Online-Casino – Landgericht Berlin verurteilt BML Group (Betsson) zur Rückzahlung verlorener Spieleinsätze

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In einem hier über die Kanzlei betreuten Sachverhalt hat die 17. Kammer des Landgericht Berlin mit Urteil vom 11.08.2023 den online-Casino-Betreiber BML Group Ltd. zur Rückzahlung verlorener Spieleinsätze verurteilt. Gegenstand war eine Spielteilnahme über das seinerzeitige online-Casino Betsson, welches aktuell mangels Lizenz nicht in Deutschland abrufbar ist.

Das Landgericht Berlin folgt umfassend der zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung zahlreicher Oberlandesgerichte entwickelten bzw. bestätigten Rechtsprechung. Soweit also eine deutsche Glücksspiellizenz fehlte, war das Angebot als illegales Angebot einzustufen, wodurch der Vertrag zwischen Spieler und Anbieter nichtig war. Da der verklagte Anbieter nicht vertiefend nachweisen konnte, dass dem betreuten Mandanten eine umfangreiche Kenntnis des verbotenen online-Glücksspiels nachzuweisen war, er also in voller Kenntnis Zahlungen an das Casino zum Zwecke der Spielteilnahme leistete, waren die erlittenen Verluste zurückzuzahlen.


Interessant wird es, wenn das Landgericht Berlin sich mit den Fragen auseinandersetzt, welche im letzten Jahr der BGH XI ZR 515/21 hat entstehen lassen.

In einem Hinweisbeschluss ging der BGH davon aus, dass jedenfalls eine Zahlungsanweisung über einen Zahlungsdienstleister nicht deshalb nichtig wird, wenn die Zahlung auf ein lizenzloses Glücksspiel ausgerichtet ist. Die Frage also, wie sich die Teilnahme am Spielbetrieb eines in Deutschland lizenzlosen Anbieters auswirkt, stellt sich nur zwischen dem Spieler und dem Spieleanbieter, nicht aber zwischen dem Spieler und dem genutzten Kreditkartenunternehmen. So weit so gut, nur gibt es im Beschluss des BGH einen Satz, auf den sich seither ausnahmslos alle Glücksspielanbieter in Rückforderungsprozessen stürzen. Der BGH teilt in seinen Ausführungen mit

„Die Interessen des Spielers gebieten es in diesem Zusammenhang nicht, ihn durch die Nichtigkeit der von ihm bewirkten Autorisierung vor den wirtschaftlichen Folgen des Glücksspiels zu schützen. Denn ein drohender Vermögensschaden resultiert gerade nicht aus dem Verbot unerlaubten Glücksspiels, (…), sondern aus dem jedem Glücksspiel immanenten Risiko, dass Gewinne oder Verluste ungewiss und rein zufällig sind. Darin liegt das Wesen des Glücksspiels“ 

Aus diesen beiden Sätzen in Verbindung mit dem Ergebnis des BGH, dass eine Nichtigkeit des Spielvertrags jedenfalls bei einer Klage gegen einen Zahlungsdienstleister nicht relevant ist, schließen derzeit sämtliche Glücksspielanbieter, dass auch Klagen gegen sie erfolglos sein müssen. Der Spielvertrag sei gerade nicht unwirksam, der Verlust des Spielers sei im Grunde Wesen des Glücksspiels und keine Folge eines unwirksamen Vertrags.

Das mag auf den ersten Blick stimmig sein, jedoch weisen zahlreiche Land- und Oberlandesgerichte - so auch vorliegend das Landgericht Berlin - darauf hin, dass der BGH nicht die Fallkonstellation „Spieler - Casino“ bewertet hat, sondern die Fallkonstellation „Spieler - Zahlungsdienstleister“. Das ist auch bereits im GlüStV eine vollkommen andere Norm und damit eine vollkommen andere gesetzlich geregelte Situation.


Doch Vorsicht, es gibt durchaus Gerichte, die das anders sehen. So hat im April 2023 ausgerechnet das LG Gießen, welches die gesamte Thematik der Rückforderungsprozesse als erstes Gericht im Jahr 2021 überhaupt erst ins Rollen brachte, eher überraschend sich auf die Seiten der Glücksspielanbieter geschlagen und mit Verweis auf den Beschluss des BGH eine Rückforderung zurückgewiesen. Ferner war das LG Gießen der Auffassung, dass schon die Annahme der Nichtigkeit des Teilnahmevertrags gar nicht notwendig ist, da eben kein Schutz vor den Verlusten Gegenstand des GlüStV a.F. sei und es sowieso andere Maßnahmen geben würde, um das illegale Glücksspiel einzuschränken.

