Rechtswidrige Durchsuchung (Anfangsverdacht Geldwäsche und Wohnungsgrundrecht, BVerfG 2020)

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1.

Rechtliche Anforderungen an eine Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen variieren von Fall zu Fall. Der Erlass eines grundsätzlich geforderten Richterbeschlusses muss sich neben den konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen der Straftat (Verdachtsgrad) auch mit der Frage der „Auffindevermutung“ geplanter Durchsuchung befassen.

Unstreitig stellt die Durchsuchung der Räume von Wohnung und/oder Geschäft einen sehr grundrechtsintensiven Eingriff durch den Staat dar. Die Durchsuchung verfolgt daher keinen Selbstzweck und darf nicht etwa zur Erhärtung einer bestehenden Verdachtslage oder zur Erweiterung bisherigen Beweismaterials missbraucht werden darf.

In seiner kriminalistisch darzulegenden Auffindevermutung muss daher (möglichst) konkret benannt werden, welche Beweismittel sich der Kriminalbeamte oder der Staatsanwalt mit der Maßnahme zu finden erhofft und er sodann den Richter zum Erlass des begehrten Beschlusses mittels Dursuchungsantrages bewegt:

Denn nur dann (Gesetzeszitat:) „wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde“ sind die Vorgaben des Gesetzes eingehalten worden, § 102 StPO aE.

Hilfreich ist es also, die jeweilige Straftat näher zu beleuchten und auf einen tätertypisches Erfahrungswissen zurück zu greifen um dann zu prüfen, ob Vor- und oder Nachtatverhalten typisch bei der entsprechenden Tat ist und wo Sachzusammenhang besteht mit den in Rede stehenden Räumlichkeiten eigener (oder § 103 StPO: fremder!) Wohnung und/oder Geschäftsräume.

Bei Straftaten etwa der „krimineller Dienstleistungen“ (Hehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung §§ 257, 258, 259 StGB) auf dem Schwarzmarkt dürfte es naheliegen, dass Diebesgut oder Gut aus sonstigen, vergleichbaren Taten, beim „Umsetzer“ oder beim „Verteiler“ gelagert oder in den Räumen zur Abholung oder zum Ab- oder Weiterverkauf angeboten werden. Dann sinken die Anforderungen an die Auffindevermutung, bzw. ist diese für den Richter einfacher zu bejahen im Beschluss.

Beim Kapitalanlagebetrug dürfte es naheliegen, dass bestehende Lager – oder Geschäftsräume (im Ausland/Steueroasen?) zweckentfremdet, in lokale Handelsregister eingetragen und so als Wirkungsstätte von Handelsgesellschaften und Scheinfirmen genutzt werden. Auch hier sinken die Anforderungen an die Auffindevermutung und wäre der Zusammenhang zwischen Tat und Beweismittel einfacher für den Richter zu bejahen.

Beim Betäubungsmittelhandel dürfte es auch naheliegen, dass ausgelagerte oder verlassene Wohnungen oder Geschäftsräumen zu „Bunkern“ umfunktioniert werden.

2.

Festzuhalten gilt, dass nicht nur Fakten, die unmittelbar mit der Tat im Zusammenhang stehen (das Kokain beim angeschuldigten Betäubungsbesitz) verfahrensrelevant sind, sondern auch schon solche Fakten/ Indizien, die über Randgeschehen Rückschluss geben z. B. über die Lebensweise des Beschuldigten (Sniff-Röhrchen über Eigenkonsum: § 46 StGB – aus Strafzumessungsgesichtspunkten?) oder die nur mittelbar den Tatvorwurf indiziell stützen können (Kolbengefäße bei Herstellung von Betäubungsmitteln, Feindigitalwaage für die Portionierung und Messung beim Handeltreiben mit BtM).

Ebenso gibt es aber Fälle, in denen eine Durchsuchung der Räumlichkeiten oder der Person gerade nicht typischerweise auf die Straftat Rückschluss zulässt und folglich selten ein Sachzusammenhang besteht (Sachbeschädigung, Beleidigung, Hausfriedensbruch)

Eine Auffindevermutung besteht auch dann nicht, wenn der Tatvorwurf ausermittelt wurde und die Tat anklagereif wäre (§ 169 a StPO).

