Rammstein I Till Lindemann I Sexuelle Übergriffe I Jetzt wird es eng I Droht Untersuchungshaft?

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Im Netz finden gerade heftige Diskussionen um den Rammstein-Sänger Till Lindemann statt. Es geht um Vorwürfe wegen angeblicher sexueller Übergriffe.

In der bisherigen Diskussion im Netz zum Fall des Rammstein-Sängers Till Lindemann werden Begriffe aus dem Sexualstrafrecht aber vielfach falsch verwendet.

Etwa wenn von "Missbrauch" die Rede ist. 

Hier erfahrt ihr wie die Rechtslage wirklich ist, welche Strafen Till Lindemann drohen und ordnen das alles richtig ein.

Hier und in meinem Video  erfahrt ihr, wie Strafverfahren wegen Sexualdelikten ablaufen.


Seit Wochen berichten die Medien von Vorwürfen des "sexuellen Missbrauchs", des "sexuellen Übergriffs", des "Machtmissbrauchs" und der "Vergewaltigung" gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann.
 
Till Lindemann streitet die Vorwürfe alle ab. Seine Presseanwälte teilen mit, alle Vorwürfe seien "ausnahmslos unwahr".

Nicht alle Vorwürfe gegen Till Lindemann sind aber strafrechtlicher Natur und, soweit sie das sind, wird vieles wild durcheinandergeworfen.

Wir schauen uns das heute alles mal genau an:

"Sexueller Missbrauch"

Wenn eine erwachsene Konzertbesucherin unter dem Eindruck der Berühmtheit und "Macht" eines Prominenten sich auf sexuelle Handlungen mit ihm einlässt, hat das mit sexuellem Missbrauch strafrechtlich nichts zu tun.

Strafbar ist nur der sexuelle Missbrauch von Machtstrukturen. Missbraucht wird entgegen den falschen Gesetzesüberschriften nicht das Opfer, sondern nur die Beziehung zu ihm.

In Ausnahmefällen, etwa, teils unter weiteren Voraussetzungen, gegenüber Kindern (§§ 176 ff. StGB), Jugendlichen (§ 182 StGB), Schutzbefohlenen (§ 174 StGB), Gefangenen oder Kranken (§ 174a StGB) und Patienten (§ 174c StGB).

"Sexueller Übergriff", "sexuelle Nötigung", "Vergewaltigung"

Betritt man den Bereich außerhalb dieser Ausnahmefälle, wird die Rechtslage immer komplizierter und die Begriffe immer schwammiger. Auch eine Folge der Me too Bewegung.

"Gegen den erkennbaren Willen" (§ 177 Abs. 1 StGB)

Sexuelle Handlungen mit Personen, die nicht durch solche Sondertatbestände geschützt werden sind gemäß § 177 Abs. 1 StGB dann als sexueller Übergriff strafbar, wenn sie gegen deren "erkennbaren Willen" erfolgen.

Erforderlich ist also sowohl, dass die Person einen entgegenstehenden Willen gebildet und erkennbar geäußert hat (objektiver Tatbestand), als auch, dass der Täter zumindest billigend in Kauf genommen hat, gegen diesen entgegenstehenden Willen zu handeln (subjektiver Tatbestand).
 
 Um diese beiden Punkte dreht sich in Strafverfahren regelmäßig auch die Auseinandersetzung:

Wurde der entgegenstehende Wille erkennbar, also verständlich, geäußert? Und hat der Beschuldigte diese Äußerung auch als solche verstanden?

Die Beweislage zu solchen Fragen ist immer ausgesprochen schwer. Oft war niemand sonst dabei. Eine Verurteilung hängt daher oft nur von der Glaubwürdigkeit von Anzeigenerstatterin und Beschuldigten ab. Keine guten Voraussetzungen für ein fehlerfreies Strafurteil.

Regelmäßig kommt es daher zu Fehlurteilen. Unschuldige werden zu jahrelanger Haft verurteilt. Anzeigeerstatter(-innen) und Opfer sind enttäuscht, da der Straftäter freigesprochen wird.


Unfähigkeit zur Willensbildung oder -äußerung (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB)

Wer, etwa mit K.O.-Tropfen, ob vom Täter oder von Dritten, bewusstlos gemacht wurde, kann einen entgegenstehenden Willen schon nicht bilden, jedenfalls aber nicht äußern.

Nutzt jemand diese Lage für sexuelle Handlungen aus, indem er bewusst einkalkuliert, dass dieser Zustand die Handlungen zumindest erleichtert, macht er sich gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar.

Ein Ausnutzen liegt schon dann vor, wenn sich der Täter durch das Ergreifen der Gelegenheit bewusst eine Auseinandersetzung mit einem "stets möglichen" entgegenstehenden Willen des Opfers erspart.

