Verhindern Geheimhaltungsklauseln in Arbeitsverträgen die negativen Bewertungen bei Google?
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Im digitalen Zeitalter spielen Online-Bewertungen eine immer größere Rolle für den Ruf von Unternehmen. Besonders Google-Bewertungen haben einen erheblichen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung und können potenzielle Kunden oder Mitarbeiter in ihrer Entscheidungsfindung maßgeblich beeinflussen. Für Arbeitgeber sind negative Bewertungen, insbesondere von aktuellen oder ehemaligen Mitarbeitern, daher oft ein Dorn im Auge. Dies wirft die Frage auf: Können Arbeitgeber durch Geheimhaltungsklauseln in Arbeitsverträgen verhindern, dass Mitarbeiter negative Bewertungen auf Google hinterlassen?
In diesem Beitrag beleuchten wir die rechtlichen Aspekte von Geheimhaltungsklauseln im Arbeitsvertrag, deren Grenzen und inwiefern sie tatsächlich einen Einfluss auf das Recht zur Meinungsäußerung in Form von Google-Bewertungen haben können.
Geheimhaltungsklauseln im Arbeitsvertrag: Zweck und rechtliche Grundlagen
Geheimhaltungsklauseln, auch Verschwiegenheitsklauseln genannt, sind ein gängiger Bestandteil vieler Arbeitsverträge. Sie dienen primär dem Schutz sensibler Unternehmensinformationen und verpflichten Arbeitnehmer, keine vertraulichen Informationen an Dritte weiterzugeben. Solche Klauseln sind arbeitsvertragliche Nebenpflichten und basieren auf der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber.
Grundsätzlich sind Geheimhaltungsklauseln nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung hat. Dieses Interesse kann sich auf verschiedene Bereiche erstrecken:
- Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse
- Kundendaten und -beziehungen
- Interne Prozesse und Know-how
- Finanzielle Informationen
Wichtig ist jedoch zu verstehen, dass nicht jede Information automatisch als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden kann. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass pauschale Verschwiegenheitsklauseln, die nahezu jede Form von internen Informationen zeitlich unbegrenzt erfassen, unzulässig sind. Solche sogenannten "All-Klauseln" stellen eine unzumutbare Einschränkung für Arbeitnehmer dar und müssen inhaltlich und zeitlich angemessen begrenzt werden.
Grenzen von Geheimhaltungsklauseln
Die Wirksamkeit von Geheimhaltungsklauseln unterliegt klaren rechtlichen Grenzen:
Inhaltliche Begrenzung: Geheimhaltungsklauseln müssen präzise definieren, welche Informationen als vertraulich gelten. Pauschale Formulierungen, die jegliche betriebliche Information umfassen, sind in der Regel unwirksam.
Zeitliche Begrenzung: Eine unbegrenzte Verschwiegenheitsverpflichtung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist in den meisten Fällen nicht durchsetzbar. Die Klausel muss eine angemessene zeitliche Beschränkung enthalten.
Verhältnismäßigkeit: Die Geheimhaltungspflicht muss in einem angemessenen Verhältnis zum Schutzbedürfnis des Arbeitgebers stehen und darf die berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nicht unverhältnismäßig einschränken.
Gesetzlich geschützte Informationsweitergabe: Geheimhaltungsklauseln können bestimmte Arten der Informationsweitergabe nicht verhindern, wie z.B. die Mitteilung von Rechtsverstößen an entsprechende Behörden (Whistleblowing).
Mit der Einführung des Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG) wurden die Anforderungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen noch präziser definiert. Demnach müssen Arbeitgeber angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergreifen, um den gesetzlichen Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse zu gewährleisten.
Das Spannungsfeld zwischen Geheimhaltungspflicht und Meinungsfreiheit
An dieser Stelle stoßen wir auf ein rechtliches Spannungsfeld: Auf der einen Seite steht die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht, auf der anderen Seite das grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung. Arbeitnehmer haben grundsätzlich das Recht, ihre Meinung zu äußern – auch in Form von Online-Bewertungen.
Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht grenzenlos. Sie findet ihre Schranken dort, wo andere schutzwürdige Rechte verletzt werden. Im Kontext von Arbeitsverhältnissen ist besonders die Treuepflicht des Arbeitnehmers zu beachten. Diese verpflichtet ihn, die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu wahren und nichts zu unternehmen, was dem Unternehmen schaden könnte.
Können Google-Bewertungen durch Geheimhaltungsklauseln unterbunden werden?
Die Kernfrage lautet nun: Kann eine Geheimhaltungsklausel im Arbeitsvertrag direkt verhindern, dass ein Arbeitnehmer eine negative Bewertung auf Google veröffentlicht?
Die kurze Antwort ist: Nein, eine Geheimhaltungsklausel kann grundsätzlich nicht das Recht auf Meinungsäußerung vollständig unterbinden. Arbeitnehmer dürfen ihre Meinung über ihren Arbeitgeber äußern, solange sie dabei:
- Keine unwahren Tatsachenbehauptungen aufstellen
- Keine Schmähkritik üben
- Keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse preisgeben
Die längere Antwort ist differenzierter. Eine Geheimhaltungsklausel kann zwar nicht direkt das Verfassen von Bewertungen verbieten, aber sie kann den Inhalt dessen, was in einer Bewertung geteilt werden darf, einschränken. Wenn ein Arbeitnehmer in seiner Bewertung vertrauliche Informationen preisgibt, die legitim durch eine Geheimhaltungsklausel geschützt sind, kann dies als Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten gewertet werden – mit entsprechenden rechtlichen Konsequenzen.
