Schwere Zwangsprostitution – Wann liegt bei der sog. „Loverboy-Masche“ eine List vor?

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Schwere Zwangsprostitution, § 232a StGB

Der Tatbestand der Zwangsprostitution ist in § 232a StGB normiert und schützt neben der persönlichen Freiheit der Betroffenen auch das Recht auf individuelle sexuelle Selbstbestimmung sowie das Recht auf die körperliche Unversehrtheit einer Person.

Der § 232a Abs. 1 StGB lautet wie folgt:

Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren veranlasst,

1. die Prostitution aufzunehmen oder fortzusetzen oder

2. sexuelle Handlungen, durch die sie ausgebeutet wird, an oder vor dem Täter oder einer dritten Person vorzunehmen oder von dem Täter oder einer dritten Person an sich vornehmen zu lassen.

Wer eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List zu der Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution veranlasst, macht sich gemäß § 232a Abs. 3 StGB wegen schwerer Zwangsprostitution strafbar. Die Freiheitsstrafe beträgt dann nicht unter einem Jahr.

Die sog. „Loverboy-Methode“ 

Eine gängige Vorgehensweise, um Betroffene von Zwangsprostitution zur Prostitution zu bringen, ist die sogenannte „Loverboy-Methode“. Hierbei spricht der Täter das Opfer an und erweckt bei diesem den Eindruck er sei verliebt. Dies geht mit dem Versuch des „Loverboys“ einher, Betroffene emotional von sich abhängig zu machen. Später werden die Betroffenen zur Prostitution verleitet oder gezwungen. Häufig erfolgt dies unter dem Vorwand, das so verdiente Geld diene dazu, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.

Handelt ein Täter bei der „Loverboy-Methode“ mit List i.S.d. § 232a Abs. 3 StGB?

Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 4. August 2020 (3 StR 132/20) beschäftigen.

In dem dem Urteil zugrundeliegenden Fall wandte sich die 18-jährige Betroffene U an den ihr bereits bekannten D. Dem D gelang es, dass sich die Betroffene in ihn verliebte. Im Glauben an die ihr vorgespiegelte partnerschaftliche Liebesbeziehung war sie wiederum bereit, sich zu prostituieren und dem D die gesamten von ihr erzielten Einnahmen zu überlassen. Die bei der Prostitution der betroffenen U entstandenen Einnahmen teilte sich der D mit dem Mitangeklagten A.

Um ihre Bereitschaft zur Prostitution zu verstärken und sie dazu anzuhalten, möglichst viele Kunden zu bedienen, erklärte der A gegenüber der U wahrheitswidrig, der D habe bei ihm Schulden in Höhe von 6.000 €. Daraufhin bemühte sich die U besonders darum, hohe Einnahmen zu erzielen, um die behaupteten Schulden ablösen zu können. Um ihre Bereitschaft, sich zu prostituieren, zusätzlich zu erhöhen, spiegelte der D ihr zudem vor, krank zu sein. Der Mitangeklagte H, welcher die Betroffene U zuvor an A und D vermittelt hatte, bestärkte das Vertrauen der Betroffenen U in die Liebe des D zu ihr, indem er ihr gegenüber wiederholt erklärte, dass der D „sie doch wirklich liebe“.

Der Mitangeklagte H wurde durch das Landgericht daher wegen Beihilfe zur besonders schweren Zwangsprostitution durch List gemäß § 232a Absatz 1 Nr. 1, Absatz 3 StGB, § 27 Absatz 1 StGB verurteilt.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs 

Nach Ansicht des BGH habe das Landgericht jedoch verkannt, dass die Betroffene bezüglich der Prostitutionsausübung lediglich einem Motivirrtum unterlag, und nicht tatsächlich durch List zu dieser veranlasst wurde.

Die List gemäß § 232a Absatz 3 StGB sei restriktiv auszulegen. List ist daher jede Verhaltensweise des Täters, die darauf gerichtet ist, seine Ziele unter geflissentlichem und geschicktem Verbergen der wahren Absichten und Umstände durchzusetzen. Das Hervorrufen eines bloßen Motivirrtums fällt allerdings regelmäßig nicht unter § 232a Absatz 3 StGB. Das bedeutet, dass sich die irreführenden Machenschaften auf die Tatsache der Prostitutionsausübung an sich beziehen müssen, während das lediglich arglistige Schaffen eines Anreizes gegenüber einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder -fortsetzung entscheiden kann, nicht ausreicht.

Erforderlich ist also, dass sich die verschleiernde Tätigkeit im Rahmen der „Loverboy-Methode“ auf die Prostitutionsausübung an sich beziehen muss.

Gemessen daran erfüllen weder das Vorspiegeln einer partnerschaftlichen Beziehung durch den D noch das Vortäuschen von dessen Hilfsbedürftigkeit - Schulden und Krankheit - durch beide Mitangeklagte das Merkmal der List. Denn die Mitangeklagten ließen U von Anfang an nicht im Unklaren darüber, dass sie von ihr die Ausübung der Prostitution erwarteten.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht 

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich wegen schwerer Zwangsprostitution strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


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