Strafvereitelung (§§ 258, 258a StGB) Vorladung, Anklage, Hausdurchsuchung – Fachanwalt für Strafrecht informiert

  • 8 Minuten Lesezeit

Effektive Bestrafung (Strafrechtspflege) ist immer auf die Mitwirkung von Menschen angewiesen, insbesondere die Mitwirkung von Richtern, Ermittlungsbeamten etc.

Wenn Personen eine Bestrafung oder deren Vollstreckung vereiteln, läuft das dem Rechtssystem zuwider. Dementsprechend ist dieses Verhalten mit Strafe bedroht, um die innerstaatliche Strafrechtspflege zu gewährleisten.

Wie hoch ist die Strafe für Strafvereitelung und Strafvereitlung im Amt?

Wer die Bestrafung eines anderen oder die Vollstreckung dieser Strafe vereitelt, den trifft eine Strafandrohung von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (§ 258 Abs. 1 und 2 StGB). Auch der Versuch ist – in gleichem Maße wie die erfolgreiche Vereitelung – strafbar (§ 258 Abs. 4). Die Strafe darf nicht höher sein als diejenige, die für die Vortat (die vereitelt wird) angedroht wurde (§ 258 Abs. 3 StGB). Wird also eine Beleidigung (max. zwei Jahre Freiheitsstrafe) vereitelt, kann deren Vereitelung auch nur mit max. zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden.

Die Strafe erhöht sich, wenn die Tat durch einen Amtsträger begangen wird, der zur Mitwirkung an dem entsprechenden Verfahren berufen ist, auf sechs Monate bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe; im minder schweren Fall ist die Strafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (§ 258a Abs. 1 StGB). Auch hier ist der Versuch strafbar (§ 258a Abs. 2 StGB). Die Deckelung des Strafrahmens auf den des vereitelten Delikts findet für Amtsträger nicht statt (§ 258a Abs. 3 StGB).

Wann mache ich mich wegen Strafvereitelung strafbar?

Die Strafvereitelung kann auf zweierlei Art begangen werden:

  • als Verfolgungsvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) und
  • als Vollstreckungsvereitelung (§ 258 Abs. 2 StGB).

Strafbarkeit wegen Verfolgungsvereitelung

Ausgangspunkt der Verfolgungsvereitlung ist eine rechtswidrige Tat, die nach einem Strafgesetz bestraft wird und durch einen anderen begangen wurde (sog. „Vortat“). Wegen Verfolgungsvereitelung macht sich nun strafbar, wer vereitelt, dass der Täter der Vortat dieser wegen bestraft oder einer strafrechtlichen Maßnahme (zB Entziehung der Fahrerlaubnis, Berufsverbot) unterworfen wird.


Typische Handlungen, die zu solch einer Strafbarkeit führen können, sind zB

  • die Falschaussage vor der Polizei, sodass diese ihre Ermittlungen gegen den Täter der Vortat aufgibt,
  • das Verstecken eines Flüchtigen und
  • das Zurverfügungstellen eines Fluchtfahrzeugs.


Die Vereitelung muss dabei nicht endgültig sein. Ausreichend ist bereits das Verzögern „um geraume Zeit“. Welche Dauer dafür genau maßgeblich ist, ist auch in der Rechtswissenschaft umstritten: So soll nach einer älteren Entscheidung des Landgerichts Stuttgart bereits das Verzögern um zehn Tage ausreichen (LG Stuttgart, Urt. v. 17.05. 1976, Az: 3 Ss (3) 674/75), während andere mindestens drei Wochen Verzögerung voraussetzen (so zB Jahn, JuS 2006, 760, 761).


Eine Verfolgungsvereitelung kann dabei auch durch Unterlassen begangen werden. So kann nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln zB die nichtberechtigte Verweigerung einer Aussage vor Gericht durch einen Zeugen eine Strafbarkeit wegen Verfolgungsvereitelung begründen (OLG Köln, Beschl. v. 11.12.2009, Az: 2 Ws 588/09).


Wohl nicht von der Strafbarkeit erfasst sind hingegen sozialtypische und berufstypische Handlungen, wie zB das Verkaufen von Lebensmitteln an einen Flüchtigen oder dessen ärztliche Behandlung.

Strafbarkeit wegen Vollstreckungsvereitelung

Die andere Alternative ist die sog. Vollstreckungsvereitelung. Ausgangspunkt ist hier das Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung eines anderen oder die Unterwerfung seiner Person unter eine strafrechtliche Maßnahme (zB Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe durch ein Gericht). Wer deren Vollstreckung vereitelt, wird eine Vollstreckungsvereitelung begehen.