Rechtliche Folgen bei Verstößen gegen die Geheimhaltungspflicht
Verstößt ein Arbeitnehmer gegen eine wirksame Geheimhaltungsklausel, drohen verschiedene rechtliche Konsequenzen:
- Arbeitsrechtliche Folgen: Von der Abmahnung bis hin zur Kündigung, je nach Schwere des Verstoßes
- Zivilrechtliche Folgen: Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers
- Strafrechtliche Folgen: In besonders schweren Fällen können Verstöße gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz strafrechtlich verfolgt werden
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Konsequenzen nur greifen, wenn tatsächlich geschützte Informationen preisgegeben wurden. Eine reine Meinungsäußerung, auch wenn sie kritisch ausfällt, löst in der Regel keine derartigen Sanktionen aus.
Praxisbeispiele: Wann können Bewertungen trotz Geheimhaltungsklausel zulässig sein?
Um die Grenzen besser zu verstehen, betrachten wir einige Beispiele:
Beispiel 1: Allgemeine Kritik an Arbeitsbedingungen
Ein Arbeitnehmer schreibt: "Die Arbeitszeiten sind sehr unflexibel und das Betriebsklima ist angespannt."
→ Dies ist in der Regel eine zulässige Meinungsäußerung, die nicht durch eine Geheimhaltungsklausel unterbunden werden kann.
Beispiel 2: Preisgabe interner Informationen
Ein Arbeitnehmer schreibt: "Das Unternehmen plant in den nächsten Monaten, 30% der Belegschaft zu entlassen, um Kosten zu sparen. Die genauen Zahlen des Restrukturierungsplans sehen folgendermaßen aus..."
→ Hier werden möglicherweise vertrauliche Informationen preisgegeben, was durch eine wirksame Geheimhaltungsklausel unterbunden werden kann.
Beispiel 3: Unwahre Tatsachenbehauptungen
Ein Arbeitnehmer schreibt: "Der Betrieb verstößt systematisch gegen Arbeitsschutzvorschriften und gefährdet die Gesundheit der Mitarbeiter."
→ Wenn diese Behauptung nicht den Tatsachen entspricht, ist sie unabhängig von einer Geheimhaltungsklausel rechtswidrig und kann unterbunden werden.
Aktuelle Rechtsprechung zu Arbeitnehmerbewertungen
Die Rechtsprechung in Deutschland hat sich in den letzten Jahren mehrfach mit dem Thema Arbeitnehmerbewertungen befasst und differenzierte Leitlinien entwickelt:
Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied beispielsweise, dass negative Bewertungen grundsätzlich zulässig sein können, solange sie als persönliche Meinungsäußerung erkennbar sind und keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthalten. Dabei betonte das Gericht jedoch auch die Wichtigkeit der Transparenz – wenn ein Bewerter keine direkte Kundenerfahrung hat, sollte dies in der Bewertung deutlich gemacht werden.
In einem anderen Fall entschied ein Gericht, dass die Anonymität von Bewertern aufgehoben werden kann, wenn Zweifel an der Echtheit der Bewertung bestehen. Dies ist insbesondere relevant, wenn Arbeitgeber vermuten, dass negative Bewertungen von Personen stammen, die gar nicht mit dem Unternehmen in Kontakt standen.
Praktische Tipps für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Für Arbeitnehmer:
- Bleiben Sie bei der Wahrheit: Äußern Sie nur Kritik, die den Tatsachen entspricht.
- Formulieren Sie sachlich: Vermeiden Sie emotionale oder beleidigende Äußerungen.
- Respektieren Sie Vertraulichkeit: Geben Sie keine internen Informationen preis, die legitim als vertraulich eingestuft werden können.
- Machen Sie Ihren Bezug zum Unternehmen transparent: Kennzeichnen Sie, ob Sie als (ehemaliger) Mitarbeiter bewerten.
- Beachten Sie die Verhältnismäßigkeit: Bewerten Sie ausgewogen und differenziert.
Für Arbeitgeber:
- Formulieren Sie Geheimhaltungsklauseln präzise: Definieren Sie klar, welche Informationen geschützt werden sollen.
- Vermeiden Sie überbordende Klauseln: Zu weitreichende Geheimhaltungspflichten sind rechtlich nicht durchsetzbar.
- Setzen Sie auf Dialog: Oft ist ein offenes Gespräch mit unzufriedenen Mitarbeitern effektiver als rechtliche Schritte.
- Reagieren Sie professionell auf Bewertungen: Eine sachliche Antwort auf kritische Bewertungen kann das Außenbild positiv beeinflussen.
- Schaffen Sie eine positive Arbeitskultur: Die beste Prävention gegen negative Bewertungen ist ein gutes Arbeitsumfeld.
Fazit: Geheimhaltungsklauseln als begrenztes Instrument gegen negative Bewertungen
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Geheimhaltungsklauseln in Arbeitsverträgen können negative Google-Bewertungen nicht generell verhindern. Sie können lediglich die Weitergabe tatsächlich schützenswerter, vertraulicher Informationen unterbinden.
Die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers bleibt grundsätzlich bestehen, auch wenn sie durch die arbeitsvertragliche Treuepflicht eingeschränkt sein kann. Arbeitnehmer dürfen sachliche Kritik äußern, solange sie keine Schmähkritik darstellt und keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthält.
Für Arbeitgeber ist es daher ratsam, nicht allein auf rechtliche Instrumente wie Geheimhaltungsklauseln zu setzen, sondern ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, das negative Bewertungen gar nicht erst provoziert. Offene Kommunikationskanäle, regelmäßiges Feedback und eine respektvolle Unternehmenskultur sind langfristig wirksamere Strategien als rechtliche Beschränkungen.
Als Faustregel gilt: Je transparenter und mitarbeiterorientierter ein Unternehmen agiert, desto weniger muss es negative Bewertungen fürchten – unabhängig davon, ob Geheimhaltungsklauseln bestehen oder nicht.


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