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Rückforderung überzahlter Beamtenbezüge

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Seit einigen Monaten mehren sich in meiner Praxis Fälle, in denen es um die Rückforderung von Beamtenbezügen geht. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass der Dienstherr über einen längeren Zeitraum Bezügebestandteile zu Unrecht gezahlt hat, ohne den Fehler zu bemerken. Die Überzahlung kann unterschiedlichste Ursachen haben: Mal liegt ein schlichter Berechnungsfehler vor, mal verändert sich der dienstrechtliche Status der Beamtin oder des Beamten, ohne dass eine Meldung an die Bezügestelle erfolgt (z.B. wird eine Schichtzulage nicht eingestellt, obwohl der Schichtdienst entfallen ist), oder ein Versorgungsausgleich nach Ehescheidung wird nicht berücksichtigt und die Ruhestandsversorgung wird zu hoch ausgezahlt oder es werden Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung versehentlich nicht angerechnet. 

Je nach Dauer der Überzahlung kann die Rückforderung gewaltige Ausmaße annehmen, im Einzelfall bis zu einer Größenordnung von 50.000,00 EUR oder noch höher. Für die betroffene Beamtin oder den Beamten ist die Konfrontation mit einer solchen Forderung regelmäßig zunächst ein Schock. Zumal, wenn die Überzahlung nicht aufgefallen ist und die monatlichen Beträge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht wurden und keine Reserven vorhanden sind, um die Forderung in einer Summe zu begleichen. Es stellt sich daher die Frage, ob und mit welchen Erfolgsaussichten man sich gegen eine solche Forderung zur Wehr setzen kann. Dabei sind u.a. folgende Punkte zu beachten:

Grundsatz: Erstattungspflicht

Die Besoldungs- und Versorgungsgesetze des Bundes und aller Länder enthalten im Wesentlichen übereinstimmend folgende Regelung: „Wird ein Beamter, Richter oder Soldat durch eine gesetzliche Änderung seiner Bezüge einschließlich der Einreihung seines Amtes in die Besoldungsgruppen der Besoldungsordnungen rückwirkend schlechter gestellt, so sind die Unterschiedsbeträge nicht zu erstatten. Im Übrigen regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.“ (zitiert nach § 12 Absatz 1 und 2 des Bundesbesoldungsgesetzes).

Herausgabepflicht bei ungerechtfertigte Bereicherung

Mit dem o.g. gesetzlichen Verweis auf die Vorschriften des BGB sind die Bestimmungen über die sogenannte ungerechtfertigte Bereicherung in §§ 812 ff. BGB gemeint. Der Kernsatz lautet: „Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet“ (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ausnahme: „Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist“ (§ 818 Abs. 3 BGB).  Im Klartext: Wer zu Unrecht zu viel erhalten hat, muss es zurückgeben, es sei denn, die überzahlte Leistung ist verbraucht (Entreicherung) und die Erstattung damit unmöglich. Zu dieser Entreicherungseinrede gibt es aber wiederum eine Ausnahme: „Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre“ (§ 819 Abs. 1 BGB). In die Sprache des Beamtenrechts übersetzt heißt dies: Nur wenn und solange die Überzahlung für die Beamtin oder den Beamten nicht erkennbar war und er außerdem entreichert ist (d.h. die Überzahlung im Rahmen der normalen Lebensführung, also ohne Luxusaufwendungen, verbraucht hat), ist er zur Erstattung nicht verpflichtet. Wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er zuviel erhält, kann er sich auf Entreicherung nicht berufen.

Kenntnis von der Überzahlung?

Die Frage, ob und ggf. ab wann die Beamtin oder der Beamte Kenntnis von der Überzahlung hatte, führt typischerweise zu bewegten Auseinandersetzungen. Die Betroffenen berufen sich verständlicherweise auf Unkenntnis. Der Dienstherr wird ihnen entgegenhalten, dass sie bei verständiger Betrachtung ihrer Bezügemitteilungen den Fehler hätte erkennen können oder sogar müssen. Niemand nimmt gerne die Schuld auf sich. Oftmals müssen die Gerichte den Fall klären.

Fürsorgepflicht des Dienstherrn und Treuepflicht des Beamten

An dieser Stelle kommen zunächst zwei elementare beamtenrechtliche Grundsätze ins Spiel, die darüber entscheiden, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzurechnen ist: Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn einerseits und die Treuepflicht des Beamten andererseits. Der Dienstherr ist im Rahmen seiner Fürsorgepflicht dafür verantwortlich, dass der Beamte in gesetzliche Höhe besoldet bzw. im Ruhestand versorgt wird und hat die Pflicht, Besoldung und Versorgung korrekt zu berechnen. Der Beamte darf sich auch grundsätzlich darauf verlassen, dass dies geschieht, denn dafür gibt es in den Besoldungsämtern Fachleute. Der Fürsorgepflicht des Dienstherren steht aber die Treuepflicht des Beamten gegenüber, der nicht nur während der aktiven Dienstzeit sondern auch im Ruhestand verpflichtet ist, den Dienstherrn vor Schäden zu bewahren, soweit dies in seiner Macht steht. Ein Beamter ist deshalb grundsätzlich verpflichtet, seine Bezügeabrechnungen zu prüfen und – sofern ihm Unstimmigkeiten auffallen oder Berechnungen unklar sind – die Bezügestelle zu informieren und für Aufklärung zu sorgen. Außerdem muss der Beamte (selbstverständlich) auch zutreffende Angaben über alle Umstände machen, die für die Berechnung der Bezüge bzw. der Versorgung erforderlich sind. Verletzt er diese Pflicht, kann er sich auf Unkenntnis in der Regel nachträglich nicht mehr berufen.

