Rücktritt vor Reisewarnung–müssen Stornokosten gezahlt werden, auch wenn die Reise später absagt wird? Weiteres Urteil

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Corona – Rücktritt vor Geltung der Reisewarnung – müssen deswegen Stornokosten gezahlt werden, auch wenn der Reiseveranstalter die Reise später absagt?

Mit einem am 11. Mai 2021 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht Düsseldorf (50 C 358/20) entschieden, dass der Reiseveranstalter keine Stornokosten erheben kann, auch wenn der Rücktritt bereits vor der Reisewarnung erklärt und dann später die Reise vom Reiseveranstalter selbst abgesagt wird.

Was war geschehen?

Im Februar 2020 schloss der Kläger für sich und eine weitere Person einen Pauschalreisevertrag nach Mallorca für die Zeit vom 23. Juni bis zum 2. Juli 2020.

Am 20. Mai 2020 hat der Kläger den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag erklärt und sich auf die seit Anfang März 2020 geltenden weltweiten Reisebeschränkungen wegen der Covid-19-Pandemie berufen. Im Prozess wies der Kläger auf die am 15. März 2020 veröffentlichte Reisewarnung des Auswärtigen Amtes mit weltweiter Geltung hin. Die Beklagte vertrat die Auffassung, ein kostenfreier Rücktritt sei nicht möglich und verwies auf die in ihren AGB verankerten Stornokostenpauschalen in Höhe von 25 % des vereinbarten Reisepreises.

Ab dem 23. Mai 2020 veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Homepage einen Hinweis, mit dem sie ihre sämtlichen Flugreisen mit Anreise bis zum 25. Juni 2020 absagte. Mit der Klage hat der Kläger die Rückzahlung der von ihm geleisteten Anzahlung, die zahlenmäßig der von der Beklagten abgerechneten Stornokosten entsprach, gefordert.

Im Prozess hat die Beklagte ihre Haltung damit begründet, der Rücktritt sei vom Kläger „verfrüht“ erklärt worden. Es sei zumutbar gewesen, zumindest bis zu einem Zeitpunkt von vier Wochen vor Reisebeginn zuzuwarten, um die weitere Entwicklung abzuwarten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Voraussetzung für eine kostenfreie Stornierung sei, dass die Gefahr einer Infektion am Bestimmungsort während der Reisezeit im Vergleich zur Infektionsgefahr im Heimatland signifikant erhöht sein würde.

Das Urteil des Amtsgerichts  Düsseldorf

Das Amtsgericht ist dem von Advocatur Wiesbaden vertretenen Kläger in seiner Ansicht gefolgt, dass eine Rücktrittsentschädigung von dem Reiseveranstalter aber nicht gefordert werden kann, wenn nach einem Rücktritt vom Pauschalreisevertrag dieser von der Beklagten aufgrund eigener Rücktrittserklärung nicht mehr erfüllt wird. 

Zudem hat das Amtsgericht Düsseldorf die Entscheidung damit begründet, dass im Sommer 2020 pandemiebedingte Einschränkungen zu verzeichnen waren, zumindest durch Einhaltung von Abstandsgeboten und bestimmten Hygienemaßnahmen. Es sei typischerweise Inhalt des Urlaubs, frei mit anderen Gästen in Kontakt treten zu können und nicht andere Menschen meiden zu müssen. Bereits die Notwendigkeit, andere Menschen im Urlaub vorrangig nicht mehr als mögliche Kommunikationspartner anzusehen zu haben, sondern sie auf die Möglichkeit ihrer Infektiosität zu reduzieren zu müssen und daher unter Hintanstellung menschlicher Grundbedürfnisse Kontaktreduzierung zu betreiben, stellt eine erhebliche psychische Beeinträchtigung dar, die die Erholungswirkung eines Urlaubs regelmäßig beeinträchtigen wird. 

Darüber hinaus sehe das Gesetz weder das Zuwarten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder das Treffen einer Prognoseentscheidung, noch das Abwägen mit den Umständen am Wohnort des Reisenden vor.  Die Stornierung des Reisevertrages in einem Zeitraum von vier Wochen oder 20 Tagen vor Reisebeginn, weil dem Reisenden ein Zuwarten bis dahin zumutbar sei, finde im Gesetz keine Stütze. § 651h Abs. 3 BGB enthalte keine Frist, ab der der Reisende erst stornieren darf. Nach der Auffassung des Amtsgerichts Düsseldorf kommt es ausschließlich auf die Umstände im Zeitpunkt der geplanten Durchführung der Reise an. 

Zudem ist der Anspruch des Klägers auch deshalb gegeben, weil die streitbefangene Reise nicht mehr durchgeführt worden ist.

Nach diesen Entscheidungsgründen ist ersichtlich, dass eine Rückforderung von Stornokosten durchaus Aussicht auf Erfolg hat, auch dann, wenn der Reiseveranstalter vorprozessual eine ganz andere Auffassung vertritt.

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Foto(s): Holger Hopperdietzel

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