Sozialversicherungspflicht bzw. -freiheit einer Physiotherapeutin bei einem vorliegenden Vertrag über freie Mitarbeit

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Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.03.2020 (L 1 BA 14/18)

Sachverhalt:

In einer Praxis für Physiotherapie gibt es neben einzelnen angestellten Mitarbeitenden auch Verträge mit Physiotherapeuten in freier Mitarbeit. Diese Verträge weisen neben der begrifflichen Festlegung, dass es sich um freie Mitarbeiter handelt, häufig auch inhaltliche Festlegungen auf. Hier enthielt die Vereinbarung etwa die Regelung, dass die freie Mitarbeiterin ihre Arbeitszeit, ihre Pausen und ihren Urlaub selbst bestimme. Es erfolge lediglich eine Abstimmung mit dem Praxisinhaber im Rahmen der gesonderten Patientenbestellung und der sich darauf ergebenden Belegung von Behandlungsplätzen. Auch anfallende Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Leistungen nach Mutterschutzgesetz oder bei Krankheit werden vom Praxisinhaber nicht gezahlt. Für den Fall einer entsprechenden Inanspruchnahme durch Dritte stellt die freie Mitarbeiterin den Praxisinhaber von eventuellen Ansprüchen frei. Auch solle die freie Mitarbeiterin nicht weisungsgebunden sein. Behandlungszeiten richten sich allein nach den von den Krankenkassen vorgegebenen Mindestzeiten.

Der Praxisinhaber gestattet der freien Mitarbeiterin die Nutzung der Behandlungsräume und ihrer Einrichtungen. Das Auftreten gegenüber den Patienten erfolgt im eigenen Namen der freien Mitarbeiterin. Lediglich die Rechnungsstellung erfolgt über das Abrechnungssystem des Praxisinhabers. Der Preis für erbrachte Arbeiten erfolgt auf der Grundlage der jeweils gültigen Gebührenordnungen der Krankenkassenverbände bzw. des im Einzelfall mit dem Patienten vereinbarten Privathonorars. Als Vergütung erhält der Praxisinhaber 30 % des erbrachten Abrechnungsbetrages der von der freien Mitarbeiterin innerhalb eines Abrechnungszeitraums erbrachten Behandlungsleistung.

Letztlich sollen im Verhinderungsfall die Behandlungen nach Möglichkeit abgesagt oder verschoben werden. Nur in Ausnahmefällen und mit Genehmigung der freien Mitarbeiterin werden diese von anderen in der Praxis tätigen Personen wahrgenommen. Anderseits könne die freie Mitarbeiterin auch für andere Auftraggeber tätig werden, Sie habe das Recht, Arbeitnehmer für sich einzustellen und Eigenwerbung zu betreiben.

Gleichwohl und trotz aller dieser Regelungen hat das Landessozialgericht Hessen angenommen, dass für die „freie Mitarbeiterin“ nur ein geringes Unternehmerrisiko bestehe, so dass im Ergebnis von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen sei.

Bei Praxen für Physiotherapie, bei denen freie Mitarbeit ein Geschäftsmodell darstellt, besteht nach dieser Entscheidung ein erhebliches Beitragsrisiko.

TIPP:

Bei derartigen Konstellationen ist insbesondere auf Seiten der Praxisinhaber/innen zu empfehlen, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und gegebenenfalls eine Statusfeststellung zu veranlassen. Hier sollte bereits bei der Antragstellung die kompetente Unterstützung eines Fachanwalts für Sozialrecht eingebunden werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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