Private Unfallversicherung – Manchmal fordert der Versicherer Geld zurück!

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Private Unfallversicherungen bieten Versicherungsschutz bei Unfällen. Für den Fall, dass der Versicherte einen Unfall erleidet und in dessen Folge eine Invalidität des Versicherten zurückgeblieben ist, sehen die Versicherungsverträge regelmäßig eine sogenannte Invaliditätsleistung vor. Unter Invalidität verstehen das Gesetz (§ 180 VVG) wie auch die einschlägigen Versicherungsbedingungen, dass die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung ist dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann.

Die Invaliditätsleistung erfolgt als Einmalzahlung. Grundlagen für die Berechnung der Leistung sind die vereinbarte Versicherungssumme und der unfallbedingte Invaliditätsgrad.

Der Invaliditätsgrad richtet sich nach der in den Versicherungsbedingungen vereinbarten Gliedertaxe, sofern die betroffenen Körperteile oder Sinnesorgane dort genannt sind. Dabei liegt den in der Gliedertaxe genannten Invaliditätsgraden jeweils die Annahme eines vollständigen Verlustes des jeweiligen Körperteils bzw. des vollständigen Verlustes seiner Funktion zugrunde. Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsbeeinträchtigung gilt der entsprechende Teil der genannten Invaliditätsgrade (zum Beispiel ¼ des in der Gliedertaxe genannten Wertes für den vollständigen Funktionsverlust eines Beines). In den in der Gliedertaxe nicht geregelten Fällen richtet sich der Invaliditätsgrad danach, in welchem Umfang die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt ist.

Im Laufe der Zeit können sich die gesundheitlichen Folgen eines Unfalles verschlimmern oder auch verbessern. Im ersten Fall hat der Versicherte ein Interesse daran, dass seine Invalidität neu bemessen wird, weil er dann mit einer höheren Invaliditätsleistung rechnen kann. Im zweiten Fall hat der Versicherer ein Interesse an der Neubemessung, da er bei einer Verbesserung des Gesundheitszustandes womöglich einen Teil des Betrages vom Versicherten zurückverlangen kann, den er wegen der anfänglich (bei der sogenannten Erstbemessung) zu hoch bewerteten Invalidität gezahlt hatte. Ob der Versicherer allerdings tatsächlich Geld vom Versicherten zurückverlangen kann, hängt von bestimmten Voraussetzungen ab. Mit einer entsprechenden Frage hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2018 (I-4 U 67/18) zu befassen. 

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Versicherte beim Fußballspielen einen Unfall erlitten, bei dem er am rechten Knie Verletzungen in Form einer Kreuzbandruptur und einer Außenmeniskusruptur davontrug. Nach einem vom Versicherer eingeholten unfallchirurgischen Gutachten bestand eine voraussichtlich dauernde Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks von 1/4. Aufgrund dessen rechnete der Versicherer die Leistungen auf Basis eines ¼-Beinwertes ab und zahlte eine Invaliditätsleistung in Höhe von 8.750 Euro an den Versicherten aus. Der Versicherte war damit nicht einverstanden, weil er seine Invalidität deutlich höher einschätzte. Er wandte sich gegen die Erstbemessung und verlangte zugleich eine Neubemessung. Während eines ersten Gerichtsverfahrens wurden Gutachten eingeholt, die allerdings einen geringeren Invaliditätsgrad ergaben, als er zunächst im Rahmen der Erstbemessung vom Versicherer festgestellt worden war. 

Der gerichtliche Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Invalidität des Versicherten mit einem Beinwert von lediglich 1/7 zu bemessen sei. Daraufhin unterlag der Versicherte nicht nur in dem Prozess. Vielmehr sah er sich jetzt auch einer Rückforderung des Versicherers in Höhe von zunächst 3.750 Euro ausgesetzt. Mit dem Ergebnis, dass der ohnehin rechtlich komplexe Rechtsstreit noch komplizierter wurde, holte der Versicherer parallel zum Gerichtsverfahren auch ein eigenes Gutachten ein, welches eine voraussichtlich dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beins von lediglich 2/20 ergab. Daraufhin forderte der Versicherer die Rückzahlung eines Betrags in Höhe von 5.250 Euro. Hierüber wurde dann ein zweiter Prozess geführt.

In diesem zweiten Prozess hatte der Versicherte mehr Glück. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf war es unerheblich, dass das (allein) vom Versicherten initiierte Neubemessungsverfahren zu seinen Ungunsten ausgegangen war. Denn die Erstbemessung des Invaliditätsgrades sei für den Versicherer mangels Ausübung seines Rechts zur Neubemessung bindend geworden. Das nachträgliche Neubemessungsverlangen des Versicherten beseitige diese Bindungswirkung nicht. Denn es liege auf der Hand, dass das Neubemessungsverlangen des Versicherten unter der Einschränkung einer Neubemessung zu seinen Gunsten stand. Etwas anderes hätte nur gegolten, wenn der Versicherer selbst (auch) die Neubemessung verlangt hätte. Denn gemäß § 188 Abs. 1 VVG sowie gemäß der einschlägigen Versicherungsbedingungen sind beide Vertragsparteien berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahre nach Eintritt des Unfalles, neu bemessen zu lassen. In der Kinderunfallversicherung kann diese Frist vertraglich verlängert werden. Übt der Versicherer sein Recht zur Neubemessung fristgerecht aus, so kann er gegebenenfalls auch eine Überzahlung zurückverlangen. Übt er sein Recht hingegen nicht aus, so muss er sich an seiner Erstbemessung festhalten lassen, selbst wenn das Neubemessungsverlangen des Versicherten einen niedrigeren Invaliditätsgrad ergibt. Im entschiedenen Fall scheiterte die Rückforderung des Versicherers an einer ungünstigen Formulierung. Der Versicherer hatte sich in der vorgerichtlichen Korrespondenz mit dem Versicherten eine Neubemessung lediglich vorbehalten, diese aber nie konkret verlangt.

Die Frage, wann ein Versicherer eine überzahlte Invaliditätsleistung zurückverlangen kann, wird sowohl in der juristischen Literatur als auch von den Gerichten unterschiedlich beantwortet. Das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens hängt also davon ab, welche Rechtsauffassung das zuständige Gericht vertritt. Es hängt jedoch zu einem wesentlichen Teil auch von der Fachkompetenz des den Versicherten vertretenden Rechtsanwaltes ab. Daher sollte sich dieser unbedingt von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht vertreten lassen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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