§188 StGB: (Majestäts-)Beleidigung auf X / Twitter: Was tun bei Vorladung?

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§ 185 StGB stellt einfache Beleidigungen unter Strafe, online auf Twitter oder analog auf der Straße. Der Strafrahmen reicht von einer Geldstrafe bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. § 188 StGB ist eine Qualifikation des Beleidigungstatbestands: Er gilt für Beleidigungen gegen „im politischen Leben des Volkes stehende Personen“ (= Politiker) und ermöglicht bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe. Die Vorschrift soll nach der Gesetzesbegründung  den durch die Nutzung sozialer Medien vermeintlich verrohenden politischen Diskurs schützen. Vorsicht ist aber geboten, da in der Bundesrepublik Meinungsäußerungsfreiheit gilt und Politiker grundsätzlich mehr hinnehmen müssen, als Normalbürger.


Qualifikation der einfachen Beleidigung: Was macht Majestätsbeleidigung schlimmer? 

Die Vorschrift ermöglicht dem Tatrichter bei Beleidigung eines Politikers ein Jahr mehr Freiheitsstrafe zu verhängen, als wenn sich diese gegen Otto-Normal richten würde. Warum das so ist, lässt sich aus Sicht des Verfassers den Gesetzesbegründungen nicht überzeugend entnehmen. Begründet wird damit, dass § 188 StGB nicht nur (aber auch) die Ehre des betroffenen Politikers schützen soll, sondern auch das von diesem bekleidete öffentliche Amt und dessen Funktionsfähigkeit. 


Tat muss „geeignet sein, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“

Unscharf wird die Vorschrift an dieser Stelle: Welche Beleidigung eines Politikers etwa auf Twitter ist tatsächlich geeignet, dessen öffentliches Wirken erheblich zu erschweren? Über die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals der "Geeignetheit" herrscht in der juristischen Literatur denn auch große Uneinigkeit. Rechtsprechung gibt es zu der relativ neue Vorschrift kaum. Einzig das Amtsgericht Schwetzingen kam auf folgende, aus meiner Sicht brauchbare, Formel. Man solle folgende Kontrollüberlegung anstellen, heißt es in AG Schwetzingen, Urteil vom 26.06.2023 - 2 Cs 806 Js 336/23: 

"Eine Eignung der Äußerung das öffentliche Wirken erheblich zu gefährden, liegt nur dann vor, wenn die Gefahr besteht, dass ein vernünftiger, durchschnittlicher Bürger durch die Äußerung ernsthaft an der Integrität oder Lauterkeit der politischen Person zweifeln oder das politische Wirken der Person in Frage stellen würde."

Maßstab soll der durchschnittliche, vernünftige Bürger sein. Das klingt gut. Gleichwohl ist dies nur die Judikatur eines Amtsgerichts. Obergerichtliche Rechtsprechung gibt es zu § 188 StGB nicht. 


Tatrichter aufgrund fehlender obergerichtlicher Rechtsprechung recht frei in Auslegung 

Und hier könnte ein Problem liegen. Sollte einem Richter, möglicherweise aufgrund eigener Parteivorlieben, eine Äußerung nicht in den Kram passen, könnte recht frei begründet werden, warum die Tat schon geeignet ist, das öffentliche Wirken erheblich zu erschweren. Hier muss dringend obergerichtliche Rechtsprechung her, die sich an den Grundsätzen des BVerfG zur Meinungsäußerungsfreiheit orientiert.


Was tun bei Vorladung wegen einer Tat nach § 188 StGB auf Twitter? 

Einer polizeilichen Vorladung brauchen Sie keine Folge zu leisten. Wahrscheinlich ist dann aber, dass ein paar Monate nach der Vorladung ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe ergeht, gegen den Sie Einspruch einlegen können. In Strafbefehlsfällen ist es zwar grundsätzlich möglich, noch einer öffentlichen Hauptverhandlung durch eine Einstellung zu entgehen - es ist aber eher unwahrscheinlich. 

Sinnvollerweise sollten Sie nach Erhalt der Vorladung einen Fachanwalt für Strafrecht konsultieren und schon im Ermittlungsverfahren ausführlich vortragen lassen. Sprechen Sie mich dazu gern an. 


strafanwalt-berlin.de

Foto(s): Pixabay

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