Rammstein I Resteficken, Schlampenparade I Till Lindemann gewinnt vor Gericht

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Till Lindemann hat teilweise erfolgreich Unterlassungsansprüche gegen den Spiegel vor dem Landgericht Hamburg durchgesetzt.

Welche Verdächtigungen gegenüber dem Rammstein-Sänger nach Ansicht des Landgericht Hamburg erlaubt und welche verboten sind, erfahrt ihr hier und in meinem Video.

Nachdem Till Lindemann mit seinen Medienanwälten in die Offensive gegangen war, mutmaßten viele auf den zahllosen Social Media Kanälen und in den Medien, dies sei angesichts der zahlreichen Vorwürfe gegen ihn, nicht erfolgversprechend.

Das Vorgehen und die Strategie von Till Lindemanns Rechtsanwälten wurde von anderen Anwälten als ,,aussichtslos" beschrieben.  

Doch der Rammstein-Sänger konnte nun vor dem Landgericht Hamburg zumindest einen Zwischen- und Teilerfolg erzielen. Aber vor Gericht gilt noch immer der Spruch, auf hoher See und vor Gericht ist man oft in Gottes Hand.

Dem Spiegel wurde die Verbreitung mehrerer Passagen und eines zentralen Vorwurfs per einstweiliger Verfügung untersagt (Beschl. v. 14.07.2023, Az. 324 O 228/23). Mit weitergehenden Anträgen scheiterte Till Lindemann jedoch.

Verboten: “Resteficken”, “Schlampenparade”, Bandstreit um Frauen  

Zunächst zu den einfachen und weniger bedeutsamen Punkten: Verboten wurde dem Spiegel, den Verdacht zu verbreiten, dass intern bei Rammstein von "Resteficken" in Bezug auf Frauen gesprochen werde, die nicht zur exklusiven Party mit Till Lindemann eingeladen werden. Auch die Berichterstattung, dass Bandintern von "Schlampenparade" die Rede sei, wenn Frauen von der Aftershow-Party zur exklusiven After-Aftershow-Party gingen, wurde wegen zu dünner Beweislage vom Landgericht Hamburg untersagt.  

Gleiches gilt für die Darstellung eines angeblichen Streit zwischen Till Lindemann und dem Band-Mitglied Richard Kruspe um eine Frau. Auch hier sah das Landgericht Hamburg keine hinreichenden Belege. Weitere Unterlassungsanträge von Till Lindemann zu nebensächlichen Aspekten hatte keinen Erfolg.  


Verboten: Verdacht der Drogenmanipulation zu Sexzwecken 

Das Landgericht Hamburg musste aber vor allem zur Berichterstattung über zentrale Vorwürfe gegenüber Till Lindemann Stellung beziehen.

Zur Erinnerung:
Der Fall Till Lindemann begann mit einem post der Nordirin Shelby Lynn auf Instagram, in dem sie den Verdacht äußerte, von der Crew von Till Lindemann unter Drogen gesetzt worden zu sein. In der Folge wurden weitere Verdächtigungen in diese Richtung von Medien – gestützt auf Darstellungen von verschiedenen Frauen – aufgestellt.  

Berichtet wurde über den Verdacht, dass Till Lindemann mit K.O. Tropfen, Drogen oder Alkohol Frauen betäubt hat oder hat betäuben lassen, um sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen. Das Landgericht Hamburg entschied nun, dass eine entsprechende Verdachtsberichterstattung des Spiegel rechtswidrig sei. 

Es stellt zunächst fest, dass der Spiegel einen solchen Verdacht durch vier Berichterstattungselemente aufgestellt habe. Zunächst durch die einleitende Wiedergabe des Verdachts, Frauen seien Drogen ins Getränk gemischt worden. Danach folgt die Schilderung konkreter Fälle, wonach Frauen Erinnerungslücken beim Sex mit Lindemann beschreiben. Dann kommt das Resümee, wonach das Vorgehen als ausgefeiltes System erscheine.

Schließlich habe der Spiegel noch Bezug auf Lindemanns "Poesie" genommen und diese als "Vergewaltigungsfantasie" bezeichnet.

Insgesamt verstehe der Leser die Berichterstattungselemente so, dass der Sänger selbst oder mit seinem Wissen und Wollen durch "seine Leute" ein System unterhalten haben könnte, Frauen unter Drogen oder Alkohol zu setzen, damit diese mit ihm Sex haben. 


