Verbotene Kraftfahrzeugrennen: Einzelrennen, Einziehung, BVerfG

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Die Vorschrift des § 315d StGB ist im Oktober 2017 in Kraft getreten. Sie stellt u.a. eine Reaktion der Politik auf die vermehrt auftretenden „Raser-Fälle", nicht zuletzt den „Berliner Kudamm-Raser-Fall“ dar. Sie hat für die Betroffenen weitreichende Konsequenzen - von der Möglichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zur Einziehung des Tatfahrzeuges. 


Da es sich um eine neue Vorschrift handelt, ist jedoch vieles ungeklärt, was Spielräume für die Verteidigung eröffnet! 

An der Verfassungsmäßigkeit des sogenannte „Rennens gegen sich selbst“ (§ 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB) bestehen erhebliche Zweifel. Seit Januar 2020 ist deshalb ein Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Dazu unten mehr. 


Zunächst: Wer mit 200 km/h durch die Innenstadt fährt, begeht also nicht mehr eine bloße Ordnungswidrigkeit. Das Verbotene Kraftfahrzeugrennen ist eine Straftat, die mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden kann. Werden Menschen gefährdet bzw. kommen sie sogar zu Tode liegt die mögliche Strafe bei bis zu 5 bzw. 10 Jahren Freiheitsentzug. 


Von der Möglichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe wird jedoch im Regelfall - also wenn ein „einfaches“ Rennen ohne Gefährdung Dritter stattgefunden hat - nur bei besonders schwerwiegenden Taten oder Wiederholungstätern Gebrauch gemacht werden. 

Denn der Regelstrafrahmen (bis zu zwei Jahre) liegt im Bereich der bewährungsfähigen Strafen. Man muss sich also schon einiges leisten, um für ein Verbotenes Kraftfahrzeugrennen tatsächlich „einzufahren“. 



Die Einziehung des Tatfahrzeugs nach § 74f StGB


Besonders abschreckend ist aber die folgende Neuheit: Die Justiz hat nun die Möglichkeit das Tatfahrzeug einzuziehen. Das Fahrzeug mit dem das Verbotene Kraftfahrzeugrennen gefahren wurde, wird beschlagnahmt und im schlimmsten Fall nach Abschluss des Strafverfahrens zu Gunsten der Staatskasse zwangsversteigert!!


Das muss natürlich nicht sein. Die Einziehungsentscheidung des Gerichts nach § 74f StGB hat sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu orientieren. Das Gericht kann also einziehen, muss aber nicht. 


Die Einziehung wird immer dann erfolgen, wenn das Gericht in der Hauptverhandlung zu der Überzeugung gekommen ist, einen Raser vor sich zu haben, dem es zum Schutz der Allgemeinheit sein Spielzeug wegnehmen muss. 


Dabei sind vor allem die Umstände der Tat, also Anlass, Fahrstrecke, Geschwindigkeiten etc., aber auch der Umstand, dass der wirtschaftliche Totalschaden eines zB 80.000 € teuren Fahrzeuges bereits für sich eine erhebliche - selbstauferlegte - Sanktion bedeutet, angemessen zu berücksichtigen. Aufgabe des Verteidigers ist an dieser Stelle, dem Gericht zu erklären, warum es bei Berücksichtigung dieser Umstände nicht zu einer Einziehung kommen darf. 




Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a StGB 

Auch der Führerschein wird in der Regel schon zu Beginn des Ermittlungsverfahrens beschlagnahmt werden. 


Wenn das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass ein Verbotenes Kraftfahrzeugrennen verwirklicht wurde, entzieht es in der Regel die Fahrerlaubnis für mindestens 6 Monate, wobei natürlich die Zeit der Beschlagnahme angerechnet wird. 


Nach § 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB ist nämlich derjenige, der wegen eines Verbotenen Kraftfahrzeugrennens verurteilt wird, in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. 


„In der Regel“ bedeutet dabei wieder, dass die Ungeeignetheit nicht zwingend ist. Aufgabe des Verteidigers ist es hier, diese sogenannte „Regelvermutung“ zu widerlegen. 


Dafür müssen dem Gericht handfeste Gründe präsentiert werden. 


Diese können etwa in einer fehlenden Vorbelastung (keine Verkehrsstraftaten, nicht mal Geschwindigkeitsüberschreitungen), besonders kurzer Fahrstrecke (300 Meter), einer Rechtfertigung für die Tat (zB Fahrt ins Krankenhaus mit einem Schwerverletzten) oder ähnlichem liegen. Der Kreativität Ihres Verteidigers sind hier keine Grenzen gesetzt. 



Ende offen: Das Rennen „gegen sich selbst“


Nun zum Problemfall: § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Das sogenannte Rennen gegen sich selbst stellt auch das Einzelrennen unter Strafe. Das bedeutet, dass nach geltender Rechtslage auch ein einzelnes Fahrzeug ein Rennen fahren kann. Das klingt zunächst schräg, weil ein Rennen doch begriffsnotwendig einen Wettbewerb voraussetzt. Und dafür braucht es nunmal mindestens einen Gegner. 


Der Gesetzgeber meinte mit der Vorschrift aber wohl das, was umgangssprachlich als „Rasen“ bezeichnet wird. Das kann man, soweit besteht Einigkeit, auch alleine tun. 

Die Vorschrift setzt in ihrem Wortlaut voraus das „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ gefahren wird „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Und da fangen die Probleme an. 


Denn es ist unklar, was die höchstmögliche Geschwindigkeit überhaupt ist. Kommt es auf die technischen Möglichkeiten des Fahrzeugs, also die Höchstgeschwindigkeit unter Idealbedingungen, oder auf die in der Verkehrssituation tatsächlich erreichbare Höchstgeschwindigkeit an?!


Das klingt kleinteilig, verstößt aber gegen einen ganz elementaren Grundsatz unseres Strafrechts. Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit vor der Tat feststand und die strafbare Handlung zudem hinreichend bestimmt war. Der Bürger soll klar erkennen können, wann er sich strafbar macht. Schwammige, ausufernde Formulierungen öffnen der Willkür Tür und Tor! 


Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus. Sollte die Vorschrift verfassungswidrig sein, müssten sämtliche rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufgenommen werden. 


Polizeiflucht: Rennen gegen sich selbst (und die Polizei) 


Aktuell wenden die Gerichte die Vorschrift aber noch freudig an und weiten den Anwendungsbereich sogar aus. So hat das OLG Stuttgart in einem Beschluss vom 04.07.2019 festgestellt, dass die Vorschrift auch auf Fälle der Polizeiflucht anzuwenden sei. Das überrascht, weil sich der Täter nach dem Wortlaut der Vorschrift mit der Absicht fortbewegen muss, „eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen“. Das tut er bei einer Flucht vor der Polizei nicht. Seine Absicht ist es, der Polizei zu entwischen und nicht, möglichst schnell zu fahren. 


Was tun wenn ich am Steuer festgenommen werde? 

1. Schweigerecht wahrnehmen! 

Jeder Hinweis der Polizei auf Vorteile durch frühe Angaben zum Vorwurf ist falsch. Alles was Sie sagen, wird gegen Sie verwendet und bringt keinen Vorteil. 

2. Anwalt anrufen! 

Ich habe mich u.a. im Verkehrsstrafrecht spezialisiert und stehe Ihnen in allen Phasen des Strafverfahrens zur Seite

Melden Sie sich bei mir unter 0159 06126610 (auch per WhatsApp, Signal, Telegram). 






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