sei auch vollkommen unerheblich, dass die Kindesmutter zu keiner Zeit in der Lage gewesen sei, mit ihrem Kind ihre Religionszugehörigkeit auszuleben bzw. zu erleben. Die gesetzliche Vorschrift erfordere lediglich ein nach außen dokumentiertes Bekenntnis der Kindesmutter zur Religionszugehörigkeit des Kindes. Und ein derartiges Bekenntnis hat die Kindsmutter nun mal abgegeben. Das kann das Jugendamt nicht ändern.

Kurz und gut: Das OLG Hamm hat entschieden, dass Kindeseltern die Religionszugehörigkeit ihres Kindes bestimmen können und diese Bestimmung auch dann verbindlich bleibt, wenn das Kind nach Entzug der elterlichen Sorge in einer Pflegefamilie aufwächst, die einer anderen Religion angehört und nach dieser lebt. Dies hat das OLG Hamm mit Beschluss vom 29. März 2016 entschieden – es hat damit den Antrag des Vormunds, des Jugendamts also, die römisch-katholische Erziehung des Kindes zu genehmigen, zurückgewiesen. Das Jugendamt sei nicht befugt, die Erstbestimmung der leiblichen Eltern zu ändern, so das OLG Hamm.

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