Landgericht Hamburg: Kein Mindestbestand an Beweistatsachen

Eine derartige Verdachtsberichterstattung ist aber nach der Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn gewisse Voraussetzungen eingehalten werden. Schon die erste Voraussetzung sieht das Landgericht Hamburg als nicht erfüllt an, und zwar den sogenannten "Mindestbestand an Beweistatsachen". Danach darf ein Verdacht erst dann öffentlich gemacht werden, wenn hinreichende Belege vorliegen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst Öffentlichkeitswert verleihen. 

Nach Auffassung des Landgericht Hamburg ist das nicht der Fall. Denn die Schilderungen der im Beitrag genannten Frauen allein würden den Verdacht der gezielten Betäubung zu Sexzwecken gar nicht stützen. Zwar hätten diese Frauen teilweise die Vermutung geäußert, unter Drogen gesetzt worden zu sein. Allerdings habe keine im Beitrag oder in einer eidesstattlichen Versicherung behauptet, dass dies von Lindemann "mit der Zielrichtung Sex initiiert worden sei."  

Auch die alleinstehende Zeugenaussage, wonach es das Ziel der Partys sei, Till Lindemann mit Sexpartnerinnen zu versorgen und dass sie dort Drogen und Alkohol bekommen, sei nicht ausreichend.  

Im Ergebnis sieht das Landgericht Hamburg keine hinreichenden Belege für den Verdacht, dass Till Lindemann Betäubungsmittel mit dem Ziel einsetzte oder einsetzen ließ, um Frauen sexuell gefügig zu machen. Entsprechend wurde dem Spiegel die Verbreitung dieses Verdachts durch die Kombination der oben erwähnten Berichterstattungselemente verboten. 


Erlaubt ist aber: Verdacht der sexuellen Handlungen trotz fehlender Willensbildungsfähigkeit  

Nicht verboten wurde dem Spiegel aber die alleinstehende Verbreitung der Aussagen der Frauen. Der Spiegel darf also die Schilderung der Sexerlebnisse mit Lindemann außerhalb eines Verdachts der Drogenmanipulation durch den Sänger oder seine Crew weiterverbreiten.  

Till Lindemann argumentierte erfolglos mit seiner Intimsphäre. Berichte über die Intimsphäre sind in aller Regel immer unzulässig, ohne dass es einer weiteren Abwägung bedarf. Doch obwohl es in den Schilderungen im Spiegel um detaillierte Darstellungen von Sexualverkehr geht, sieht das Landgericht Hamburg die Intimsphäre nicht als verletzt an.

Der Spiegel brachte vor, dass Till Lindemann einmal auf einem Konzert ein Video einblenden ließ, dass ihn beim Sex mit einer Konzertbesucherin zeigt. Dies überzeugte anscheinend das Landgericht Hamburg vom fehlenden Eingriff in die Intimsphäre. Lindemann selbst verspüre anscheinend kein Geheimhaltungsbedürfnis. Da es auch vor dem Landgericht Hamburg um sexuelle Schilderungen von Konzertbesucherinnen ginge, scheide eine Verletzung der Intimsphäre von Till Lindemann aus. 


Berichterstattungsinteresse überwiegt trotz Detailschilderung im Sexualbereich 

Eine Frau wurde im Spiegel mit der Aussage zitiert, aufgewacht zu sein, als Till Lindemann auf ihr lag und sie fragte, ob er weitermachen solle. Nach Auffassung des Landgericht Hamburg greife diese Schilderung zwar erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, allerdings würde hier das Berichterstattungsinteresse gegenüber Till Lindemanns Privatinteressen überwiegen.  

Insoweit handle es sich um eine zulässige Verdachtsberichterstattung.

Allerdings macht das Landgericht Hamburg nicht deutlich, um welchen Verdacht es dabei gehen soll. Wie sich aus dem Beschluss ergibt, meint das Landgericht Hamburg offenbar den Verdacht, dass Till Lindemann sexuellen Kontakt mit Frauen hatte, die unter erheblichem Alkohol- oder Drogeneinfluss gestanden haben und damit nicht mehr ganz zurechnungsfähig gewesen sein könnten.

Das Landgericht Hamburg spricht von Schilderungen, bei denen Frauen nicht mehr "Herrin(en) ihrer Sinne" gewesen sein sollen und bei denen Till Lindemann dennoch sexuelle Handlungen an bzw. mit ihnen vorgenommen haben könnte.  

