Pflichtverteidigung - eher schlecht als Recht?

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Anwalt und Mandant bei einer Besprechung in der Gefängniszelle.

Noch immer ranken sich um die Figur des Pflichtverteidigers hartnäckige Mythen, etwa dass es sich um einen Anwalt im Dienst des Staates handele, der nichts koste und schlechte Arbeit liefere. Direkt vorneweg: Nichts von alledem stimmt, aber wie so oft hat jedes Gerücht auch seinen wahren Kern. Lassen Sie uns einmal einen genaueren Blick auf die einzelnen Punkte werfen:


Pflichtverteidiger - Anwalt im Dienst des Staats?

Nein, der Pflichtverteidiger ist ein „ganz normaler“ Rechtsanwalt, im Idealfall und vom Gesetz angedacht sogar ein Fachanwalt für Strafrecht. Es gibt nicht „den Beruf“ des Pflichtverteidigers, sondern Anwälte werden im Einzelfall zu Pflichtverteidigern für bestimmte Mandate „bestellt“. Richtig ist lediglich, dass dieser Bestellungsakt durch das Gericht erfolgt. Nicht leugnen lässt es sich, dass manche Anwälte für die wesentlich niedrigeren Gebühren, welche die Pflichtverteidigung einbringt, weniger und/oder schneller und damit im Ergebnis schlechter und/oder oberflächlicher arbeiten. Mitunter wird hier „schnelles Geld“ gemacht und in den Verhandlungen wenig Widerstand geleistet, um so in Zukunft wieder bestellt zu werden (sog. „Verurteilungsbegleiter“).

Aber: Sowohl derart arbeitende Anwälte als auch Richter sind eher die Ausnahme als die Regel. Im Übrigen: Auch wenn das Gericht die Bestellung vornimmt, sind immer noch Sie es, der sich den Pflichtverteidiger frei aussuchen darf! Das Gericht wählt nur dann aus, wenn Sie selbst keine Entscheidung treffen. Im Nachgang der Bestellung ist es schwer, den Pflichtverteidiger wieder auszuwechseln. Tuen Sie also sowohl sich, als auch Ihrem Anwalt direkt einen Gefallen und informieren Sie sich im Vorfeld, damit Sie nicht bloß zufällig einen guten Strafverteidiger erwischen, sondern diesen ganz bewusst in Anspruch nehmen.


Pflichtverteidiger – kostenlos?

Grundsätzlich nein. Wie bereits angesprochen sind die Gebühren für Pflichtverteidigungen im Vergleich zu den gängigen Gebühren für das Geleistete zwar gering. Auch macht der Pflichtverteidiger seinen Gebührenanspruch zunächst gegen den Staat geltend. Sie treffen im Ergebnis aber immer noch den Angeklagten, zumindest, wenn dieser verurteilt wird. Dann hat er nämlich die Kosten des Verfahrens zu tragen, welche in aller Regel auch die Kosten der Pflichtverteidigung umfassen. Der Staat streckt also vor, holt sich aber wieder zurück. Im Falle eines Freispruchs bleiben die Kosten aber an der Landeskasse kleben.


Pflichtverteidiger - Anwälte zweiter Klasse?

Nein, auch diese Aussage stimmt nicht (bedingungslos). Durchaus können Sie auf schlechte Anwälte treffen und/oder auf solche, die aufgrund einer eher knappen Vergütung schlechte Arbeit abliefern. Im Regelfall sollen mit Pflichtverteidigungen aber Fachanwälte für Strafrecht beauftragt werden, die durchaus Erfahrung auf ihrem Gebiet haben. Auch gibt es noch genügend engagierte Verteidiger, die ihren Job lieben und Pflichtmandate nicht (ausschließlich) aufgrund eines Blicks ins Portemonnaie übernehmen.

Ehrlicherweise muss aber auch Erwähnung finden, dass Ihr Anwalt - gerade in überaus komplexen und langwierigen Strafverfahren - nicht von der Hand in den Mund leben sollte. Um eine ordentliche und kostendeckende Arbeit des Verteidigers sicherzustellen bzw. diese auch entsprechend zu honorieren, kann und sollte daher eine moderate und freiwillige Vergütungsvereinbarung mit dem Pflichtverteidiger geschlossen werden. Die Vereinbarung darf nach der Rechtsprechung dabei das Doppelte der Pflichtverteidigervergütung umfassen und stellt damit immer noch oftmals eine monetäre Entlastung gegenüber den Wahlverteidigergebühren dar. 


Wann gibt es überhaupt eine Pflichtverteidigung?

Dann, wenn sie notwendig ist. Tatsächlich spricht das Gesetz selbst in § 140 StPO auch von der „notwendigen Verteidigung“ und nicht von der eher umgangssprachlich geläufigen Pflichtverteidigung. Notwendig ist eine Verteidigung unter anderem dann, wenn der Fall besonders komplex bzw. der Vorwurf besonders schwerwiegend ist, oder Sie schlichtweg nicht in der Lage zu einer selbstständigen Verteidigung sind. Dies ist zum Beispiel auch dann der Fall, wenn Sie sich in Haft befinden oder aufgrund von sprachlichen Schwierigkeiten (beispielsweise Analphabetismus) oder Erkrankungen Ihre Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt ist .


Fazit

Wie eingangs erwähnt, sind Anwälte, die Pflichtverteidigungen übernehmen, sicherlich keineswegs per se  schlechter. Mein Ratschlag: Informieren Sie sich im Vorfeld und wählen Sie, wenn die Voraussetzungen vorliegen, rechtzeitig und selbstbestimmt einen Anwalt aus, der im Idealfall ein Fachanwalt für Strafrecht mit entsprechendem Berufsethos ist und verwehren sich im Zweifel  nicht einer moderaten und freiwilligen Vergütungsvereinbarung, um qualitativ hochwertige Arbeit sicherzustellen und zumindest die Kosten Ihres Anwalts zu decken.



AS-Strafverteidigung

Adrian Schmid

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

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+49 (0) 511 51524700

Foto(s): BostonLegal

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