Tätige Reue eines Brandstifters durch Abwenden der Todesgefahr – Ist eine Strafmilderung möglich?

  • 4 Minuten Lesezeit

Tätige Reue gemäß § 306e StGB

Im Fall der tätigen Reue gemäß § 306e Abs. 1 StGB kann das Gericht bezüglich eines Täters, der ein Brandstiftungsdelikt gemäß den §§ 306, 306a, 306b StGB verwirklicht, die Strafe mildern oder von dieser absehen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter den Brand freiwillig löscht, bevor ein erheblicher Schaden entstehen kann.

Keine Anwendung fand § 306e StGB bisher auf andere Reueaktivitäten, im Rahmen dieser der Täter zwar keinen Brand löscht, aber eine anderweitige durch die Tat geschaffene Gefahr beseitigt.

Anwendung des § 306e Abs. 1 StGB auch dann, wenn der Brandstifter die Gefahr anders als durch das Löschen des Feuers abwendet?

In seiner Entscheidung vom 27. Mai 2020 (1 StR 118/20) musste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandersetzen, ob die gesetzliche Strafmilderung des § 306e StGB auch dann gewährt wird, wenn ein Brandstifter den Brand zwar nicht löscht aber dennoch die durch das Feuer entstandene Todesgefahr einer anderen Person abwendet.

Hintergrund der Entscheidung war ein Urteil des Landgerichts Heilbronn, das einen Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306b Absatz 2 Nr. 1 StGB verurteilte und hierbei § 306e Abs. 1 StGB als für nicht anwendbar erklärte.

In dem Fall hatte der 65-jährige Angeklagte mit seiner 17-jährigen Geliebten beschlossen, sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Hierfür verteilte der Angeklagte Benzin in seinem Wohnwagen und zündete dies an, während sich seine Geliebte und er in dem Wohnwagen aufhielten. Das Feuer und die Flammen breiteten sich auf Grund der vorhandenen Stoffe und brennbaren Materialien binnen kürzester Zeit unkontrolliert aus, so dass der Fluchtweg durch die Eingangstür versperrt war. Zudem griff das Feuer bereits auf den in unmittelbarer Nähe des Wohnwagens geparkten Pkw des Angeklagten über. In dieser Situation entschied sich der Angeklagte um und beschloss, seine Geliebte und sich selbst zu retten. Trotz des in der beengten Räumlichkeit bereits stark ausgebreiteten Feuers, gelang es dem Angeklagten, das Fenster in der Front des Wohnwagens aufzuklappen, seiner Geliebten durch dieses herauszuhelfen und sodann selbst zu entkommen. Der Wohnwagen und der Pkw brannten innerhalb kürzester Zeit jedoch vollständig aus.

Das Landgericht entschied, der Angeklagte habe sich gemäß § 306b Absatz 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht, da er seine Geliebte durch seine Tat in die konkrete Gefahr des Todes gebracht hatte. Die gesetzliche Strafmilderung des § 306e StGB (tätige Reue) sei trotz der erfolgreichen Rettungsbemühungen des Angeklagten und der damit einhergehenden Verhinderung des Todes seiner Geliebten nicht anwendbar, da der Angeklagte den Brand als solchen nicht gelöscht hat.

Entscheidung des BGH: Analoge Anwendung des § 306e StGB 

Dies sah der Bundesgerichtshof jedoch anders. Der BGH entschied, dass eine tätige Reue im Sinne des § 306e StGB nach dem Wortlaut der Vorschrift zwar ein freiwilliges Löschen des Brandes voraussetzt. Angesichts der Beseitigung der konkreten Gefahr für das Leben der Geschädigten würde vorliegend jedoch eine Strafmilderung nach § 49 Abs. 2 StGB in entsprechender Anwendung des § 306e StGB in Betracht kommen.

Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 306e StGB 

Grundsätzlich liegt dem Strafrecht gemäß § 103 Absatz 2 GG ein umfassendes Analogieverbot zugrunde. Dieses ist aber nur dann einschlägig, wenn die Analogie zu Lasten des Täters geht. Eine Analogie zu dessen Gunsten ist zulässig (vgl. BVerfG, BVerfGE 95, 96, 132). 

Die analoge Anwendung einer Vorschrift auf einen von ihr grundsätzlich nicht erfassten Sachverhalt setzt eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage voraus.

Eine planwidrige Regelungslücke ist darin zu sehen, dass die vom Gesetzgeber in § 306e StGB gewählte Formulierung nicht berücksichtigt, dass es Situationen geben kann, in denen eine andere Gefahrenbeseitigung als das Löschen des Brandes effektiver sein kann, etwa wenn ein Löschen nicht mehr ohne Weiteres möglich ist, die Gefahr aber durch Verbringung der Person aus dem Gefahrenbereich unproblematisch abgewendet werden kann. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur bei den Brandstiftungsdelikten andere Formen der Gefahrenabwendung ausschließen wollte, sondern diese Konstellation bei den §§ 306 ff. StGB übersehen hat.

Eine vergleichbare Interessenlage liegt ebenfalls vor, da eine Analogie auf Grund der Ähnlichkeit des gesetzlich nicht geregelten Falles mit dem gesetzlich geregelten Fall ein Gebot der Gerechtigkeit ist. Denn das in § 306e StGB geforderte Löschen des Brandes stellt lediglich einen besonderen Fall der Gefahrenabwendung dar. Es ist jedoch mit dem Gebot der Gerechtigkeit nicht zu vereinbaren, dem Täter die Möglichkeit einer Strafmilderung oder eines Absehens von Strafe zu versagen, wenn er eine effektivere Methode zur Abwendung der Gefahr wählt und dadurch das gleiche Ergebnis erzielt wie mit dem Löschen des Brandes.

Da das Feuer vorliegend bereits weit fortgeschritten war und der Angeklagte die Geschädigte nur noch durch das Verbringen aus dem Wohnwagen aus der bestehenden Todesgefahr bringen konnte, mithin die effektivste Möglichkeit zur Gefahrenbeseitigung gewählt hat, war es sachgerecht, den § 306e StGB analog anzuwenden.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht 

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich wegen eines Brandstiftungsdelikts strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Steffen Dietrich

Beiträge zum Thema