Richter drängte Kläger durch Drohung zum Vergleich

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In seinem Verfahren 2 AZR 544/08 hatte das Bundesarbeitsgericht am 12.05.2010 über einen denkwürdigen Fall zu entscheiden, in dem der Kläger behauptete, er sei von dem Richter der Vorinstanz durch Drohung zu einem Vergleichsschluss bewegt worden, den er nicht habe schließen wollen.

In der Sache ging es um einen Kündigungsschutzprozess des Klägers. Das Arbeitsgericht hatte die Kündigung der beklagten Arbeitgeberin durch Urteil vom 30.03.2005 für unwirksam erklärt. Auf die Berufung der Beklagten kam es am 16.08.2006 zu einer mündlichen Verhandlung. Zuvor zwischen den Parteien geführte Vergleichsverhandlungen waren erfolglos geblieben – offenbar sehr zum Unmut des Vorsitzenden Richters. Dieser kommentierte den Vortrag des Klägers gleich zu Beginn der Verhandlung mit den Worten: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet.“

In der Folgezeit verhandelten die Parteien dann über die Höhe eines Abfindungsanspruchs des Klägers. Auf dessen Vorschlag eines Betrages in Höhe von 150.000,- € erwiderte der Vorsitzende: „Sie haben keine Chance, höchstens 20 Prozent, Sie müssen das machen“ und weiter: „Sie spielen Vabanque [...] Was Sie machen ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“. Die Situation gipfelte schließlich in Äußerungen des Richters wie „Seien Sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“. Als der schließlich zu verstehen gab, dass er Mittag essen gehen wolle, wurde der Vergleich geschlossen. Als dem Kläger später bewusst wurde, dass er durch die Verhandlungsführung zum Vergleichsschluss bestimmt worden war, widerrief er den Vergleich unter allen erdenklichen Gesichtspunkten.

In seinem Urteil entschied das Bundesarbeitsgericht, dass der Vergleich wegen eines Verstoßes gegen § 123 Abs. 1 BGB unwirksam sei, da sich der Kläger aufgrund der Drohungen des Vorsitzenden in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand befunden habe. Zwar könne die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken regelmäßig nicht als Drohung gewertet werden. Den Äußerungen des Vorsitzenden könne jedoch ein drohendes Element nicht abgesprochen werden. Durch diese Verhandlungsführung habe der Vorsitzende bei dem Kläger den Eindruck erweckt, dieser müsse sich zwingend der Autorität des Gerichts beugen, um nicht Gefahr zu laufen, kein unbefangenes und abgewogenes Urteil zu erlangen, wenn er sich dem Vergleichsschluss weiter widersetze. Der Vergleich sei daher nichtig, so das Gericht.


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