Eine Durchsuchung würde dann gerade keine Kenntnisgewinn erbringen, folglich ermangelt es an der Auffindevermutung und dürfte ein Durchsuchungsbeschluss nicht erlassen werden.

3.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 31.01.2020, Aktenzeichen 2 BvR 2992/14, die rechtlichen Mindestvorgaben an eine Wohnungsdurchsuchung beim Anfangsverdacht der Geldwäsche skizziert und damit zugleich die Anforderungen an die kriminalistische Arbeit des Staates erhöht.

Historie:

Der Kläger erhob Verfassungsbeschwerde und richtete sich gegen die Durchsuchung seiner Wohnung gemäß § 102 StPO. Gegen ihn wurde wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelt, da seine Bank eine auf Grundlage – der sie verpflichtenden EU-Richtlinie zur Bekämpfung organisierte Kriminalität – Verdachtsmeldung an das Bundeskriminalamt machte. Der Verdachtsmeldung lag zugrunde, dass binnen 2 Jahren 58.000 Euro auf sein deutsches Girokonto eingezahlt und 17.000 Euro durch vier Überweisungen auf ein Auslandskonto nach Pakistan transferiert wurden. Daneben erfolgten Barauszahlungen von 35.000 Euro und Abhebungen kleinerer Beträge in Pakistan. Weiter Ermittlungen ergaben keine Erkenntnisse.

Das Amtsgericht ordnete die Durchsuchung an, da es für den Anfangsverdacht der Geldwäsche ausreiche, dass eine auf kriminalistische Erfahrung gestützte Vermutung dafürspricht, es sei jedenfalls eine verfolgbare Straftat begangen worden und die Durchführung werde zum Auffinden der Beweismittel führen.

Diesem richterlichen Beschluss ermangelt es an der Darlegung der Auffindevermutung.

Folgt man diesem ermittlungsrichterlichen Zirkelschluss „Weil Straftat begangen wurde – wird Durchsuchung zu weiteren Quellen führen“ müsste jeder Beschuldigte eine Wohnungsdurchsuchung über sich bzw. über seine Räume ergehen lassen, weil eine Blankobevollmächtigung dazu vorliegt.

Die Vorgaben der „Auffindevermutung“ und der grundrechtlich installierte Richtervorbehalt sind vom Gesetzgeber absichtlich dafür bedacht worden, dass Willkür nicht entstehen kann.

Der vom BVerfG jetzt aufgehobene Beschluss aber würde eine Ausuferung von Wohnungsdurchsuchungen zur Folge haben, eben weil die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen gar nicht überprüft werden.

Fazit:

Das BVerfG stellt daher auch klar, dass der Anfangsverdacht (Zitat): „unter Verkennung der Bedeutung des Wohnungsgrundrechts“ angenommen wurde. Denn zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist der (Anfangs-)Verdacht erforderlich, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Anhaltspunkten beruhen, vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen dafür nicht aus.

Eine detaillierte Prüfung des angenommen Verdachts ist zwar nicht Aufgabe des BVerG sein Eingreifen aber geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§§ 152 II , 160 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte beruhen.

Dies war jedoch vorliegend der Fall, da eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Anfangsverdachts nicht nur für die Geldwäschehandlung, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Katalogvortat i. S. v. § 261 I 2 StGB vorliegt, da auch dies ein wesentliches Merkmal der Strafbarkeit der Geldwäsche ist.

Eine Durchsuchung, die der Ermittlung von Tatsachen dienen soll, die zur Begründung erst erforderlich sind, ist unzulässig (so schon LG Mainz BeckRS 2019, 25962), und zirkelschlussartig gedacht und mit Blick auf Art. 13 GG rechtsmissbräuchlich.

Dies im Strafprozess den Beteiligten klar zu machen und Mehrheiten zu schaffen ist Sache Ihres Rechtsanwalts und Fachanwalts im Strafrecht. 

RA D. Lehnert



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