Verfällt der Urlaub?

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Beitrag zum Urteil das BAG vom 19.02.2019 – 9 AZR 423/16

Ausgangslage:

Immer wieder kommt es zu der Frage, inwieweit der Urlaub eines Arbeitnehmers am Ende des Kalenderjahres oder nach einem zulässigen Übertragungszeitraum erlischt und deshalb nicht mehr geltend gemacht werden kann. Es stellt sich die Frage, inwieweit den Arbeitgeber hierbei Mitwirkungsobliegenheiten treffen.

Sachverhalt:

Ein Arbeitnehmer war als Kassierer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag regelte den Urlaubsanspruch des Kassierers nicht. In den Jahren 2012 und 2013 hatte der Arbeitgeber dem Kassierer keinen Urlaub gewährt. Der Kassierer hat diesen auch nicht beantragt. Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2015. Gleichzeitig machte er die gesetzlichen Urlaubsansprüche für die Jahre 2012 und 2013 geltend. Er bat darum, ihm den Urlaub aus dem Jahr 2013 im März 2015 zu gewähren und den Urlaub aus dem Jahr 2012 abzugelten. Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Daraufhin erhob der Kassierer Klage auf Abgeltung von jeweils 8 Urlaubstagen aus dem Jahr 2012 und aus dem Jahr 2013. Er vertrat die Auffassung, der Arbeitgeber habe es pflichtwidrig unterlassen, ihm von sich aus Urlaub zu gewähren. Dies allein habe dazu geführt, dass sein Urlaub mit Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen sei. Den an diese Stelle getretenen Anspruch auf Ersatzurlaub habe der Arbeitgeber nach § 7 IV BUrlG abzugelten.

Urteil des BAG:

Die Richterinnen und Richter des BAG haben Orientierungssätze aufgestellt, die für die zukünftige Behandlung von Urlaubsabgeltungsansprüchen wegweisend sind.

Diese lauten wie folgt:

1.

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraumes, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

2.

Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 III BUrlG setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner bestehenden Mitwirkungsobliegenheit den Arbeitnehmer aufzufordern hat, ggf. förmlich, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraumes verfällt, wenn er ihn nicht beantragt.

3.

Hat der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt, ist der Urlaubsanspruch für das jeweilige Urlaubsjahr unabhängig vom Vorliegen eines Übertragungsgrundes nicht im Sinne von § 7 III BUrlG an das Urlaubsjahr gebunden. In diesem Fall tritt der am 31.12. des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 01.01. des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 I S. 1 und III BUrlG.

4.

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich in der Auswahl der Mittel frei, derer er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten bedient. Die Mittel müssen jedoch geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt.

5.

Ob der Arbeitgeber das Erforderliche getan, um seinen Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Arbeitgeber.

Anmerkung RA Müller:

Dem Arbeitgeber wird dringend empfohlen, unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange rechtzeitig sämtliche Mitarbeiter in nachweisbarer Form – am besten schriftlich – aufzufordern, den aktuellen Jahresurlaub zu nehmen und dem Arbeitnehmer natürlich auch die Möglichkeit zu geben, diesen nehmen zu können. Spätestens sollte dies mit Ende des Übertragungszeitraumes mit dem 31.03. des Folgejahres so geschehen sein, dass in dem Übertragungszeitraum der Arbeitnehmer auch noch die Möglichkeit hat, seinen Resturlaub zu nehmen.

Ansonsten kann es zu einer grenzenlosen Fortschreibung des Urlaubs kommen, sofern der Arbeitgeber nicht das seinerseits Erforderliche tut, damit der Arbeitnehmer seinen Urlaub doch noch nehmen kann. Es kommt ansonsten zu einer endlosen Kumulation von Urlaubsansprüchen.

Rechtsanwalt Daniel Müller

LL. M. Eur.


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