Online-Casino – Landgericht München I verurteilt NetBet zur Rückzahlung verlorener Spieleinsätze

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In einem hier über die Kanzlei betreuten Klageverfahren vor dem Landgericht München I hat die 40. Kammer des Landgericht am 13.04.2023 den online-Casino-Betreiber NetBet Enterprises Ltd. mangels gültiger deutscher Lizenz für den Spielzeitraum zur Rückzahlung der erlittenen Verluste verurteilt, wobei die Rechtsmittelfrist allerdings noch läuft.

Erneut geht es in einem Fall um die Rückzahlung von erlittenen Spielverlusten bei der Teilnahme an einem online-Casino, welches keine gültige Lizenz für das Territorialgebiet Deutschland zum Zeitpunkt des Spielens besaß. Der Mandant spielte in den Jahren 2012 bis 2019, wobei für die genutzte deutsche web-Seite im gesamten Zeitraum lediglich eine Lizenz aus Malta bestanden hat. Der Teilnahmevertrag war damit im Grundsatz unwirksam, die Zahlungen sind in Höhe der effektiven Verluste an den Mandanten zurückzuzahlen.


In seinem Urteil geht das Landgericht, wie nahezu die gesamte Rechtsprechung zu der Thematik, zunächst davon aus, dass sowohl mit dem Landgericht München I ein deutsches Gericht zuständig ist, als dass auch deutsches Recht zur Anwendung kommt. Das wird immer wieder durch vermeintliche AGB-Klauseln versucht zu relativieren, insbesondere wird versucht, die Verbrauchereigenschaft von Spielern auszuschließen, sobald sie regelmäßig oder mit hohen Einsätzen gespielt haben.

Grundsätzlich mag das ein Argument sein, das auf den ersten Blick charmant erscheint. Allerdings hat bereits der EuGH C-774/19 dazu für die Teilnahme am online-Poker klargestellt, dass ein Spieler nicht allein deshalb seine Verbrauchereigenschaften verlieren, nur weil er „(…) täglich viele Stunden an diesem Spiel teilnimmt und dabei erhebliche Gewinne erzielt.“ Diese Wertung ist ebenso auf sonstige Casino-Spiele übertragbar, sodass auch die 40. Kammer des Landgericht München I sich gar nicht erst groß mit vertiefenden Begründungen an diesem Punkt aufgehalten hat.


Doch auch in der Sache selbst folgt die 40. Kammer der einmal mehr hier mit der Klage vertretenen Auffassung umfassend. Hervorzuheben ist dabei die Frage, ob eine Rückforderung der verlorenen Spieleinsätze nach § 817 S. 2 BGB deshalb ausgeschlossen ist, weil der Mandant möglicherweise durch die Teilnahme an einem verbotenen Glücksspiel seinerseits einen Gesetzes- oder Sittenverstoß begangen hat, er also die rechtliche Situation entsprechend habe erkennen müssen oder aber sich dieser leichtfertig verschlossen habe. Dies ist stets einer der Kernpunkte, um die es in all den Rückforderungsprozessen geht.

Dabei gibt es stets zwei Optionen: entweder der Spieler hatte keine Kenntnis und hat sich dieser auch nicht leichtfertig verschlossen oder aber - und das ist ein weiterer in der Rechtsprechung umstrittener Punkt - es kommt darauf nicht weiter an, denn die Wertung des § 817 S. 2 BGB kommt gar nicht erst zur Anwendung. Dies wird damit begründet, dass anderenfalls der Gesetzeszweck des online Glücksspielverbots ins Leere laufen würde, wenn der Casino-Betreiber die Gelder behalten darf, sogenannte teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB.

Gerade auch am Landgericht München I wird diese Frage nicht immer klar und einheitlich beantwortet. Nicht zuletzt auch auf Grund der Münchener Rechtsprechung hat kürzlich das OLG Braunschweig die Revision zum BGH zugelassen und verweist dabei ausdrücklich auf die konträre Rechtsauffassung des Landgericht München I.

