Rechtswidrige Rückforderung von Corona-Soforthilfen: Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung

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Viele tausende Unternehmen und Selbstständige sind von einer Rückforderung der gewährten Corona-Soforthilfe bereits betroffen und könnte eine solche Rückforderung in Zukunft noch drohen.

In den letzten Monaten haben aber verschiedene Gerichte, darunter das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen und jüngst auch das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg, bedeutende Urteile zur Rückforderung von Corona-Soforthilfen gefällt. Diese Entscheidungen stärken die Positionen von Unternehmen und Selbstständigen, die während der Corona-Pandemie finanzielle Unterstützung erhalten haben und nun mit Rückforderungen konfrontiert werden.

Hintergrund: Corona-Soforthilfen und Rückforderungen

Seit dem Frühjahr 2020 wurden in Deutschland Corona-Soforthilfen gewährt, um kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige in wirtschaftlichen Notlagen zu unterstützen. Diese Hilfen wurden in der Regel als pauschale Beträge, häufig in Höhe von 9.000 bis 15.000 Euro, ausgezahlt. Die Auszahlung dieser Gelder war mit der Erwartung verbunden, dass sie nicht zurückgefordert würden, sofern sie zur Deckung pandemiebedingter Liquiditätsengpässe verwendet wurden. Doch in der Praxis kam es ab 2023 vermehrt zu Rückforderungsbescheiden seitens der Behörden, die nachträglich eine genaue Prüfung der tatsächlichen finanziellen Einbußen verlangten. Mittlerweile soll jeder Fünfte die gewährte Corona-Soforthilfe zurückzahlen.

Die Rechtswidrigkeit der Rückforderungsbescheide

Die Rückforderungsbescheide, die viele Unternehmen und Selbstständige erhalten haben, erweisen sich jedoch in vielen Fällen als rechtswidrig. Die Gerichte haben mehrfach festgestellt, dass die Rückforderungen in vielen Fällen nicht den gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen entsprechen.

OVG Nordrhein-Westfalen: Rechtswidrigkeit der Rückforderungsbescheide

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in einer richtungsweisenden Entscheidung die Rückforderung von Corona-Soforthilfen in mehreren Fällen als rechtswidrig eingestuft. Das OVG betonte, dass die Rückforderungsbescheide nicht mit den Bedingungen der ursprünglichen Bewilligungsbescheide vereinbar waren. Besonders kritisch sah das Gericht, dass die Rückforderungen oft auf maschinell erstellten Bescheiden basierten, ohne dass eine spezifische Rechtsgrundlage für diese automatisierten Rückforderungsverfahren vorlag.

Ein zentrales Argument des Gerichts war, dass die Soforthilfen zur Abmilderung pandemiebedingter Liquiditätsengpässe gewährt wurden. Rückforderungen seien daher nur dann gerechtfertigt, wenn nachgewiesen werden könne, dass die Mittel zweckentfremdet wurden. Die pauschale und automatisierte Rückforderung, ohne eine gründliche Prüfung des tatsächlichen Gebrauchs der Mittel, sei unzulässig. Das Gericht hob hervor, dass die Bestimmungen in den Bewilligungsbescheiden bindend seien und Rückforderungen sich strikt an diesen orientieren müssen.

VG Freiburg: Aufhebung der Rückforderungsbescheide

Auch das Verwaltungsgericht Freiburg hat in sechs Musterverfahren am 11. Juli 2024 Rückforderungsbescheide der Landeskreditbank Baden-Württemberg aufgehoben (Az.: 14 K 1308/24). Diese Urteile, die zwar noch nicht rechtskräftig sind, lassen dennoch auf eine klare Tendenz in der Rechtsprechung schließen. Das Gericht kritisierte die unklaren und uneinheitlichen Formulierungen in den Förderrichtlinien, Verwaltungsvorschriften und den FAQ zur Soforthilfe. Die uneinheitliche Terminologie erschwerte die genaue Bestimmung des Zwecks der Soforthilfe, was in den Augen des Gerichts einen Widerruf der Bewilligungsbescheide unmöglich macht.

Das Gericht stellte fest, dass eine Rückforderung nur dann rechtmäßig sei, wenn eine klare Zweckverfehlung vorliege. Da jedoch der Zweck der Hilfen nicht präzise und einheitlich definiert war, könnten die Rückforderungsbescheide nicht aufrechterhalten werden. Dies sei besonders relevant, da die Widerrufbarkeit eines Bescheids maßgeblich davon abhängt, ob der Empfänger gegen klare und definierte Auflagen verstoßen hat.

Weitere rechtliche Entwicklungen und Ausblick

Die Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen und des VG Freiburg stellt für viele Unternehmen und Selbstständige, die in der Pandemiezeit Soforthilfen erhalten haben, einen wichtigen juristischen Erfolg dar. Die Urteile machen deutlich, dass Rückforderungen nur unter streng definierten Voraussetzungen zulässig sind. Die Frage, unter welchen Umständen Rückforderungsbescheide rechtmäßig sind, bleibt weiterhin von großer Bedeutung. Insbesondere für Unternehmen, die die Soforthilfen rechtmäßig verwendet haben, bieten die aktuellen Entscheidungen eine gute Grundlage, um sich gegen unberechtigte Rückforderungen zu wehren.

Diese Entscheidungen könnten zudem einen Präzedenzfall für ähnliche Verfahren in anderen Bundesländern darstellen, was die Bedeutung dieser Urteile noch weiter unterstreicht. Betroffene sollten daher frühzeitig rechtliche Unterstützung suchen, um ihre Rechte zu wahren und unnötige finanzielle Belastungen zu vermeiden.

Fazit

Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass Rückforderungen von Corona-Soforthilfen nur unter strengen und klar definierten Voraussetzungen rechtmäßig sind. Unternehmen und Selbstständige, die Soforthilfen erhalten haben und nun Rückforderungen gegenüberstehen, sollten ihre Bescheide sorgfältig prüfen lassen und sich gegebenenfalls juristisch zur Wehr setzen. Die Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen und des VG Freiburg geben Anlass zur Hoffnung, dass unberechtigte Rückforderungsansprüche erfolgreich abgewehrt werden können. Für eine weiterführende rechtliche Beratung stehen wir, die activelaw, Ihnen gern zur Seite. Ansprechpartner ist Dr. Jan Rädecke, LL.M., Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Steuerrecht.



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