Entreicherung

Der Beamte ist aber auch bei Unkenntnis nur dann vor der Erstattungsforderung geschützt, wenn er entreichert ist. Solange die Überzahlung auf einem Konto unangetastet schlummert, hilft Unkenntnis von der Überzahlung (also Gutgläubigkeit) allein noch nicht weiter. Zum Schutz des gutgläubigen Beamten enthalten die Verwaltungsvorschriften zum Bundesbesoldungsgesetz jedoch eine Bestimmung, dass der Wegfall der Bereicherung unterstellt wird, wenn die im jeweiligen Monat zu viel gezahlten Bezüge einen bestimmten Betrag nicht übersteigen. Die Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz setzt hier 250,00 EUR monatlich brutto an, die Bestimmungen der Länder enthalten z.T. geringere Beträge. Bei höheren Beträgen ist die Beamtin oder der Beamte beweispflichtig dafür, dass Entreicherung vorliegt. D.h. ggf. müssen die regelmäßigen Ausgaben nachvollziehbar und unter Vorlage von Belegen dokumentiert werden.

Verjährung

Wenn die Entreicherungseinrede nicht greift, ist des Weiteren zu prüfen, ob der Rückforderungsanspruch nicht teilweise verjährt ist. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB) in Ausnahmefällen 10 Jahre (§ 199 BGB).

Billigkeitsentscheidung und Verschulden

In jedem Überzahlungsfall geht es, wie bereits angedeutet, immer auch um die Frage, wem die Verantwortung für die Überzahlung ganz oder überwiegend anzulasten ist und wie die Rückforderung – sofern sie denn bestätigt wird – für den Beamten verträglich gestaltet werden kann. Dies ist die sogenannte „Billigkeitsentscheidung,“ die 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG vorschreibt: „Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.“ Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung muss die Behörde auch ihren eigenen Anteil an der Überzahlung und auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten berücksichtigen, damit dieser durch die Erstattungspflicht nicht in eine wirtschaftliche Notlage gerät. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass eine Ermäßigung der Rückforderung um 30 Prozent angemessen ist. Wörtlich „Aus Gründen der Billigkeit ist in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen , wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen ist der Beamte entreichert, kann sich aber (….) auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen. Dann muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung aber in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Der Beamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der Beamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrages im Regelfall als angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen. (BVerwG – Urteil vom 26.04.2012 – 2 C 4.11).

Eine nur untergeordnete Verantwortlichkeit der Behörde liegt dann vor, wenn die Überzahlung durch die Eigentümlichkeiten der Massenverwaltung hervorgerufen wurde. Das OVG Lüneburg hat in einem Beschluss vom 24.07.2013 (5 LB 85/13) Folgendes festgestellt: Richtig ist zwar, dass die Ursache für die Überzahlung entweder in einem Fehler des von der Beklagten verwendeten Computersystems oder aber in einem Eingabefehler liegt. Bei derartigen Fehlern handelt es sich jedoch um im Rahmen der Massenverwaltung auch bei Anwendung größter Sorgfalt nicht gänzlich zu vermeidende Fehler, bei denen ohne ein Hinzutreten verschärfender Umstände - etwa bei einem Unbemerktbleiben des Fehlers auch bei nachfolgenden Kontrollen bzw. Eingaben in das System oder aber über lange Zeit - allenfalls von einem ganz geringfügigen Verschulden auf Seiten der Behörde auszugehen ist.“

Die Billigkeitsentscheidung kann je nach Lage der Dinge unterschiedlich ausfallen: Der Dienstherr kann vollständig oder teilweise von der Rückzahlung absehen, die Forderung stunden oder auch Ratenzahlungen einräumen. Auf jeden Fall ist die Billigkeitsentscheidung notwendiger und untrennbarer Bestandteil der Rückforderungsentscheidung, d.h. ein Rückforderungsbescheid darf nicht ergehen, ohne dass eine Billigkeitsentscheidung getroffen worden ist. Ist die Billigkeitsentscheidung rechtsfehlerhaft, ist die gesamte Rückforderungsentscheidung rechtsfehlerhaft (Bundesverwaltungsgericht - Urteil vom 26.04.2012 – 2 C 4.11).


Zwei ältere Beispiele aus meiner Praxis finden Sie auf meiner Website.

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


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