Damit setzt sich nun vorliegend das Landgericht Berlin auseinander. Es lehnt die Auffassung des LG Gießen ausdrücklich ab und verweist nochmals darauf, dass der BGH eine vollkommen andere Fallkonstellation besprochen hat. Folglich geht auch das Landgericht Berlin davon aus, dass der BGH bislang gerade keine Stellungnahme zur Fallkonstellation „Spieler - Casino“ abgegeben hat und auch aus der vorliegenden BGH-Entscheidung zu Zahlungsdienstleistern keine Rückschlüsse zu ziehen sind. Der derzeitigen Mindermeinung des LG Gießen erteilt das Landgericht Berlin eine klare Absage. Es führt ausdrücklich an, dass die Auffassung des LG Gießen derzeit recht allein gegen sämtliche Entscheidungen der Oberlandesgerichte steht. In seinem Urteil weist das Gericht daher auch daraufhin, dass

„…aus dem bereits genannten Urteil des Bundesgerichtshofs (…) sich eine solche Wirkung für die vorliegende Fallkonstellation aus dem Gesagten gerade nicht herleiten (lässt), da eine andere Leistungsbeziehung des Spielers gegenständlich war.“


Auch zur Auffassung des LG Gießen, dass die Annahme der Nichtigkeit eines Teilnahmevertrags sowieso keine geeignete Option sei, um den Spieler vor Verlusten zu schützen nimmt das Landgericht Berlin Stellung. Hierzu führt es aus:

„Soweit das Landgericht Gießen weiterhin bei der Erforderlichkeit einer Rechtsfolge der Nichtigkeit allein auf den Schutz des Spielers abstellt, verkennt es, dass Zweckmäßigkeitserwägungen einer zivilrechtlichen Nichtigkeit nicht auf den Schutz der Spieler beschränkt sind, sondern auch Belange der Allgemeinheit herangezogen werden können.“


Das bedeutet, dass die Frage der Nichtigkeit eines Teilnahmevertrags an einem illegalen Spielcasino nicht beschränkt ist auf die Folge für den jeweils betroffenen Spieler, sondern dass Sinn und Zweck des gesamten GlüStV bei einer Beschränkung illegalen Glücksspiels als solches einzubeziehen sind. Oder aber, wie das Landgericht Berlin weiter ausführt, dass im Falle der Ablehnung der Nichtigkeitsfolge eines Vertrags bei einem lizenzlosen Glücksspielanbieter

„…ein noch größerer Kreis an illegalen Glücksspielanbietern zu befürchten stünde, wenn die Einzahlungen der Spieler trotz eines bestehenden Verbots kondiktionsfest wären.“


Im Weiteren folgt das Landgericht Berlin der bestehenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. Im vorliegenden Sachverhalt kam es zudem nicht weiter darauf an, ob die Rückforderung nun deshalb ausgeschlossen sein könnte, weil der Spieler Kenntnis von der Illegalität hatte oder hätte haben müssen. Das Landgericht Berlin setzt sich umfangreich mit allen Fragen möglicher Kenntnis des Spielers auseinander, wobei es sämtlichen dahingehenden Einwendungen des verklagten Casinos eine Absage erteilt. Daran änderte auch der wie so oft gegebene Verweis auf die AGB des Teilnahmevertrags nichts. Dort hieß es „der Teilnehmer müsse das Recht haben, online zu spielen.“. Allerdings war dem weder eine konkrete Rechtslage zur Illegalität zu entnehmen noch ließ das auf einen Prüfauftrag des Spielers schließen. Damit spielte im Ergebnis die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 817 S. 2 BGB keine Rolle.

Soweit der Rückzahlungsanspruch sich bereits aus § 812 BGB ergeben hat, gab es für das Landgericht Berlin keine weitere Veranlassung, etwaige Fragen des § 823 BGB vertiefend zu prüfen, wie es beispielsweise das LG München getan hat. Am Rückzahlungsanspruch des Klägers änderte sich daher nichts. Das Urteil des Landgericht Berlins ist noch nicht rechtskräftig, soweit die Berufungsfrist noch läuft.


Im Ergebnis zeigt das Verfahren vor dem Landgericht Berlin durchaus, dass nicht zuletzt aufgrund der verklausulierten Aussage des BGH sowie der darauf aufbauenden Mindermeinung einzelner Gerichte wie dem LG Gießen, ein Rückforderungsprozess nicht als Selbstläufer zu bezeichnen ist. Auch wenn das LG Gießen, sowie vereinzelt weitere Gerichte derzeit eher Mindermeinungen vertreten und die Erfolgsaussichten weiterhin gut sind, bleiben genügend Fragen offen, die eben noch nicht seitens des BGH, schon gar nicht seitens der EuGH geklärt sind.


Etwas vertiefend zu Beispielen der OLG-Rechtsprechung siehe OLG Karlsruhe oder auch das OLG Hamm.


update 21.09.2023: Die BML Group als beklagtes Casino hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Verfahren wird nun in der nächsten Instanz am Kammergericht Berlin geführt.


Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich idealerweise über das Kontaktformular oder per Email.


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