Insoweit spreche für den Mindestbestand an Beweistatsachen, dass keine bloße Aussage gegen Aussage-Konstellation vorliege, sondern der Spiegel über zwei ähnliche gelagerte Fälle berichte. Es habe unstreitig ein System gegeben, in dem Frauen für Partys und die "Row Zero" ausgewählt wurden, es reichlich Alkohol gab und sexuelle Kontakte von Lindemann mit den Frauen gängig waren.

"Dass eine Band ein solches System unterhält, ist ein Vorgang von hohem öffentlichem Interesse", so das Landgericht Hamburg. Da die Vorwürfe der Frauen sich auf den Sexualkontakt mit eben über dieses System rekrutierten Fans beziehen, überwiege das Berichterstattungsinteresse gegenüber Till Lindemanns Persönlichkeitsrecht.


Die Entscheidung des Landgericht Hamburg ist leider widersprüchlich

Das Landgericht Hamburg hat mit seiner Entscheidung eine Trennlinie gezogen, die nicht nachzuvollziehen ist.

Die Verbreitung des Verdachts in den Medien, Till Lindemann oder seine Crew setze Frauen zielgerichtet unter Drogen oder Alkohol, damit Till Lindemann mit ihnen Sex haben kann, soll demnach unzulässig sein.

Andererseits ist aber die Verbreitung des Verdachts zulässig, dass Lindemann sexuelle Kontakte mit Frauen hatte, die nicht vollständige "Herrinnen ihrer Sinne" waren, also nicht vollständig zurechnungsfähig waren, und Lindemann genau dies wusste.   

Diese Trennlinie die das Landgericht Hamburg hier zieht, kann nicht überzeugen.

Denn der Unterschied zwischen mehrfacher Kenntnis von der möglicherweise eingeschränkten Willensbildung von Frauen ("nicht Herrin der Sinne"), der Gleichgültigkeit oder des gezielten Ausnutzens oder Herstellens dieser Situation, ist nicht nachzuvollziehen...

Zusätzlich bewertet das Landgericht Hamburg die Aussage einer Zeugin, es sei das Ziel der Partys, Till Lindemann mit Sexpartnerinnen zu versorgen, wobei die Frauen unter falschem Vorwand zu den Partys geladen würden und dort Alkohol und Drogen bekämen, nicht als Beleg für Drogenmanipulation zu Sexzwecken ein.

An anderer Stelle bewertet das Landgericht Hamburg aber das System der Rekrutierung von Frauen auf Partys, auf denen es "reichlich Alkohol" gab und Sex mit Lindemann üblich war, sogar als feststehend.

Mehr Widerspruch geht nicht... 


Aber im Grundsatz ist die Entscheidung des Landgerichts Hamburg nachvollziehbar 

Im Ergebnis ist die Bewertung des Landgericht Hamburg gleichwohl nachvollziehbar.

Denn es besteht aus strafrechtlicher Sicht ein erheblicher Unterschied zwischen dem Verdacht des bewussten Einsatzes von Drogen und Alkohol, um Sex zu ermöglichen und dem Verdacht des Sexualverkehrs im Bewusstsein der eingeschränkten Willensbildung der Frau.

Eine Berichterstattung über den Verdacht des Sexualverkehrs trotz eingeschränkter Willensbildungsfreiheit zu verbieten, hieße aber, dass Medien neben der Aufklärung der Umstände, ihrer Warnfunktion für zukünftige Konzertbesucherinnen nicht gerecht werden könnten.
 
Soweit hat das Landgericht Hamburg hier zurecht ein Berichterstattungsinteresse bestätigt.

Warum allerdings sämtliche detaillierte Schilderungen des Sexualvorgangs nötig sein sollten, erschließt sich nicht, da diese nicht alle mit der entscheidenden Frage der Willensbildungsmöglichkeit zusammenhängen.   

Doch die Entscheidung des Landgerichts Hamburg ist ohnehin nur ein Zwischenschritt.

Till Lindemanns Rechtsanwalt hat bereits angekündigt, Rechtsmittel gegen die Entscheidung vor dem Oberlandesgericht Hamburg einzulegen. Auch der Spiegel dürfte Rechtsmittel einlegen.

Dieser ersten presserechtlichen Entscheidung im Fall Till Lindemann dürften noch viele Gerichtsentscheidungen nachfolgen... 


Weitere Infos findet ihr in meinem Video oder unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht


Foto(s): GLÜCK - Kanzlei fpr Strafrecht

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