Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte – EuGH und BAG stärken die Rechte

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Datenschutzbeauftragte werden durch die deutsche und die europäische Rechtsordnung besonders geschützt. Als bedeutender Teil des Datenschutzkontrollsystems sollen sie sich möglichst unabhängig der Einhaltung und Durchführung der Datenschutzvorschriften widmen. Zu diesem Zweck genießen sie eine Reihe arbeitsrechtlicher Privilegien.


Einleitung:

Als weitestreichendes Privileg genießen Datenschutzbeauftragte einen echten Sonderkündigungsschutz. Dieser wurde durch das Änderungsgesetz vom 14.8.2009 in § 4 f III 5 BDSG aF eingeführt. Hierdurch sollte die Position des Beauftragten für den Datenschutz nochmals gestärkt und an vergleichbare Funktionsträger angepasst werden, für die bereits ein Sonderkündigungsschutz bestand, wie zB für den Gewässerschutz-, Immissionsschutz- oder Abfallbeauftragten. Die DS-GVO enthält keinen Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten. Der Gesetzgeber des BDSG hat den bisherigen Abberufungs- und Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten ausdrücklich als Ergänzung zur DS-GVO beibehalten. Zu dieser spezifisch arbeitsrechtlichen Regelung bedurfte es keiner expliziten Öffnungsklausel. Vielmehr hat die EU auf den jeweils weit gefassten Gebieten der „Arbeitsbedingungen“ und dem „Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags“ nach Art. 153 I Buchst. b, d, II AEUV lediglich die Kompetenz zum Erlass von nicht harmonisierenden Richtlinien, nicht jedoch von Verordnungen.

Seit dem 25.05.2018 müssen Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten bestellen, wenn sich mindestens zehn Personen ständig mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen. Der zu bestellende Datenschutzbeauftragte ist in Fragen des Datenschutzes vom Arbeitgeber weisungsunabhängig und darf weder abberufen noch benachteiligt werden. Er ist dafür zuständig, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen.

Mit Inkrafttreten der europäischen DSGVO wurde das alte Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) durch ein neues Bundesdatenschutzgesetz ersetzt. Die DSGVO enthält selbst keinen besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte. Dieser ergibt sich nunmehr Art. 38 Abs. 2 BDSG i. V. m. Art. 6 Abs. 4 BDSG. Der besondere Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten greift somit ab dem Zeitpunkt seiner Bestellung.

1. Rechtsgrundlagen des Kündigungsschutzes

Die zuvor auf Bundesebene einheitliche Rechtsgrundlage des § 4 f III 5, 6 aF BDSG ist seit dem Inkrafttreten des neu gefassten BDSG am 25.5.2018 gespalten. Eine Kündigung ist nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Für nichtöffentliche Stellen verweist § 38 II BDSG für den Fall eines verpflichtend zu benennenden Datenschutzbeauftragten auf § 6 IV 2, 3 BDSG.

Merke:

Der Sonderkündigungsschutz betrifft somit, genau wie § 4 f III 5 BDSG aF dies noch ausdrücklich normierte, nur die Fälle, in denen der Arbeitgeber zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist. 

Mithin muss, sofern es sich nicht um öffentliche Stellen handelt, entweder der Schwellenwert des § 38 I 1 BDSG überschritten oder § 38 I 2 BDSG erfüllt sein. Für Datenschutzbeauftragte, deren Stelle nicht zur Benennung verpflichtet ist, gilt heute lediglich das allgemeine Abberufungs- und Benachteiligungsverbot des Art. 38 III 2 DSGVO, da § 38 II BDSG für diesen Fall nicht auf § 6 IV BDSG verweist.

Ein umfassender Schutz vor ordentlichen Kündigungen besteht in diesen Fällen nicht. Umso bedeutsamer wird insofern für Datenschutzbeauftragte von freiwillig benennenden Stellen das allgemeine Benachteiligungsverbot nach Art. 38 III 2 DS-GVO bzw. § 6 III 3 BDSG: Erfolgt eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Beauftragten „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ bzw. aus Gründen, die mit der Amtsausübung in untrennbarem Sachzusammenhang stehen, ist sie bereits infolge des Benachteiligungsverbots unwirksam.

Von dem Fall, in dem eine Stelle nicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist, ist die Konstellation zu unterscheiden, in der eine Stelle, die zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet ist, freiwillig zwei oder mehrere Datenschutzbeauftragte benennt. Dies ist grundsätzlich zulässig und im Sinne des Vier-Augen-Prinzips sogar teleologisch wünschenswert. Auch für diese zusätzlich benannten Datenschutzbeauftragten greift der besondere Abberufungs- und Kündigungsschutz des § 6 IV BDSG sowie der Verweis des § 38 II BDSG. Letzterer privilegiert kleinere Stellen, die nicht in den Anwendungsbereich des § 38 I BDSG oder jenen des Art. 37 I Buchst. b, c DSGVO fallen. Dort soll der Arbeitgeber nicht durch den Sonderkündigungsschutz von der freiwilligen Benennung eines Datenschutzbeauftragten abgehalten werden. Entscheidet sich jedoch ein ohnehin zur Benennung verpflichteter Arbeitgeber freiwillig dazu, mehrere Datenschutzbeauftragte zu benennen, wäre es nicht sachgerecht, den Verweis des § 38 II BDSG lediglich auf den zuerst Benannten zu beziehen.