Auch hier ist es ausreichend, dass die Vollstreckung nur teilweise vereitelt wird. Demzufolge wird man bspw. bei der Fluchthilfe aus dem Gefängnis eine Vollstreckungsvereitelung annehmen werden.

Strafvereitelung nur bei Absicht oder Wissentlichkeit

In beiden Varianten ist es erforderlich, dass der Täter absichtlich (zielgerichtet) oder wissentlich (die Vereitlung als sicheres Ziel seines Handels antizipierend) handelt.

Eine „versehentliche“ Strafvereitelung unterliegt grundsätzlich keiner Strafbarkeit.

Macht man sich auch strafbar, wenn die Vereitelung nicht gelingt?

Die Strafbarkeit erfasst nicht nur die Fälle, in denen die Strafvereitlung auch gelingt. Bestraft wird bereits der Versuch. Dieser liegt vor – stark vereinfacht ausgedrückt – dann vor, wenn der Täter fest zur Begehung der Tat entschlossen ist, bereits subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-gehts-los“ überschritten und bereits solche Handlungen vorgenommen hat, die in so engem Zusammenhang zur Begehung der Straftat stehen, dass das Opfer schon gefährdet scheint.

Deshalb kann sich, wer beweiskräftige Akten vernichtet, regelmäßig nicht damit rechtfertigen, dass es letztendlich ja doch noch zu einer Verurteilung gekommen sei.

Die goldene Brücke zurück in die Straflosigkeit: der Rücktritt vom Versuch einer Straftat

Eine „goldene Brücke“ eröffnet das Gesetz dem Versuchstäter, der freiwillig strafbefreiend von seinem begangenen Versuch zurücktritt. Wer die Strafvereitelung bereits versucht hat (zB durch Falschaussage bei der Polizei, um den Verdacht von einer Person zu lenken), kann – vereinfacht ausgedrückt – von dieser Tat zurücktreten, in dem er den strafbewehrten Erfolg (die Vollendung der Strafvereitelung) verhindert oder – je nach Konstellation – von der weiteren Begehung der Tat Abstand nimmt, also im Beispiel etwa erneut bei der Polizei vorspricht und seine ursprüngliche falsche Aussage berichtigt. Dabei darf die Vereitelung (auch in Form einer Verzögerung) noch nicht eingetreten sein. Wer sich demzufolge einige Stunden nach seiner Falschaussage berichtigt, wird regelmäßig wohl noch zurücktreten können und dadurch einer Strafbarkeit wegen Strafvereitlung entgehen; wer einen ganzen Monat wartet, wird in den Genuss dieser Straffreiheit wohl oftmals nicht mehr kommen können.

Wichtig ist auch, dass der Rücktritt nur dann möglich ist, wenn die Tat nicht ohnehin bereits fehlgeschlagen ist (hier fehlt es an einer honorierbaren Verzichtsleistung des Täters – wer einen gescheiterten Plan aufgibt, hat sich die Straffreiheit in diesem Sinne nicht verdient).

Außerdem muss der Täter freiwillig handeln. Auch wer zur Aufgabe der Tatbegehung gezwungen wird, hat sich die Straffreiheit in diesem Sinne nicht verdient.

Höhere Strafe bei Strafvereitelung im Amt gem. § 258a StGB

Amtsträger treffen besondere Amtspflichten. Um neben der Sicherung der innerstaatlichen Strafrechtspflege auch die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch diese Personen zu gewährleisten, trifft den Amtsträger eine höhere Strafe, der eine Strafvereitelung begeht und zur Mitwirkung an dem entsprechenden Verfahren berufen ist.

Wer ist Amtsträger für die Strafvereitelung im Amt?

Der Begriff des Amtsträgers ist gesetzlich in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB geregelt, demnach ist Amtsträger, wer nach deutschem Recht

  • Beamter oder Richter ist,
  • in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
  • sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen.


Praktisch trifft die Vorschrift des § 258a StGB vor allem Strafrichter, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Vollzugsbeamte und entsprechende Geschäftsstellenmitarbeiter; diese Personen sind Amtsträger. Sind sie auch zur Mitwirkung an dem jeweiligen Verfahren berufen, trifft sie die erhöhte Strafandrohung.


In diese Strafbarkeit wird deshalb zB ein Polizist geraten, der eine Ermittlungsakte vernichtet, ebenso ein Bediensteter der JVA, der einen Gefangenen entweichen lässt sowie ein Geschäftsstellenmitarbeiter im Gericht, der nach rechtskräftiger Verurteilung Unterlagen verschwinden lässt, die für den Vollzug der Strafe benötigt werden.


