Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers wegen Bauzeitverzögerung: bauablaufbezogene Darstellung?

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Im Rahmen eines VOB/B-Werkvertrags behauptet der Auftragnehmer (AN) zahlreiche Bauablaufstörungen wie verspätete Planlieferungen, eine nicht ordnungsgemäße Baugrunduntersuchung, erhebliche Mehrmengen an Felsaushub, eine Umstellung der Bewehrungsarbeiten sowie eine Vielzahl angeordneter Nachtragsleistungen und fordert für die dadurch eingetretene Bauverzögerung Schadensersatz.

Seine Klage wird abgewiesen. Das Gericht versagt ihm die Durchsetzung behaupteter Ansprüche unter Hinweis darauf, dass hinsichtlich der verspäteten Planlieferungen die Voraussetzungen aus §§ 2 und 6 VOB/B sowie § 642 BGB nicht vorlägen. Die Rechtsprechung des BGH lasse den schlichten Vortrag von Pflichtverletzungen nicht ausreichen, sondern fordere ohne wenn und aber eine schlüssige Darstellung der Auswirkungen der Behinderungen auf den Bauablauf in Form einer bauablaufbezogenen Darstellung. Diese Anforderungen habe der AN vorliegend nicht erfüllt. Denn die Unterlagen des AN seien für eine Rekonstruktion des konkreten bauablaufbezogenen Ist-Verlaufs unvollständig und unzureichend. Diese Defizite könnten nicht mit Hilfe von § 287 ZPO geschlossen werden, weil sie die Bauablaufbezogenheit und damit den Haftungsgrund beträfen. Grundsätzlich sei der geforderte Sachvortrag für den AN nicht unzumutbar, denn nur er sei zur Darstellung des geplanten sowie des kalkulierten und des tatsächlichen Bauablaufs im Stande. Eben diese Darlegungs- und Beweislastanforderungen gelten für § 642 BGB wie auch für § 6 Nr. 6 VOB/B. Auch die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs wegen zahlreicher Änderungswünsche sei mangels Vorliegen der Voraussetzungen aus §§ 2 und 6 VOB/B sowie § 642 BGB ebenfalls nicht gegeben. Im Übrigen habe sich der AN bei den Sachnachträgen keine bauzeitbedingten Mehrkosten vorbehalten. 

Diese Entscheidung ist im Lichte der geltenden BGH Rechtsprechung zu § 642 BGB kritisch zu betrachten. Die bauablaufbezogenen Darstellung wird in der Praxis nicht selten als lückenlose Rekonstruktion des gesamten Bauablaufs verstanden. Dafür bietet die Rechtsprechung des BGH aber keinerlei Grundlage. Ausreichend sei danach ein schlüssiger Vortrag zu den tatsächlichen Auswirkungen der jeweiligen Behinderungen auf die konkrete Leistungsausführung. Die Entscheidung des OLG München berücksichtigt nicht, dass in erster Linie der planungsverantwortliche Auftraggeber im Stande ist, sich zum Baugeschehen näher zu erklären, weil er den Bauablauf als fortlaufende Planungssache zu dokumentieren hat. Das wäre ein belastbares Argument, die Schlüssigkeitsanforderungen auf der Darlegungsebene umzuverteilen.

(OLG München vom 26.09.2017, 28 U 2834/09, BGH, Beschluss vom 15.01.2020 - VII ZR 249/17, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) 

Dr. Thomas Gutwin

Fachanwalt für Bau- und architektenrecht

Fachanwalt für Miet- und WOhnungseigentumsrecht

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