Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung in der Ehe - Erfahrungen eines Opferanwalts in Augsburg

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Die Vergewaltigung in der Ehe war früher als solche nicht strafbar, sondern wurde bis zur Anpassung des Strafgesetzbuchs in den §§ 177 ff. StGB auf gewaltsamen Beischlaf in der Ehe nur als Nötigung verfolgt. Die überfällige Anpassung führt jedoch nicht zu einer grundsätzlich strengen Ahndung. Wie wichtig die Betreuung des Opfers durch einen Opferanwalt ist, zeigt sich in nachstehend angeführter Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2011- 1 StR 181/11.

Opfer einer Straftat sollten unbedingt frühzeitig - möglichst noch vor Vernehmung durch die Polizei oder Anzeigeerstattung - den Rat eines im Opferrecht erfahrenen Rechtsanwalts suchen. Die Opferschutzorganisation „Weißer Ring" bietet kostenlose Erstberatungen bei einem Rechtsanwalt sowie psychologische Betreuung an. Der Autor ist seit über 10 Jahren im Bereich der Sexualstraftaten als Opferbeistand und Nebenkläger tätig. Er verfügt seit 2006 über die theoretischen Voraussetzungen eines Fachanwalts für Strafrecht.

Das Landgericht Limburg a. d. Lahn hatte einen Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 13.07.2011 - 1 StrR 181/11 - die Entscheidung zum Teil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen: „Nach den Feststellungen des Landgerichts (...) vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin, seiner Ehefrau, gegen deren Willen unter Beschimpfungen gewaltsam ungeschützten Vaginalverkehr bis zum Samenerguss. Anschließend flüchtete die Nebenklägerin bekleidet mit Jogginghose und T-Shirt aus der Wohnung, wurde aber von dem Angeklagten im Treppenhaus eingeholt und zurück in die Wohnung gezerrt. Dort zerstörte er ihr Mobiltelefon und holte die gemeinsame 4-jährige Tochter aus dem Schlafzimmer. Dieser erklärte er nun, ihr zeigen zu wollen „was sie für eine 'Rabenmutter' und 'Dreckshurenmutter' habe". Er drückte die Nebenklägerin im Wohnzimmer im Bereich der Eingangstür zum Flur hin auf den Boden, kniete sich mit einem Bein auf den Brustkorb der Nebenklägerin und hielt die Tochter dabei so auf dem Arm, dass sie nach vorne ihrer Mutter ins Gesicht blickte. In dieser Stellung schlug der Angeklagte mehrmals auf die Nebenklägerin ein, wobei er sie einmal im Gesicht und mehrfach im Bereich der Hände traf. Die Nebenklägerin schaute währenddessen in die Angst erstarrten Augen ihrer Tochter M., welche weder schrie noch weinte. Die Nebenklägerin, die den Angeklagten zunächst angeschrien hatte, mit den Schlägen aufzuhören, ging dazu über, auf ihn einzureden. Der Angeklagte beruhigte sich nach und nach, ließ von der Nebenklägerin ab und verfiel in einen weinerlichen Gemütszustand. Er brachte die Tochter M. wieder ins Schlafzimmer, strich der Tochter über den Kopf und sagte ihr, dass sie doch einschlafen solle, es werde alles gut. Der Angeklagte und die Nebenklägerin legten sich dann ebenfalls wieder schlafen."

Der 1. Strafsenat begründete seine Entscheidung wie folgt:

„Die Vergewaltigung und die nach einer Zäsur - der Flucht aus der Wohnung, dem Zurückholen der Nebenklägerin und dem Wecken der gemeinsamen Tochter - aufgrund eines neuen Tatentschlusses begangene Körperverletzung stehen im Verhältnis der Tatmehrheit. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt. (...) Durch die fehlerhafte Annahme von Tateinheit statt Tatmehrheit ist der Angeklagte nicht ausschließbar beschwert. Sowohl für die Vergewaltigung wie auch für die im Nachgang verübte Körperverletzung sind unter Beachtung des Verschlechterungsverbots jeweils Einzelstrafen zu verhängen. Das kann für den Angeklagten zu einem günstigeren Ergebnis führen, weil der neue Tatrichter bei der Prüfung des Absehens von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB - anders als im angefochtenen Urteil - jedenfalls nicht entscheidend auf die besonderen Umstände der gesondert zu ahndenden Körperverletzung wird abstellen können. Was die strafschärfende Berücksichtigung der Vornahme solcher Sexualpraktiken - hier ungeschützter Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss - anbelangt, die zuvor während der Ehe einvernehmlich praktiziert worden sind, wird der neue Tatrichter die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen haben (...)."

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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