PKV: Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung

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Folge unzureichender Begründung der Beitragserhöhung: Versicherungsnehmer können Prämienerhöhungen zurückfordern

Hat der Versicherer einer privaten Krankenversicherung seine bevorstehende Beitragserhöhung nicht ordnungsgemäß begründet, kann der Versicherungsnehmer für den Zeitraum ab Beginn der Beitragserhöhung bis zur Heilung des Formmangels bzw. zum Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist die zu Unrecht geleisteten Beiträge wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangen. Dies hat das OLG Köln in seinem Urteil vom 28.01.2020 zum Aktenzeichen 9 U 138/19 entschieden und dabei die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Begründung dargelegt. Über die Revision wird nunmehr der Bundesgerichtshof zu entscheiden haben.

Jährliche Beitragserhöhungen zum Teil erheblich

Versicherer informieren ihre Versicherungsnehmer regelmäßig zum Jahresende über bevorstehende und oftmals erhebliche Beitragserhöhungen. Über die Jahre führen diese Prämienanpassungen zu teils massiven Beitragssteigerungen in der privaten Krankenversicherung. Versicherungsnehmer sind häufig darauf angewiesen die finanzielle Mehrbelastung durch Wechsel in einen günstigeren Tarif oder aber durch Anhebung ihrer Selbstbeteiligung zu kompensieren.

Beitragserhöhung und Begründungserfordernis nach § 203 VVG

Versicherer sind nicht berechtigt, die Prämien grundlos anzuheben. Beitragserhöhungen sind vielmehr an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, welche sich rechtlich überprüfen lassen. Nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG ist der Versicherer berechtigt, bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation „maßgeblichen Rechnungsgrundlage“, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen. Darüber hinaus sieht das Gesetz in § 203 Abs. 5 VVG eine Pflicht zur Begründung der Beitragserhöhungen vor.

Begründungsschreiben des Versicherers erfüllte nicht die Mindestanforderungen

Aus Sicht des OLG Köln erfüllten nicht alle der dort streitgegenständlichen Begründungsschreiben den Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe. Zu den Anforderung einer wirksamen Belehrung sowie den hierzu existierenden Meinungsstreit der Instanzgerichte nimmt das Gericht ausführlich Stellung.

Heilung des Formmangels nur für die Zukunft

Fehlt es an einer wirksamen Begründung, kann der Versicherer einen bestehenden Mangel in der Begründung seiner Beitragserhöhung nachholen. Mit dem Zugang einer ordnungsgemäßen Begründung wird der ursprüngliche Formmangel geheilt. Mit dem Zugang der nachgeholten Begründung wird erstmals die Frist des § 205 VVG in Gang gesetzt mit der Folge, dass diese Änderungen erst zu Beginn des zweiten Monats, welcher auf die Mitteilung der Neufestsetzung folgt, wirksam werden. Die Heilung des Formmangels erfolgt also nur für zukünftige Prämien. Eine rückwirkende Heilung ist ausgeschlossen.

Wirksame Erhöhung heilt nicht Formmangel einer früheren unwirksamen Erhöhung

Das OLG Köln stellt auch klar, dass eine Heilung einer formell unwirksamen Erhöhung nicht durch eine dieser unwirksamen Erhöhung nachfolgenden wirksamen Erhöhung geheilt werden kann. Die Begründungen zu Prämienerhöhungen betreffen nicht bereits vorangegangenen Prämienanpassungen. Erforderlich ist vielmehr eine konkrete Begründung zu der angekündigten Prämienerhörung. Fehler aus der Vergangenheit werden insoweit „nicht weitergeführt“.

Keine Heilung durch nachfolgende höhere Prämienanpassung

Weiter hat das OLG Köln ausgeführt, dass der Versicherer eine formell oder materiell unwirksame Prämienerhöhung nicht durch eine zeitlich später vorgenommene (formell und materiell wirksame) Betragserhöhung, die entsprechend höher ausfällt, ausgeglichen werden kann.

Zeitweise Unwirksamkeit führt zu Rückforderungsanspruch

Sind die Voraussetzungen, die an eine wirksame Begründung einer Beitragserhöhung, nicht erfüllt und werden diese erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt, besteht aufgrund der zeitweisen Unwirksamkeit der Prämienerhöhung ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch. Der zu erstattende Betrag ist darüber hinaus zu verzinsen.

Beachtung der dreijährigen Verjährungsfrist

Es greift die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB. Diese mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Rückforderungsanspruch entsteht mit der jeweiligen monatlichen Prämienzahlung. Für den Fristbeginn ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung über die Beitragserhöhung abzustellen, da der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt zumindest theoretisch Kenntnis von der Unwirksamkeit hätte haben können.

Derzeit noch nicht verjährt wären demnach unwirksame Beitragserhöhungen beginnend ab dem 01.01.2017, sofern die Mitteilung über die Beitragserhöhung mindestens zwei Monate zuvor zugegangen ist. Diese verjähren mit Ablauf des 31.12.2020.

Fazit

Versicherungsnehmer können demnach bei einer unzureichenden Begründung der Beitragserhöhungen ggf. für mehrere zurückliegende Jahre ohne Rechtsgrund geleistete Beiträge selbst dann erstattet verlangen, wenn die Prämienerhöhung an sich nicht zu beanstanden wäre, also materiell rechtmäßig ist. Die zu erstattenden Beträge sind darüber hinaus zu verzinsen. Ausreichend ist, dass der Versicherer dem Begründungserfordernis nicht nachgekommen ist. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob sich der Bundesgerichtshof der Einschätzung des OLG Köln zu den inhaltlichen Anforderungen an die Begründung anschließt.

Wichtiger Hinweis für Versicherungsnehmer:

Da die Beitragserhöhungen monatlich anfallen, sollten Versicherungsnehmer mit der Prüfung und Geltendmachung eigener Erstattungsansprüche keinesfalls bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abwarten. Aufgrund der dreijährigen Frist drohen anderenfalls bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche zu verjähren und können dann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden.

Aufgrund meiner Erfahrung und langjährigen Tätigkeit als Fachanwältin für Versicherungsrecht auf Seiten der Versicherungsnehmer stehe ich Ihnen bundesweit für eine fachkundige Überprüfung und Durchsetzung Ihrer Leistungsansprüche gern zur Seite.


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