Im vorliegenden Fall schließt sich die 40. Kammer jedoch der Rechtsauffassung an, dass es geboten ist, die Wertungen des § 817 S. 2 BGB außeracht zu lassen, um dem Gesetzeszweck des GlüStV a.F. gerecht zu werden. Dazu führt die Kammer aus:

„Insofern stellt sich schon die Frage, ob der Kläger sich der Einsicht der Illegalität des Spiels nicht vielleicht auch leichtfertig verschlossen hat. Dies kann hier jedoch dahinstehen, da der Grund und der Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion des § 134 BGB in Verbindung mit der Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 GlückStV a.F. hier - ausnahmsweise - gegen eine Kondiktionssperre gemäß § BGB § 817 S. 2 BGB sprechen.“

Dazu führt das Gericht weiter aus, dass es hier in erster Linie der Casino-Betreiber war, der bewusst und gezielt mit Ausgestaltung der web-Seite auf Deutsch Spieler aus Deutschland gewinnen wollte. Dabei gab das Landgericht München NetBet noch eins mit, in dem es rechtdeutlich davon ausging, dass NetBet schon ganz genau wusste, warum der Spielbetrieb von Malta aus organisiert wurde um dadurch „für das deutsche Rechtssystem schwer erreichbar zu sein.“ 

Entsprechend merkt die Kammer an:

„Einem solchen verbotswidrigen Verhalten steuert § 134 BGB entgegen, indem er für entsprechende Vereinbarungen Nichtigkeit anordnet. Das würde aber im Ergebnis konterkariert und die Initiatoren solcher „Spiele” zum Weitermachen geradezu einladen, wenn sie die mit illegalen Methoden erlangten Gelder - ungeachtet der Nichtigkeit der das „Spiel” tragenden Abreden - behalten dürften.“


Ferner geht das Landgericht München I davon aus, dass daneben ein Anspruch auch aus § 823 Abs. 2  BGB besteht. Es sieht in der relevanten Norm § 4 Abs.4 GlüStV a.F. ein sogenanntes Schutzgesetz, gegen das durch das Bereithalten des Spielangebots für deutsche Teilnehmer verstoßen wurde. Dazu führt das Landgericht aus:

„§ 4 Abs. 4 GlüStV a.F. ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Norm Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn die konkrete Norm nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einen einzelnen Personenkreis gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. (….) Ausreichend ist, dass die Norm zumindest auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll. (….) Dies trifft auf § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. zu. Aus § 1 S. 1 GlüStV a.F. ergibt sich, dass der Glücksspielstaatsvertrag unter anderem das Entstehen von Glücksspielsucht verhindern und den Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen lenken soll. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. begrenzt das Angebot von Casinospielen zum Schutz besonders spielgeneigter Spieler auf Spielbanken. Die Norm dient somit auch dem Schutz des Einzelnen.“

Das ist hervorzuheben, denn die Frage, ob im alten § 4 Abs.4 GlüStV ein Schutzgesetz zu sehen ist, dürfte durchaus - auch weiterhin - sehr umstritten sein. Hier geht die 40. Kammer der Landgericht München I einher mit der Rechtsprechung des OLG Köln 19 U 51/22, des LG Hamburg 319 O 27/21, des LG Konstanz D 2 O 287/21 oder aber auch des LG Aachen 8 O 582/20.


Bemerkenswert ist weiter, dass der klagende Mandant seine Einsätze und das entsprechende Spielen in den Jahren 2012 bis 2019 vorgenommen hat. Dabei war zwingend zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Registrierung im Jahr 2012 nicht die NetBet Enterprises Ltd. den relevanten Spiel-Betrieb zu verantworten hatte, sondern eine Vorgängerfirma. Aus dieser wurde erst durch spätere Umfirmierung die zu verklagende NetBet Enterprises Ltd. Das zeigt einmal mehr, dass gerade bei länger zurückliegenden Zeiträumen ganz genau geprüft werden muss, wer zu verklagen ist und warum er zu verklagen ist. Dabei ist die Unterscheidung wesentlich, ob eine vorherige Firma in eine neue Firma umgewandelt wurde, in dieser quasi aufgegangen ist und fortgeführt wird oder aber, ob schlicht eine völlig andere Firma zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Spielbetrieb verantwortet hat, die mit dem aktuellen Betreiber erst einmal nichts zu tun hat. Es liegen durchaus Urteile vor, welche daran scheiterten, dass schlicht der falsche Betreiber in Anspruch genommen wurde.

Daneben zeigt die Begründung des Landgericht München I aber auch, dass es sehr wohl erfolgversprechend sein kann, wenn Spielzeiträume betroffen sind, die weit zurückliegen. Es lohnt sich daher durchaus, bei glücklosem Spiel in der weiteren Vergangenheit zu prüfen, ob, wann und welche Verluste erlitten worden sind. Nehmen Sie also Ihre Ansprüche wahr, bevor irgendwann tatsächlich einmal Verjährung eingetreten ist.


Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich idealerweise über das Kontaktformular oder per Email.


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