Unterbringung in Entziehungsanstalt (BtM) – Erfahrungen aus LG-Bezirk Augsburg

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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12.09.2012 ein Urteil des Landgerichts Bochum wegen unterbliebener Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufgehoben. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls, wegen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen Hehlerei unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus zwei Urteilen des Amtsgerichts Recklinghausen und Auflösung der dort verhängten Gesamtfreiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt:

„... Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit Sommer 2008 regelmäßig Kokain. Das als unangenehm empfundene Nachlassen der Wirkung des Kokains kompensierte er durch den Konsum von Cannabis und Alkohol. Seit Mitte 2009 kam es zu Drogenexzessen, bei denen der Angeklagte nicht mehr essen konnte und an Gewicht verlor. Um wieder ruhiger zu werden und schlafen zu können, nahm er zudem Benzodiazepine ein. Ab Oktober 2009 konsumierte er täglich Kokain. Durch die kontinuierliche Einwirkung des Rauschmittels erlitt er einen Durchbruch der Nasenscheidewand. Zur Finanzierung seines Drogenkonsums entwickelte er verschiedene Strategien zur Geldbeschaffung. So verkaufte er sein Auto, lieh sich Geld, entwendete seiner Ehe-frau Goldschmuck sowie Geld und beging Eigentums- und Vermögensdelikte (UA S. 4/5). Im Rahmen der Strafzumessung hat das sachverständig beratene Landgericht festgestellt, dass bei dem Angeklagten eine "manifeste Abhängigkeit von Kokain" vorliegt, "die derzeit noch nicht überwunden ist" (UA S. 21). Es besteht ein affektiver Drang zu wiederholtem bis hin zu täglichem Konsum unter Dosis- und Frequenzsteigerung. Der Angeklagte ist abstinenzunfähig und leidet unter psychischen Entzugssymptomen. Er hat die abgeurteilten Taten jedenfalls auch auf Grund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit begangen, da er seinen Kokainbedarf durch die Taterlöse finanzieren wollte (UA S. 22)."

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hob das Urteil auf, da die Strafkammer des Landgerichts nicht geprüft hat, ob der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss nach Ansicht der Richter unter Hinzuziehung eines Sachverständigen erneut geprüft und entschieden werden.

Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für die Praxis?

Angeklagten, bei welchen eine Unterbringung in Betracht kommt, sollten Ihren Verteidiger eingehend über die Konsequenzen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegenüber der Vollzugshaft befragen. Entsprechendes gilt für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund von Schuldunfähigkeit.

Gelegentlich treten Angeklagte an Ihren Verteidiger heran mit der Erwartung, dieser solle auf eine Unterbringung hinwirken. Häufig wird dabei nicht berücksichtigt, dass die Unterbringung erheblich länger als eine Vollzugshaft bis zur Höchstfrist von zwei Jahren (§ 67d Abs. 1 S. 1 StGB) dauern kann.

Der Verfasser ist seit über 10 Jahren als Strafverteidiger und Opferanwalt tätig. Er verfügt über die theoretischen Voraussetzungen eine Fachanwalts für Strafrecht. Nach dessen Erfahrungen wird von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, insbesondere durch die Amtsgerichte häufig abgesehen, da das Vorliegen der Voraussetzungen nicht richtig eingeschätzt wird. Für den Verteidiger gilt es - ggf. in einem Rechtsgespräch - zu prüfen, wie das Gericht beabsichtigt, zu entscheiden. In Einzelfällen, in welchem eine Anordnung in Betracht kommt, sollte überlegt werden, ob das Urteil, am besten beidseitig durch zeitgleiche Annahme des Urteils durch die Staatsanwaltschaft angenommen wird, um die Anordnung durch das übergeordnete Gericht zu vermeiden.


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