Steuerhinterziehung und verdeckte Gewinnausschüttung – Vorsatz- und Beweisfragen

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Im Rahmen von Steuerhinterziehungen im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) stellen sich im Rahmen einer strafrechtlichen Hauptverhandlung meist auch Vorsatz- und Beweisfragen, die nachstehend näher betrachtet werden sollen.

1. Vorsatz zur Steuerhinterziehung

Da nicht jede vGA strafrechtlich relevant ist, ist es – wie auch allgemein im Steuerstrafrecht –erforderlich, dass der Täter bei der Verkürzung von Körperschaftsteuer den angegriffenen Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennen bzw. ihn von der Höhe her für möglich halten muss (BGH v. 19.05.1989 – 3 StR 590/88). Dies erfordert aber nicht, dass dem Täter die Berechnung des Hinterziehungsbetrags oder gar die Grundsätze des früheren körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens gem. §§ 27 ff. KStG a. F. und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Höhe der Körperschaftsteuer und damit auf die jeweiligen Hinterziehungsbeträge bekannt sein müssen (BGH v. 24.01.1990 – 3 StR 290/89, v. 09.02.1995 – 5 StR 722/94).

Aus der wahrheitswidrigen Bilanzierung als Darlehen kann z. B. nicht auf den Hinterziehungsvorsatz geschlossen werden, weil dies kein geeignetes Mittel zur Verkürzung der Körperschaftsteuer ist, zumal sich im Übrigen die Angeklagten als juristische Laien auf den Rat ihres Rechtsanwaltes verlassen haben könnten (BGH v. 06.07.2004 – 5 StR 333/03). In Zweifelsfällen empfiehlt es sich daher, die Rechtslage durch einen steuerlichen Berater überprüfen zu lassen, diesem hierzu sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen und sich im Anschluss beratungskonform zu verhalten.

Verteidigungsansatz

Für die subjektive Seite darf daher nicht einfach gesagt werden, der Täter habe gehandelt, „um Steuern zu sparen“ (BGH v. 06.07.2004 – 5 StR 333/03). Dies gilt umso mehr, je zweifelhafter die Erfüllung des objektiven Tatbestandes (Steuerverkürzung) ist. Anklageschriften verweisen in diesem Punkt – zu Unrecht –lapidar darauf: „Der Beschuldigte handelte nach Lage der Dinge vorsätzlich.“

2. Beweisbarkeit der Steuerhinterziehung (§ 261 StPO)

Diesbezüglich ist sauber zwischen der Beweisbarkeit im Steuerrecht und im Strafrecht zu differenzieren:

a. Beweisbarkeit im Steuerrecht: Sog. Feststellungslast

Die steuerliche Feststellungslast für das Vorliegen einer vGA trifft im Grundsatz das Finanzamt. Im Einzelfall können aber die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises (Beweis auf Grundlage von Erfahrungswerten) oder Indizienbeweises (Beweis durch einen Rückschluss von einzelnen Beweisanzeichen auf die zu beweisende Tatsache) im Rahmen einer vGA erfüllt sein.

Eine nicht fremdübliche Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter kann im Rahmen eines Anscheinsbeweises auf die gesellschaftliche Veranlassung der Gewinnminderung schließen lassen. Diesen Anscheinsbeweis kann der Gesellschafter dann aber dadurch entkräften, dass er außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses liegende Gründe benennt, die für die nicht fremdübliche Vereinbarung ursächlich waren. Anscheins- und Indizienbeweisführung erlauben also die Feststellung des Sachverhalts auf verminderter Tatsachengrundlage. 

Anders ist dies bei der im Einzelfall zulässigen (steuerlichen!) Reduzierung des Beweismaßes. Dies setzt die Verletzung steuerlicher Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen voraus, was dann die Schätzungsmöglichkeit nach § 162 AO eröffnet (Umkehrschluss aus § 162 Abs. 2 AO).

