Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – außerordentliche Kündigung

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Urteil BAG 2. Senat vom 29.06.2017, Az.: 2 AZR 302/16

Das Bundesarbeitsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsteile eines Arbeitnehmers gegenüber einem anderen Arbeitnehmer einen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen kann.

Was war passiert?

Ein Arbeitnehmer hatte seinen Mitarbeiter schmerzhaft in die Hoden gegriffen und sich anschließend sinngemäß dahingehend geäußert, dieser habe „dicke Eier“.

Das Gericht sah darin eine Tätlichkeit des Arbeitnehmers gegenüber einem anderen Arbeitnehmer. Dieses Verhalten sei „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung zu bilden.

Das Verhalten des Arbeitnehmers stelle eine sexuelle Belästigung dar. Eine sexuelle Belästigung liege vor, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird.

Der Arbeitgeber hatte daraufhin dem übergriffigen Mitarbeiter außerordentlich gekündigt. Das Bundesarbeitsgericht hat diese außerordentliche Kündigung grundsätzlich als angemessen angesehen (an sich geeignet).

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei jedoch zu prüfen, ob der übergriffige Mitarbeiter nicht hätte zuerst abgemahnt werden müssen, da er bereits 23 Jahre Betriebszugehörigkeit aufwies. Er war zuvor auch noch nie wegen anderer Vergehen abgemahnt worden. Da das Bundesarbeitsgericht die vorzunehmende Interessenabwägung nicht selbst durchführen konnte, wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Fazit:

Will der Arbeitgeber wegen eines sexuellen Übergriffs eines Mitarbeiters gegenüber einem anderen Mitarbeiter diesem außerordentlich kündigen, hat er im Vorfeld zu prüfen, ob nicht vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist. Diese Frage unterliegt der Einzelfallentscheidung und hängt letztlich auch davon ab, wie intensiv der Übergriff ist. Anzügliche Bemerkungen werden ein anderes Gewicht haben als tätliche Übergriffe.

Der übergriffige Mitarbeiter sollte jedenfalls vor Ausspruch der Kündigung zu dem Vorwurf angehört werden, um ihm die Möglichkeit zu geben, zum Vorfall Stellung zu nehmen.

Rechtsanwalt Daniel Müller LLM. Eur.


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