Scheinselbständigkeit – straf-, sozial-, arbeits- und steuerrechtliche Risiken – Teil 1: Strafrecht

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Die Baubranche boomt und die Auftragsbücher der Bauunternehmer sind voll, auch aufgrund der aktuellen Niedrigzinsphase. Gleichzeitig ist der Konkurrenzdruck groß und viele Unternehmer suchen Möglichkeiten, um Geld einzusparen. Bei Ausschreibungen am Bau muss die Konkurrenz unterboten werden. Auch im Speditionsgewerbe, der Gastronomie, in den Pflegeberufen oder im Schrotthandel finden sich immer wieder Vertragsmodelle, mit dem Ziel einer Selbständigkeit der Auftragnehmer – auch um hierdurch Sozialabgaben vermeiden.

Wer sich jetzt verleiten lässt und Arbeitnehmer, die angestellt gehören, als vermeintliche Selbständige beschäftigt, wählt einen sehr gefährlichen Weg.

Im ersten Teil dieser Beitragsreihe liegt der Schwerpunkt auf den strafrechtlichen Risiken.

Nach § 266a StGB macht sich strafbar (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe), wer als Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig abführt. Im Detail unterscheidet das Gesetz noch zwischen den Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung und den Arbeitgeberbeiträgen.

Wer jetzt argumentiert: „Ich habe doch einen schriftlichen Vertrag mit meinem Auftragnehmer, in dem steht, dass er selbständig ist. Außerdem hat er ein Gewerbe angemeldet.“, der läuft Gefahr von den Ermittlungsbehörden böse überrascht zu werden. In einer Vielzahl von Fällen werden Durchsuchungsbeschlüsse beantragt und zeitnah vollzogen. In den Morgenstunden – aber auch zur besten Geschäftszeit – fällt der Zoll dann in Mannschaftsstärke ein, beschlagnahmt Geschäftsunterlagen, kopiert Festplatten (oder nimmt die PCs mit) und legt dadurch den gesamten Betrieb lahm. Wer Glück hat, der wird nur am Tag der Durchsuchung aufgehalten. In schlimmeren Fällen fehlen wichtige Dokumente und bis zur Herausgabe von Kopien gehen Tage oder Wochen ins Land – natürlich verbunden mit Umsatzeinbußen.

Im Falle einer Durchsuchung ist sofort ein versierter Strafverteidiger zu verständigen. Zögern Sie nicht, RA Hamm anzurufen!

1. Fehlvorstellungen bei der Frage: Arbeitsverhältnis oder selbständige Tätigkeit?

Bei der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist der schriftliche Vertrag nur eines von vielen Kriterien, um die Begriffe voneinander abzugrenzen. Manchmal ist der Vertrag das Papier nicht wert auf dem er steht, wenn es darum geht einem Strafvorwurf vorzubeugen. Unter anderem nachfolgende Fragen sind für eine Abgrenzung entscheidend:

  • Ist der Auftragnehmer an Weisungen des Auftraggebers gebunden?
  • Liegen beim Auftragnehmer eigene Betriebsmittel vor?
  • Tritt der Auftragnehmer selbst werbend am Markt auf?
  • Beschäftigt der Auftragnehmer seinerseits Arbeitnehmer?
  • Wie wird die Angelegenheit steuerlich behandelt?
  • Wie sieht es im Falle eines Regresses aus?
  • Wer muss sich im Falle von Krankheit, Urlaub oder sonstigen Ausfällen um einen Ersatz kümmern?

Sämtliche Kriterien werden dann im Rahmen einer Gesamtabwägung berücksichtigt. Dies kann in jedem Einzelfall unterschiedlich sein. Hier gilt es die für den Mandanten günstigen Kriterien herauszuheben.

Gelangen die Ermittlungsbehörden oder das Gericht zur Auffassung, dass ein Arbeitsverhältnis und keine Selbständigkeit vorliegt, stellt sich die Frage, ob Sozialversicherungsbeiträge rechtzeitig und vollständig abgeführt wurden. Regelmäßig wird natürlich nichts abgeführt, weil man von einer selbständigen Tätigkeit ausgeht. Damit ist der objektive Straftatbestand erfüllt.