Auch hier ist eine Strafbarkeit durch Unterlassen möglich, etwa wenn der zuständige Ermittlungsbeamte seinen Ermittlungsaufgaben nicht ordnungsgemäß nachkommt, zB konkrete Verdachtsmomente unbeachtet lässt und dadurch jedenfalls eine Verzögerung um geraume Zeit herbeiführt. Dem Risiko einer Strafbarkeit wegen Unterlassen dürften sich demnach vor allem Strafrichter, Staatsanwälte und Polizisten ausgesetzt sehen.

Strafvereitlung „für sich selbst“ – trotzdem strafbar?

Ein Störgefühl kommt freilich auf, wenn der vermeintliche Täter eine Bestrafung oder deren Vollstreckung vereitelt, die sich nur gegen ihn selbst richtet. Sollte er wirklich dafür bestraft werden dürfen, sich nicht freiwillig selbst einer Strafe zuzuführen? Dieses irritierte Gefühl kann für sich auch gewichtige Argumente in Anspruch nehmen:

Ein zentraler Grundsatz im Strafrechte lautet: Niemand muss sich selbst belasten. Dieses Recht ist verfassungsrechtlich in Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verbürgt. Deshalb muss ein Angeklagter sich bspw. vor Gericht nicht selbst zur Sache einlassen; ein Zeuge darf eine Antwort verweigern, wenn er sich durch wahrheitsgemäße Aussage belasten würde (§ 55 StPO).

Dementsprechend macht sich auch nicht wegen Strafvereitelung strafbar, wer nur sich selbst schützt. Das sagt auch schon der Wortlaut des § 258 StGB, der von der Vereitelung der Bestrafung „eines anderen“ (§ 258 Abs. 1 S. 1 StGB) und der Vereitelung einer Vollstreckung „einer gegen einen anderen verhängten Strafe“ (§ 258 Abs. 2 StGB) spricht. Der gesetzliche Straftatbestand erfasst damit schon gar nicht das Vereiteln gegen sich selbst.

Zu beachten ist allerdings, dass dies dem Beschuldigten kein umfassendes „Recht zu lügen“ einräumt. Dem ist nicht so. Die Grenze liegt in der Beschuldigung wissentlich unschuldiger Personen. Wer also wissentlich lügt und eine andere Person zu beschuldigen, dem droht auch als Beschuldigter grundsätzlich eine Strafe. Zwar nicht wegen Strafvereitelung, allerdings kommen hier andere Delikte in Betracht wie beispielsweise die falsche Verdächtigung.


Dieser Grundsatz strahlt auch auf die Konstellation aus, in der der Täter nicht nur, sondern auch sich selbst schützt. Im Fachjargon wird das „indirekte Selbstbegünstigung“ genannt.

Hier gilt für den Täter grundsätzlich Straffreiheit (§ 258 Abs. 5 StGB).

Strafvereitlung zugunsten Angehöriger

Eine Konfliktlage wird sich für den mutmaßlichen Täter ergeben, wenn von der Strafverfolgung oder -vollstreckung ein Angehöriger betroffen ist. Diesem Konflikt trägt auch das Gesetz Rechnung: Wer die Strafvereitelung zugunsten eines Angehörigen begeht, wird nicht bestraft (§ 258 Abs. 6 StGB).


Angehörige sind gem. § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB:

  • Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
  • der Ehegatte, der Lebenspartner,
  • der Verlobte,
  • Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,
  • und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist sowie
  • Pflegeeltern und -kinder


Eine Anwendung des Strafausschließungsgrundes auch für andere dem Täter nahestehende Personen findet nicht statt (BGH, Urt. v. 04.08.1983, Az: 4 StR 378/83).


Die Straflosigkeit bei der Begehung zugunsten Angehöriger gilt jedoch nicht für die in dem Verfahren zur Mitwirkung berufenen Amtsträger – hier ist den Belangen der Allgemeinheit (Strafrechtspflege) Vorrang vor dem Bedürfnis des Amtsträgers, Rücksicht auf seine Angehörigen zu nehmen, einzuräumen (arg. § 258a Abs. 3 StGB). Für diesen Täter könnte sich hier aber möglicherweise ein sog. „minder schwerer Fall“ ergeben, der zu einer geringeren Bestrafung führt – sicher ist das aber nicht.


Gerade in solchen Konstellationen ist es deshalb sinnvoll, sich durch einen erfahrenen Strafverteidiger vertreten zu lassen. Bei der Ausarbeitung der jeweiligen Verteidigungsstrategie können solche Wirklichkeiten Berücksichtigung finden und genutzt werden, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Schlüssel für Erfolge liegen oft im Einzelfall.


Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Benjamin Grunst

Beiträge zum Thema