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Straftatverdacht bei Bildern von nackten Jungen auf Handy

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Durchsuchung aufgrund eines Beschlusses

Eine Durchsuchungsanordnung ist für den Beschuldigten rechtlich nur schwer einzuordnen. Hat ein Ermittlungsrichter einen entsprechenden Beschluss unterschrieben, so geht ein Großteil der Betroffenen automatisch davon aus, dass die Maßnahme juristisch in Ordnung ist. In der Praxis erlebt ein Fachanwalt für Strafrecht aber immer wieder, dass dem nicht so ist. Folgender Sachverhalt soll dafür nochmal genauer betrachtet werden:

Der Fall:

Der Beschuldigte zeigte einem Dritten Urlaubsfotos auf dem Handy. Dabei habe er versehentlich eine falsche Datei auf seinem Smartphone angeklickt. Der Zeuge habe so sehen können, dass der Beschuldigte Bilder von nackten Jungen auf seinem Telefon gespeichert habe. Das Alter dieser nackten Jungen schätzte er auf ca. 7 bis 10 Jahre. Sexuelle Handlungen habe er nicht sehen können. Weitere Angaben dazu, was genau auf den Fotos zu sehen war, machte der Zeuge nicht. Der Beschuldigte sei auch nachdem er bemerkt habe, dass er offensichtlich den falschen Ordner geöffnet hatte, ganz ruhig geblieben und habe sich "nichts anmerken lassen". Dieser Vorfall habe den Zeugen  in der Folge länger beschäftigt. Er habe sich jedoch erst jetzt - sechs Monate später - aufgrund der in der Presse publizierten Vorfälle von Kinderpornographie entschlossen, zur Polizei zu gehen.

Auf Grundlage dieses Sachverhaltes ordnete das Amtsgericht zunächst die Durchsuchung der Person, Wohnung und der sonstigen Räume einschließlich der dazugehörigen Sachen und Behältnisse, Nebengelasse, Kraftfahrzeuge und Garagen bei dem Beschuldigten an. Die Durchsuchung wurde im Anschluss  durchgeführt und führte nicht zum Auffinden von Beweismitteln.

Rechtsmittel gegen die Durchsuchung: Beschwerde 

Zunächst muss man folgendes berücksichtigen:  Die Durchsuchungsanordnung ist zwischenzeitlich vollzogen, wodurch sie ihren faktischen Abschluss gefunden hat. Grundsätzlich ist eine Beschwerde zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch Vollzug oder auf andere Weise erledigten richterlichen Anordnung zwar unzulässig. Etwas anderes gilt jedoch in Konstellationen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe, wenn sich die Belastung durch die Maßnahme nach dem typischen Verfahrensverlauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann. Die Beschwerde darf dann im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht wegen prozessualer Überholung als unzulässig verworfen werden. Vielmehr ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu überprüfen und ggf. deren Rechtswidrigkeit festzustellen. Diese Voraussetzungen liegen im Falle einer auf Grund richterlicher Anordnung vorgenommenen Durchsuchung von Wohnräumen unzweifelhaft vor. 

Die Beschwerde ist begründet:

Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlung in Betracht kommenden Durchsuchung gemäß § 102 StPO reicht der auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht aus, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999). Ein erhöhter Verdachtsgrad ist nicht erforderlich. Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Artikel 13 Abs. 1 GG erfährt die räumlichen Lebenssphäre des Einzelnen allerdings einen besonderen grundrechtlichen Schutz. Das Gewicht des Eingriffs verlangt daher Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2014, Az. 2 BvR 974/12).

Kein tatsächlicher Anhaltspunkt für konkreten Verdacht:

Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an tatsächlichen Anhaltspunkten für einen solchen konkreten Verdacht, dass eine Straftat, etwa der Besitz von kinderpornographischen Inhalten gemäß § 184 b Abs. 3 StGB, begangen worden ist. Lediglich die Tatsache, dass der Beschuldigte Fotos von nackten Jungen auf seinem Smartphone gespeichert hat, reicht hierfür nicht aus, zumal sexuelle Handlungen offenbar auch nicht zu sehen waren. Ob ein Fall des sog. "Posens" gem. § 184 b Abs. 1 Nr. 1b) StGB vorliegt oder eine sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien eines Kindes gemäß § 184 b Abs. 1 Nr. 1 lit.c) StGB kann anhand der rudimentären Angaben des Zeugen nicht beurteilt werden.

Ein Anfangsverdacht kann zwar grundsätzlich auch aus legalem Verhalten erwachsen, falls weitere Umstände hinzutreten (BVerfG, Beschluss vom 15. August 2014, Az. 2 BvR 969/14, LG Regensburg, Beschluss vom 10. Oktober 2014, Az. 2 Qs 41/14).  Ein solcher Umstand kann unter anderem in einem kriminalistischen Erfahrungssatz liegen. Erforderlich ist jedoch insoweit, dass der kriminalistische Erfahrungssatz im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bezogen auf das jeweilige Delikt hinreichend konkretisiert ist - sei es durch die eigene forensische Erfahrung der Kammer oder durch sich aus den Ermittlungen ergebene Umständen (LG Limburg, Beschluss vom 3. Februar 2015, Az. 1 QS 160/14).

Aber auch solche weiteren Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Der Beschuldigte hat auf die - vermeintlich ungewollte - Offenbarung der Fotos gegenüber dem Zeugen nicht auffällig reagiert. Vielmehr teilte der Zeuge mit, der Beschuldigte habe sich "nichts anmerken lassen" und sei ganz ruhig geblieben.

Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes:

Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wären auch vor dem Hintergrund der zwischen "Entdeckung" der Fotos auf dem Smartphone des Beschuldigten und der mit der Beschwerde angegriffenen Durchsuchungsanordnung liegenden beträchtlichen Zeitspanne noch andere, weniger einschneidende - den Ermittlungszweck auch nicht gefährdende - Maßnahmen zur Erhärtung bzw. zum Erreichen eines höheren Verdachtsgrades zu ergreifen gewesen (siehe dazu BVerfG 11. Februar 2015, Az. 2 BvR 1694/14). So wäre eine Nachvernehmung der Zeugin denkbar gewesen über den genauen Inhalt und die Anzahl der fraglichen Fotos oder die Einholung behördlicher Auskünfte zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten.

Fazit:

Ein Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht wird sich immer mit der rechtlichen Zulässigkeit der Durchsuchungsmaßnahme auseinandersetzen. Man darf hier nicht blindlings einer rechtlichen Meinung folgen, sondern muss die Argumentation des Gerichtes auf seine Stichhaltigkeit hin prüfen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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