Weil es auf dessen fiktiven (hypothetischen) Willen nicht ankommt, gilt das auch, wenn der Täter sich sicher ist, dass das Opfer, könnte es einen Willen bilden und äußern, mit den sexuellen Handlungen einverstanden wäre.

Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn die betroffene Person bereits vor ihrer Bewusstlosigkeit ein auch diesen Zustand umfassendes Einverständnis geäußert hat-

Darüber hinaus erfüllt das Verabreichen von K.O.-Tropfen zur widerstandslosen Durchführung sexueller Handlungen neben dem Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 und 3 StGB auch die Qualifikationstatbestände des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB (Gewaltanwendung) und des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB (Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs).

Die Mindestfreiheitsstrafe für solche Straftaten liegt demnach bei fünf Jahren! Ganz schön lang.

Einschränkung der Willensbildung oder -äußerung (§ 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB)

Ist die Fähigkeit zur Willensbildung und -äußerung zwar nicht aufgehoben, aber doch erheblich eingeschränkt, etwa bei einer Alkoholleiche, macht sich gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar, wer diesen Zustand ausnutzt, ohne sich der Zustimmung zu versichern.

Diese Zustimmung muss jeweils vorher erklärt werden, jede einzelne Handlung betreffen und kann auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erteilt werden.

Diese Konzession an die "Ja-heißt-Ja"-Debatte an die Autonomie fordert eine objektiv eindeutige Zustimmung, an der kein vernünftiger Zweifel bestehen darf und die während der sexuellen Handlung jederzeit, abermals auch konkludent, aber freilich nicht mit Wirkung für das schon Geschehene, zurückgenommen werden kann.

Wer etwa anlässlich seines nächsten Festivalbesuchs eine besoffene Bekanntschaft "abschleppt", wird auf Grundlage des Vorstehenden zunächst selbst beurteilen müssen, ob die Willensbildungs- und -äußerungsfähigkeit dieser Person (schon) ausgeschlossen oder (noch nur) erheblich eingeschränkt ist und ob im zweitgenannten Fall zumindest konkludent (aber zweifelsfrei!) Konsens geäußert und nicht zumindest konkludent wieder zurückgenommen wurde.

Dass Staatsanwaltschaft und Strafgericht seine Einschätzung der Lage im Fall der Fälle für plausibel halten werden, kann er oder sie dabei nur hoffen.

Für Fehleinschätzungen muss man mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren rechnen, solange die sexuelle Handlung im Bereich des sogenannten Pettings blieb. Noch härter wird es bei Vergewaltigung.


Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB)

Kommt es zum Vaginal-, Oral- oder Analverkehr, erwartet den Täter gemäß § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB i.d.R. eine Freiheitsstrafe von zwei bis 15 Jahren.

Solche "Vergewaltigungen" müssen mit Gewalt nicht das Geringste zu tun haben, während der in § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB geregelte sexuelle Übergriff unter Gewaltanwendung ohne Eindringen in den Körper i.d.R. gerade keine Vergewaltigung darstellt: 

Geschlechtsverkehr gegen den erkennbaren Willen einer Person, aber ohne Gewaltanwendung wie Übersichergehenlassen des Vaginalverkehrs trotz vorangegangenen Hinweises, keine Lust zu haben, um nicht herumdiskutieren zu müssen, stellt nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB grundsätzlich eine Vergewaltigung dar.

Sexuelle Handlungen, die nicht mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, aber unter Gewaltanwendung geschehen wie "Petting" unter Festhalten beider Handgelenke, stellen hingegen keine Vergewaltigung dar.


Bloßes Ausnutzen der Machtposition nicht strafbar

Alles ganz schön kompliziert.

Aber alleine der Umstand, dass erwachsene Frauen in einer von ihnen als Drucksituation empfundenen Lage einem "Star", institutionalisiert und sukzessive-systematisch nähergebracht werden, dessen zuvor nicht offen kommunizierten sexuellen Wünschen sie dann aus den unterschiedlichsten Gründen nicht ablehnen, obwohl sie es uneingeschränkt könnten, ist strafrechtlich von keinem der oben beschriebenen Tatbestände erfasst und damit nicht strafbar.

Solche problematischen Mechanismen aus den Bereichen des Pop-, Rock- und Rap-Musik sind gängig, aber strafrechtlich derzeit nicht relevant. 

Welche Widersprüchlichkeiten und Beweisproblematiken in diesem Strafverfahren bestehen, so wie in den meisten anderen Strafverfahren wegen Sexualdelikten, erzähle ich euch beim nächsten Mal.


Weitere Infos findet ihr in meinem Video oder unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht


Foto(s): GLÜCK _ Kanzlei für Strafrecht

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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