Jetzt fehlt für die Strafbarkeit nur noch der subjektive Tatbestand, sprich, der Täter hatte auch die Vorstellung davon, dass er hätte Sozialabgaben abführen müssen. Halt, halt, werden Sie einwenden, das hatte ich nicht. Ich bin von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen. Um diese Klippe zu umschiffen, wird seitens der Ermittlungsbehörden (aber auch von manchen Gerichten) der Eventualvorsatz (auch bedingter Vorsatz genannt) als „Krücke“ herangezogen. Der Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Taterfolg als Folge seines Handelns ernsthaft für möglich hält und ihn zugleich billigend in Kauf nimmt. Zusammengefasst: anhand der Gesamtumstände hätten Sie nicht ernsthaft von etwas anderem als einem Arbeitsverhältnis ausgehen können, mit der Folge, dass Sozialabgaben hätten abgeführt werden müssen. Schon ist auch der subjektive Tatbestand bejaht und die Strafbarkeit komplett.

Die Höhe der Strafe hängt primär von der Höhe des nicht abgeführten Betrages ab. Für dessen Berechnung gelten aber Besonderheiten.

2. Böse Überraschung bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge

Bei der Strafzumessung ist neben dem Zeitraum in dem Beiträge nicht abgeführt wurden, insbesondere die Höhe der nicht abgeführten Beiträge entscheidend.

Jetzt könnte man meinen, dass sich die Sozialversicherungsbeiträge ausgehend von dem an den Auftragnehmer ausbezahlten Betrag berechnen. Weit gefehlt – jetzt wird es teuer!

Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden in diesen Fällen von einer fiktiven Nettolohnabrede auszugehen. Das bedeutet, dass so getan wird, als ob der ausbezahlte Betrag das Arbeitsentgelt ohne die Sozialversicherungsbeiträge ist. Erhält der Auftragnehmer z. B. 1.300,- € im Monat, dann ergibt sich ein hochgerechneter Bruttolohn von ca. 2.500,- €. Dies macht monatlich gute 1.000,- € die zu verbeitragen sind, jährlich also über 12.000,- € (für einen Arbeitnehmer bzw. Scheinselbständigen).

Lief das Ganze über vier Jahre, liegt das Beitragsrisiko bereits bei 48.000,00 €. Und das gilt – wie gesagt – bei nur einem Scheinselbständigen. Bei mehreren ist das Beitragsrisiko mit der Gesamtzahl der weiteren Scheinselbständigen zu multiplizieren. Bei vier Scheinselbständigen liegt das Beitragsrisiko demnach bei 192.000,- €! Weiten wir obiges Beispiel mit vier Auftragnehmern auf acht Jahre aus, dann ist für die Strafzumessung ein Betrag von über 384.000,- € maßgeblich!!!

Dazu kommt, dass die strafrechtliche Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn die Beiträge bezahlt werden.

Es kommt noch schlimmer! In der Entscheidung vom 28.05.2002 hat der Bundesgerichtshof (BGH) strafrechtlich klargestellt, dass es auf die Frage, ob tatsächlich an den Auftragnehmer gezahlt wurde, gar nicht ankommt. Im Zivilrecht hat der BGH dies bereits in der Entscheidung vom 16.05.2000 festgehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsansicht in der Entscheidung vom 11.09.2008 bestätigt. Es reicht also für das Bestehen der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsschuld aus, wenn mit dem Auftragnehmer im Beispiel eine monatliche Zahlung von 1.300,- € vereinbart wurde.

Neben dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, kommen weitere Straftatbestände z. B. nach dem SchwarzArbG oder der Abgabenordung in Betracht.

Daneben gibt es eine Vielzahl von Bußgeldtatbeständen, mit teils drastischen Geldbußen. Im Falle einer Verfehlung eines Leitungsorgans kann auch die Firma mit einem Bußgeld belegt werden. Hiervon wird immer mehr Gebrauch gemacht.

3. Was ist zu tun?

Bevor derartige „ristkante“ Vertragsmodelle gewählt werden, sollte ein Rechtsanwalt zugezogen werden, der in den Bereichen Strafrecht, Sozialrecht und Arbeitsrecht spezialisiert ist. Am besten lassen Sie sich im Vorfeld beraten.

Im Falle einer Durchsuchung sollte unverzüglich ein Strafverteidiger eingeschaltet werden. Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden sind zu vermeiden. Von beschlagnahmten Unterlagen sind ggf. zeitnah Kopien nötig, um den Fortgang des Betriebes zu ermöglichen. Wer selbst mit den Ermittlungsbehörden Kontakt aufnimmt, läuft Gefahr sich zu verplappern. Die Schadensberechnung der Ermittlungsbehörden ist zu überprüfen. Das können Sie selbst kaum vornehmen.

RA Hamm hat sich auf u. a. die Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen spezialisiert. Werden Sie frühzeitig tätig, damit RA Hamm Sie von Anfang an unterstützen und alle Möglichkeiten der Verteidigung für Sie ausschöpfen kann.

Rechtsanwalt Werner Hamm

Fachanwalt für Strafrecht

Bogdahn & Partner mbB Rechtsanwälte



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