Aus dem Wortlaut des § 6 IV 2, 3 BDSG, der ausdrücklich auf die Kündigung des „Arbeitsverhältnisses“ abstellt, geht hervor, dass der Sonderkündigungsschutz ausschließlich für interne Datenschutzbeauftragte gilt. Externe Datenschutzbeauftragte werden angesichts der erforderlichen Weisungsunabhängigkeit nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags für den Verantwortlichen tätig.

2. Inhalt des Kündigungsschutzes

Greift der Sonderkündigungsschutz des § 6 IV 2 (iVm § 38 II) BDSG, ist eine ordentliche Kündigung des Datenschutzbeauftragten ausgeschlossen. Erfasst werden sämtliche ordentliche Beendigungs- und Änderungskündigungen, nicht jedoch Aufhebungsverträge. Zulässig bleibt allein die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. Als ein solcher kommt jeder Grund aus dem Arbeitsverhältnis in Betracht, der die Kündigung nach § 626 BGB legitimiert. Der wichtige Grund muss nicht aus der Funktion als Datenschutzbeauftragter resultieren.

Umgekehrt legitimiert ein „wichtiger Grund“ iSd § 6 IV 1 (iVm § 38 II) BDSG, der die Abberufung des Datenschutzbeauftragten rechtfertigt, nicht zwangsläufig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Fehlt es nur an der Eignung zur Fortführung des datenschutzrechtlichen Amts, ohne dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen unzumutbar ist, oder sind die gesetzlichen Voraussetzungen zur verpflichtenden Benennung entfallen, kommt nur die isolierte Abberufung, nicht aber die umfassende außerordentliche Beendigungskündigung in Betracht.

Eine analoge Anwendung von § 15 V 2, IV KSchG im Rahmen der Kündigung eines Datenschutzbeauftragten im Fall der Betriebsstilllegung ist abzulehnen.

Insbesondere wird auch eine Kündigung des Datenschutzbeauftragten aus betriebsbedingten Gründen regelmäßig ausgeschlossen sein.

Der datenschutzrechtliche Sonderkündigungsschutz ist insoweit abschließend.

Der Sonderkündigungsschutz tritt ab dem Zeitpunkt der wirksamen Benennung ein. Er greift auch bereits in der Probezeit. Andernfalls wäre während der Probezeit die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten nicht gewährleistet und hätte ein Unternehmer die Möglichkeit, nur Arbeitnehmer als Datenschutzbeauftragte einzusetzen, die sich noch in der Probezeit befinden. Als weiteres Instrument der Unabhängigkeitssicherung schreibt § 6 IV 3 (iVm § 38 II) BDSG den Sonderkündigungsschutz für die Dauer eines Jahres nach Abberufung fort. Dieser nachwirkende Schutz wurde zeitgleich mit dem Sonderkündigungsschutz im damaligen § 4 f III 6 aF BDSG eingeführt. Auch dies erfolgte in Anlehnung an die Vorschriften bei vergleichbaren Funktionsträgern. Der Abberufung im Sinne des nachwirkenden Schutzes steht jede andere Beendigung der Benennung gleich, etwa auch die freiwillige Amtsniederlegung. Entsprechendes gilt – wie das BAG zur früheren Rechtslage jüngst entschieden hat – auch für den Verlust des Sonderkündigungsschutzes durch bloßes Unterschreiten des Schwellenwerts.

3. EuGH stärkt Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten

Der EuGH stärkt in seinem Urteil vom 22. Juni 2022, Az. C – 534/20 die Stellung des internen Datenschutzbeauftragten. Durch den als europarechtskonform beurteilten Sonderkündigungsschutz wird die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten, der als Arbeitnehmer in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu dem Arbeitgeber steht, gefördert.

4. Aktuelle Entscheidung BAG Urteil vom 25. August 2022 – 2 AZR 225/20

Die normative Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes von betrieblichen Datenschutzbeauftragten verstößt nicht gegen die Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG. Es handelt sich nach BAG um eine geeignete, erforderliche wie auch angemessene Einschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitgebers, die im Wesentlichen dem Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte (§ 15 Abs. 1 KSchG) oder Immissionsschutzbeauftragte (§ 58 Abs. 2 BImSchG) entspricht.

Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers erheblich. Denn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitgeber genommen, selbst wenn der Kündigungssachverhalt nichts mit der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zu tun hat.

5. Fazit:

Wird ein interner Mitarbeiter Datenschutzbeauftragter und ist der Arbeitgeber zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet, dann greift der Sonderkündigungsschutz anders als der allgemeine Kündigungsschutz auch schon vor Ablauf der Wartezeit (§ 1 KSchG) und in kleinen Betrieben (§ 23 KSchG) unabhängig von der Betriebsgröße. Selbst nach der Abberufung des Datenschutzbeauftragten steht diesem ein nachwirkender Kündigungsschutz zu (§ 6 Abs. 4 S. 3 BDSG).


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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