Praxisreport aus dem Bereich „Prüfung Widerruf Immobiliardarlehen Neufälle“

  • 4 Minuten Lesezeit

Heute stelle ich Ihnen einen Praxisreport aus dem Bereich „Prüfung Widerruf Immobiliardarlehen Neufälle“ zur Verfügung. Ein Mandant bat mich gutachterlich zu prüfen, ob

  1. die 2 Immobiliendarlehen widerruflich sind und somit rückabgewickelt werden können
  2. die 2 Immobiliardarlehen aus anderen Gründen angreifbar sind
  3. der Kreditvermittlungsvertrag anfechtbar ist 

Widerrufsrecht in einem Fall bereits erloschen 

 Der erste Darlehensvertrag wurde geschlossen im Dezember 2018 wohingegen der zweite Darlehensvertrag aus Dezember 2019 herrührt.

 Im Ergebnis habe ich nach eingehender Prüfung festgestellt, dass bezüglich des einen Darlehens das Widerrufsrecht bereits erloschen ist wegen einer Vorschrift aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und hinsichtlich des anderen Darlehens das Widerrufsrecht noch nicht erloschen ist, der Mandant jedoch ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.

 Effektiver Jahreszins des Darlehens  und Kreditvermittlungsprovision objektiv zu hoch aber dennoch keine Auswirkungen

Zudem bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass der effektive Jahreszins  und auch die Kreditvermittlerprovision zwar objektiv zu hoch waren, aber um hier als sittenwidriges Rechtsgeschäft im Sinne des § 138 I BGB zu gelten, müsste zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis bestehen und der Kreditgeber & Kreditvermittler die schwächere Lage des Kreditnehmers bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen haben, dass der Kreditnehmer sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf die drückenden Bedingungen einlässt (BGH 80, 160, 128, 257, st. Rspr). Davon konnte hier jedoch nicht ausgegangen werden, da der Darlehensnehmer freiwillig einen Kreditvermittler aufgesucht hat, um im Rahmen der Ablösung des grundschuldbesicherten Altkredits eine insgesamt geringere Annuitätenlast von einer anderen Bank zu erhalten. Daher bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das Rechtsgeschäft hier nicht nichtig ist wegen Sittenwidrigkeit (§138 I BGB) ist und auch nicht wegen Wuchers nach § 138 II BGB (da jedenfalls der subjektive Tatbestand des § 138 II BGB nicht erfüllt ist).  Um den Wuchertatbestand § 138 II BGB subjektiv auszufüllen, war zu prüfen, ob der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausgenutzt hat. Bei einer freiwilligen Altdarlehens-Ablösung zur Erreichung einer niedrigeren Last an monatlich zu erbringenden Raten für Zins und Tilgung (Annuitäten)  ist der subjektive Tatbestand des § 138 II BGB regelmäßig nicht erfüllt, stellte ich fest.

 Ich möchte zudem kurz aufzeigen, welche Problemkreise ich in die Prüfung einbezogen habe.

 Kreditvermittlungsprovision nur bei günstigeren Neukredit geschuldet

 Handelt es sich – wie im geprüften Fall - um eine Kreditvermittlung zwecks Umschuldung, so muss eine Kreditvermittler-Provision nur dann bezahlt werden, wenn der neue Kredit – wie hier - günstiger ist als der alte. Es mag offensichtlich sein, dass ein Altdarlehen nur abgelöst wird, wenn es sich wirtschaftlich lohnt. Jedoch ist dies in der Praxis nicht immer der Fall (Stichwort: versteckte Kosten).

 Kreditvermittlungsprovision ungültig, wenn absoluter Geldbetrag angegeben

 Der Kreditvermittler muss die Bezahlung in Prozent angeben und diesen Prozentsatz im Vertrag festhalten. Ein absoluter Geldbetrag darf dort nicht genannt werden, anderenfalls ist die Vereinbarung ungültig. Hier wurde ordnungsgemäß der Provisionsprozentsatz angegeben.

 Immobiliardarlehensvertrag und Kreditvermittlungsvertrag kein verbundenes Geschäft

Ich stellte im Gutachten fest, dass selbst im Falle einer Anfechtbarkeit des Kreditvermittlungsvertrages wegen § 138 BGB keine Auswirkungen des sittenwidrigen Kreditvermittlungsvertrages auf den Darlehensvertrag bestünden, da insoweit kein verbundenes Geschäft i.S.d. § 358 BGB vorliegt. Hier diente nämlich nicht das Darlehen der Finanzierung des Kreditvermittlungsvertrages. Selbst wenn dies so wäre, würde dennoch kein verbundenes Geschäft vorliegen, denn jedenfalls liegt keine wirtschaftliche Einheit vor, da der Darlehensnehmer selbst den Kreditvermittler beauftragt hat. Gemäß § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB ist eine wirtschaftliche Einheit insbesondere dann anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. Letztgenannte Voraussetzung lag hier gerade nicht vor, da der Darlehensnehmer den Kreditvermittler selbst beauftragt hat.

Prüfung, ob Gesetzlichkeitsfiktion greift

 Beim Darlehen, bei dem das Widerrufsrecht noch nicht erloschen ist, habe ich festgestellt, dass hier die sog. Gesetzlichkeitsfiktion greift.    

 Divergierende Rechtsprechung zwischen  EuGH und BGH 

 Zudem habe ich die hinsichtlich der Gesetzlichkeitsfiktion der Widerrufsinformation divergierende Rechtsprechung zwischen  dem EuGH (Urteil vom 26.03.2020 -Rechtssache C-66/19) und dem BGH (Beschlüsse XI ZR 581/18, XI ZR 198/19 vom 31.03.2020) beleuchtet und herauskristallisiert, ob diese Divergenz hier relevant ist und falls ja, was dies im konkreten Fall bedeutet.

 Zum Schluss 

Im Ergebnis konnte ich zwar dem Mandanten nicht sein erhofftes Ergebnis präsentieren, jedoch gehört es auch zu einer seriösen Rechtsberatung objektiv die Rechtslage zu prüfen, was hier dazu geführt hat, dass der Mandant auch sinnlose Rechtsverfolgungskosten gespart hat bei einem fiktiven nicht Erfolg versprechenden Aktivprozess gegen die Bank und / oder den Vermittler

 

 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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