Verhaltenstipps bei einer Vorladung oder Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung

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Wer wegen des Vorwurfs einer gefährlichen Körperverletzung eine Vorladung der Polizei oder eine Anklageschrift erhält, wird regelmäßig zunächst nicht recht wissen, wie er reagieren soll.

Suchen Sie sich frühzeitig rechtlichen Beistand

Im Falle der Vorladung zur polizeilichen Vernehmung wird es in den meisten Fällen angebracht sein, dieser Vorladung zunächst nicht nachzukommen, sondern von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen und einen kompetenten Strafverteidiger mit der Angelegenheit zu betrauen, der sich dann gegebenenfalls an die zuständige Staatsanwaltschaft oder Polizei wenden kann.

Auch wenn die Staatsanwaltschaft bereits Anklage erhoben hat und der Angeschuldigte zur Stellungnahme aufgefordert wurde, ist es noch möglich, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzuwenden. Da jedoch viele Mandanten verständlicherweise über nicht ausreichend rechtliche Kenntnisse verfügen, um den Vorwurf ausreichend zu entkräften, und sich bei diesem Versuch unter Umständen sogar noch unbewusst selbst belasten, ist es auf jeden Fall ratsam, nicht unberaten eigenhändig zu handeln und so früh wie möglich einen Rechtsanwalt zurate zu ziehen. Dieser kann die Reaktionsmöglichkeiten sowie deren Reichweite und Erfolgsaussichten fachkundig vorab prüfen und, sofern es für den Mandanten vorteilhaft ist, in der Angelegenheit gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht Stellungnahmen abgeben und z. B. Verfahrenseinstellungen anregen.

Zu beachten ist, dass das Strafgesetzbuch für die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht (vgl. § 224 Absatz 1 StGB). Allein aufgrund dieser zu erwartenden Strafe wird nicht von Amts wegen vom Gericht ein Pflichtverteidiger bestellt. Anderes gilt nur, wenn z. B. eine besonders hohe Strafe im Einzelfall zu erwarten ist, ein Bewährungswiderruf im Raum steht oder aber dem Fall eine besonders schwierige Sach- oder Rechtslage zugrunde liegt. Insofern ist der Mandant angehalten, nicht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers durch das Gericht abzuwarten, sondern selbst einen Anwalt zu beauftragen. Dadurch wird auch eine spätere Beiordnung des Verteidigers durch das Gericht nicht ausgeschlossen. Das hat aber auch den Vorteil, dass Ihr Verteidiger das Mandat von Beginn an betreut, er mit der Sache vertraut ist und frühzeitig angemessen reagieren kann, um so die beste Verteidigungsmöglichkeit in ihrem Fall zu ergreifen.

Die typischen Fallkonstellationen des § 224 Absatz 1 StGB

§ 224 Absatz 1 StGB nennt verschiedenen Qualifikationstatbestände (Nr. 1 bis 5), bei deren vorsätzlicher Begehung nicht nur eine einfache, sondern eine gefährliche Körperverletzung gegeben ist. Allen Qualifikationstatbeständen ist gemein, dass der Beschuldigte die geschädigte Person vorsätzlich an der Gesundheit geschädigt oder körperlich misshandelt haben muss. Sie unterscheiden sich jedoch in der Begehungsweise:

Nr. 1: Verletzung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen

Gifte sind Stoffe, die unter bestimmten Bedingungen, z. B. durch Einatmen, Verschlucken oder die Aufnahme über die Haut, durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung nach ihrer Art und der vom Täter eingesetzten Menge geeignet sind, ernsthafte gesundheitliche Schäden zu verursachen. „Andere gesundheitsschädliche Stoffe“ sind solche, die mechanisch oder thermisch wirken. Erfasst werden dadurch neben z. B. dem Einsatz von Säuren oder überdosierten Medikamenten auch K.O.-Tropfen und heiße Flüssigkeiten. Diese Stoffe müssen dem Tatopfer beigebracht werden, das bedeutet, sie müssen dem Opfer eingeführt oder aber auf dem Körper aufgetragen werden.

Relevante Beispiele in diesem Zusammenhang sind das Verabreichen von K.O.-Tropfen oder auch die sogenannten „Säureangriffe“. Ebenso erfasst wird auch das Übertragen von Krankheitserregern, z. B. die Übertragung der HI-Viren durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem unwissenden Partner.

Nr. 2: Verletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs

Nr. 2 erfasst solche Taten, bei denen sich die besondere Gefährlichkeit aus der Verwendung eines Tatmittels von außen auf den Körper des Opfers ergibt. Der Täter muss den Gegenstand also zweckgerichtet gegen das Opfer einsetzen. Nicht ausreichend ist es, wenn die Verletzung nur mittelbar aus dem Einsatz des Gegenstandes folgt. So scheidet eine Strafbarkeit nach § 224 Absatz 1 Nummer 2 StGB aus, wenn das Opfer dem Angriff des Täters ausweicht und die Verletzung erst infolge des dadurch erlittenen Sturzes eintritt und nicht durch den Einsatz des Gegenstandes selbst.

