Ungewisser Schadensersatz – der Abzug „neu für alt“

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Es ist ein immer wiederkehrendes Problem: Bei der Wohnungsübergabe wird festgestellt, dass der Mieter mit der überlassenen Wohnung nicht gerade pfleglich umgegangen ist. Beschädigte Böden und Türen, zerstörte Fliesen und Armaturen sind nur einige von zahlreichen möglichen Beispielen.

In derartigen Fällen greift der Vermieter gerne auf die Kaution zurück und macht die Kosten für eine fachgerechte Wiederherstellung der Wohnung gegenüber dem Mieter geltend: „Hier sind die Handwerkerrechnungen über die entstandenen Kosten i.H.v.5.000 €, bitte umgehend bezahlen."

Doch so einfach ist es leider nicht.

Die Gerichte billigen den Schadensersatz nahezu in keinem Fall in voller Höhe zu. Nach dem Grundsatz „neu für alt" soll der Vermieter nicht von Wertverbesserungen profitieren, welche dadurch entstehen, dass das neue Objekt eine längere Lebensdauer mit sich bringt. Der Mehrwert der Ersatzsache soll den Vermieter nicht bereichern, dies hat der Bundesgerichtshof bereits vor Jahrzehnten grundlegend entschieden.

Demnach ist bei der Berechnung des Schadensersatzes ein Abzug vorzunehmen. Dieser Abzug bestimmt sich nach der Relation der Nutzungsdauer der alten und der neuen Sache bzw. der erreichten und der üblicherweise erreichbaren Lebensdauer. Dies ist für jeden Einzelfall zu bestimmen und begegnet regelmäßig erheblichen Schwierigkeiten. Für den Umfang der Vorteilsanrechnung ist grundsätzlich maßgeblich, welche Nutzungsdauer Zeitpunkt der Schadensverursachung bereits erreicht war. Dabei kommt es nicht nur auf die Dauer des soeben beendeten Mietverhältnisses an, auch die Nutzung durch Vormieter oder den Vermieter selbst ist anzurechnen.

Neben diesen tatsächlichen Schwierigkeiten hat die Rechtsprechung dem Vermieter auch weitere prozessuale Steine in den Weg gelegt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem Abzug „neu für alt" um einen Vorteilsausgleich besonderer Art. Dies bedeutet, dass - anders als bei sonstigen Vorteilsausgleichungen  - nicht der Mieter als Schädiger, sondern der Vermieter als Geschädigter darlegungs- und beweisbelastet ist.

Bereits bei der Geltendmachung des Schadensersatzes muss der Vermieter daher von sich aus einen Abzug vornehmen. Im Rahmen eines Schadensersatzprozesses muss ebenfalls von Seiten des Vermieters ein Abzug „neu für alt" und eine umfassende Darlegung der oben angesprochenen Relation erfolgen. Geschieht dies nicht, so besteht die ernstliche Gefahr, allein aus diesem Grunde den Prozess zu verlieren. Angesichts der meist unstreitigen Schädigung durch den Mieter trifft dies auf Seiten des Geschädigten immer wieder auf Unverständnis. Umso mehr in Situationen, in welchen ein Objekt noch über Jahre anstandslos hätte vermietet werden können, aufgrund der bereits zurückgelegten Nutzungsdauer jedoch nur ein Bruchteil des entstandenen Schadens ersetzt wird.

Fazit: Die Geltendmachung von Schäden ist notwendig und entspricht dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl. Angesichts der rechtlichen Schwierigkeiten ist jedoch größte Sorgfalt geboten. Vermietern sei daher nahe gelegt, sich rechtzeitig mit den Anforderungen auseinanderzusetzen und gegebenenfalls fachkundigen Rat einzuholen.

Rafael Böttcher
Rechtsanwalt


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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