Hingegen hat die Gesellschaft die Feststellungslast hinsichtlich der betrieblichen Veranlassung für die in der Gewinnermittlung enthaltenen Betriebsausgaben (BFH v. 17.10.2001, BStBl II 2004, 171).

b. Beweisbarkeit der Steuerhinterziehung im Strafrecht (§ 261 StPO)

Hinsichtlich der Beweisbarkeit dient im Strafrecht, ebenso wie im Steuerrecht, der Begriff des „gewissenhaften und ordentlichen Geschäftsleiters“ als Maßstab, welchen ein Strafrichter vor dem Hintergrund des Art. 103 Abs. 2 GG restriktiv auszulegen hat (BVerfG v. 15.03.1978 – 2 BvR 927/76). Die steuerrechtlichen Beweislastregeln, die vor allem die Finanzverwaltung aufzustellen pflegt, sind jedoch im Rahmen des Steuerstrafrechts wegen des hier geltenden in dubio pro reo-Grundsatzes nicht anwendbar. Insbesondere der im Rahmen der Feststellungslast so häufig anzutreffende o. g. Anscheinsbeweis findet – anders als ein Indizienbeweis – strafrechtlich keine Anwendung.

Dies erkennt auch der BGH (v. 22.04.1999 – 5 StR 117/99) grundsätzlich an, der aber das Fehlen von Nachweisen, die im Besteuerungsverfahren eine Beweislastumkehr zulasten des Steuerpflichtigen zulassen, „im Rahmen der gebotenen Aufklärung indiziell zur Überzeugungsbildung“ heranziehen will. Eine Schätzung ist dem Strafverfahren allerdings grundsätzlich fremd. Der BGH lässt aber in Ausnahmefällen eine Schätzung der Höhe der Steuern – unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo – zu (BGH v. 24.05. 2007 – 5 StR 58/07). Zutreffend wird dieser Ansatz als logischer Widerspruch und mit dem Strafrecht unvereinbar abgelehnt, es sei denn, man würde mit „Schätzung“ lediglich den Verzicht auf eine gleichsam punktgenaue, auf den einzelnen steuerlichen Berechnungsmerkmalen beruhende Ermittlung der hinterzogenen Steuern meinen.

Im Steuerstrafverfahren sind im Gegensatz zum Steuerrecht die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung und die Höhe der hinterzogenen Steuern für die Zwecke der Strafzumessung vollständig nachzuweisen. Der Strafrichter muss feststellen, ob bei einem zugrunde liegenden Leistungsaustausch das Entgelt unangemessen ist oder nicht (vgl. BGH v. 03.03.1993 – 5 StR 546/92).

Das Fehlen einer vorherigen klaren Vereinbarung bei beherrschenden Gesellschaftern stellt nach der neuen Rechtsprechung des BFH nicht mehr eine Indizwirkung für die Annahme einer vGA dar; erforderlich ist vielmehr der Nachweis des tatsächlichen Vorliegens einer Vermögensminderung, ebenso wie der weiteren Voraussetzungen einer vGA. Den Steuerpflichtigen trifft lediglich eine Dokumentationspflicht des Sachverhalts; Nachweisschwierigkeiten gehen zulasten der Finanzverwaltung. Sofern Indizien hinsichtlich des Vorliegens einer vGA gegeben sind, dürfen diese strafrechtlich nicht herangezogen werden, erforderlich ist die tatsächliche Feststellung des Vorliegens der jeweiligen Voraussetzungen (BGH v. 03.03.1993- 5 StR 546/92). Strafrichter müssen daher bei verdeckten Gewinnausschüttungen, denen ein Leistungsaustausch zugrunde liegt, tatsächlich feststellen, ob es sich nachweisbar um ein unangemessenes Entgelt gehandelt hat.

Verteidigungshinweis

Im Rahmen von Verteidigungssituationen lohnt es also durchaus, einen Blick auf Vorsatz- und Beweisbarkeitsfragen zu werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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