Testierfähigkeit trotz Krankheit: Entscheidung des OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2024 - 3 W 28/24

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Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat in einem aktuellen Fall klargestellt, dass selbst mehrere schwere Erkrankungen nicht zwangsläufig zur Testierunfähigkeit führen. Ihr Erbrechtsexperte Wolfgang Roth erläutert den Beschluss:

Grundsatz der Entscheidung

Testierfähigkeit kann auch bestehen, wenn der Erblasser an erheblichen Krankheiten litt, solange diese Krankheiten die freie Willensbildung bei der Erstellung des Testaments nicht beeinflussten.

Der Fall im Detail

Der Erblasser litt an einer bipolaren Störung, Depressionen und Alkoholmissbrauch. Kurz vor seinem Suizid verfasste er einen Abschiedsbrief, in dem er erklärte, seine Erbschaftsangelegenheiten regeln zu wollen. In seinem handschriftlichen Testament bestimmte er seine Ziehtochter zur Alleinerbin. Das Nachlassgericht wollte ihrem Antrag auf einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen würde, stattgeben. Die Schwester des Verstorbenen widersprach, indem sie behauptete, er sei aufgrund seiner Erkrankungen testierunfähig gewesen. Das OLG entschied zugunsten der Ziehtochter.

Gründe für die Entscheidung

Laut § 2229 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) konnte die Testierunfähigkeit durch die eingeholten Sachverständigengutachten nicht bestätigt werden. Obwohl der Erblasser an den genannten psychischen und physischen Erkrankungen litt, reichten diese Erkrankungen allein nicht aus, um eine Testierunfähigkeit zu belegen. Nur wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu einer Geisteskrankheit oder erheblichen Geistesschwäche führen, die die freie Willensbestimmung ausschließen, liegt eine Testierunfähigkeit vor.

Der Abschiedsbrief des Verstorbenen zeigte, dass er planvoll und strukturiert handelte, um seine Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Zudem war das Testament flüssig und mit fester Handschrift verfasst, was auf keine Beeinträchtigung seiner geistigen Fähigkeiten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung hindeutete. Daher bleibt das Testament gültig.

Praxishinweis

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass erhebliche Erkrankungen allein keinen zwingenden Schluss auf eine Testierunfähigkeit zulassen. Nur wenn eine Willensbeeinträchtigung direkt auf solche Erkrankungen zurückzuführen ist, kann dies die Testierfähigkeit ausschließen. Ohne konkrete Anhaltspunkte, wie wahnhaftes Verhalten des Testierenden, darf das Gericht keine Sachverständigengutachten über diesen Zusammenhang einholen. Diese Vorgehensweise wurde bereits mehrfach gerichtlich bestätigt.


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