Unter den Begriff der Waffe fallen alle Gegenstände, die nach ihrer Art dazu bestimmt sind, erhebliche Verletzungen beim Menschen zu verursachen. Erfasst werden also alle „klassischen“ Waffen wie Schuss-, Hieb- und Stoßwaffen, aber auch geladene Schreckschusspistolen.

Als gefährliche Werkzeuge werden alle Gegenstände angesehen, die aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit und ihrer konkreten Art der Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Auf ihre abstrakte Bestimmung kommt es demnach anders als beim Waffenbegriff nicht an, sondern darauf, dass der Gegenstand in einer Weise eingesetzt wird, in der er auch ernsthafte Verletzungen zufügen kann. Unter diesen Umständen können im Einzelfall nicht nur offensichtlich gefährliche Gegenstände wie Eisenstangen darunterfallen, sondern auch Alltagsgegenstände wie Fahrzeuge, Taschenmesser, Scheren, aber auch Bekleidung wie ein Ledergürtel oder ein stabiler Schuh.

Als typische Anwendungsfälle sind daher z. B. der gezielte Schuss auf das Opfer, das Treten des am Boden liegenden Opfers mit einem beschuhten Fuß im Kopf- oder Magenbereich, der Einsatz von Pfefferspray oder auch der Stich mit dem Küchenmessen anzusehen.

Voraussetzung ist jedoch, dass der Gegenstand beweglich ist. Nicht erfasst werden daher Fälle, in denen das Opfer lediglich gegen eine Wand gedrückt oder gestoßen wird.

Nr. 3: Verletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls

Ein hinterlistiger Überfall liegt vor, wenn der Täter das Opfer unter planmäßiger Verdeckung seiner wahren Absichten angreift, sodass sich das Opfer keines Angriffes versieht und dadurch seine Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Es darf aber nicht nur das bloße Überraschungsmoment ausgenutzt werden.

Diese Qualifikation soll Fallkonstellationen erfassen, in denen der Täter dem Opfer auflauert, sich anschleicht oder es unter einem Vorwand oder Vortäuschen falscher Freundlichkeit an einen Ort lockt, sodass das Opfer sich nicht recht verteidigen kann, da es nicht mit einem Angriff rechnet.

Die Qualifikation wird regelmäßig im Rahmen einer zeitlich vorgelagerten Auseinandersetzung zwischen Täter und Opfer oder einer vorherigen Drohung mit einem Übergriff entfallen, da das Opfer in diesen Fällen nicht ahnungslos war.

Nr. 4: Verletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich

Die Körperverletzung wird gemeinschaftlich begangen, wenn mindestens zwei Personen am Tatort bewusst zusammenwirken. Ausreichend ist dabei auch, wenn eine Person nur Unterstützungshandlungen vornimmt, wie Fluchtverhinderung oder das Reichen von Tatwerkzeugen.

In allen Fällen, in denen sich das Opfer also einer Mehrzahl von Personen gegenübersieht, erscheint eine genaue Prüfung dieser Qualifikation geboten. Als typisches Beispiel sind hier Prügeleien einer Gruppe gegen den einzelnen anzuführen.

Nr. 5: Verletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung

Eine das Leben gefährdende Behandlung ist dann gegeben, wenn die Art der Behandlung im Einzelfall geeignet ist, dass Leben generell zu gefährden. Dabei ist es nicht notwendig, dass das Leben des Opfers im konkreten Fall tatsächlich gefährdet wurde, sonders dass aufgrund der vorliegenden Tatausführung die Handlung generell dazu geeignet war, eine Lebensgefahr zu begründen. Darunter können eine Vielzahl von Fallgestaltungen fallen. Erfasst werden z. B. das Werfen ins eiskalte Wasser, Schläge gegen den Kopf, Messerstiche in die Brust und Würgegriffe am Hals. Dabei verbietet es sich jedoch, pauschal Beispiele aufzuzählen, da auf die konkrete Tatausführung des Falls abzustellen ist.

Fazit zum Strafverfahren einer gefährlichen Körperverletzung

Wie erörtert, ist eine Vielzahl von Konstellationen denkbar, die die Qualifikationstatbestände des § 224 Absatz 1 StGB erfüllen können. Nicht selten ist es daher für den juristischen Laien nicht ganz nachvollziehbar, unter welchen Umständen eine Körperverletzung als „gefährlich“ zu qualifizieren ist. Umso mehr zeigt sich, dass bei dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung ein fachkundiger Rat in vielen Fällen unerlässlich ist. Wenn Sie Beschuldigter in einem Strafverfahren sind, können Sie gern einen Beratungstermin in unseren Kanzleiräumen vereinbaren, um Ihre Verteidigungsmöglichkeiten zu besprechen.


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