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Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB bei Kündigung wegen Krankheit

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Mit dieser Thematik befasst sich ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11.12.2020.

LAG Köln Urt. v. 11.12.2020 – 10 Sa 551/20, BeckRS 2020, 44206

Über folgenden Sachverhalt hatte das Gericht zu entscheiden:

Der Kläger war seit 2017 als Feinmechaniker im Betrieb des Beklagten tätig. Der Beklagte beschäftigt nur 2 Mitarbeiter, somit findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger im Dezember 2019, ohne die maßgebliche gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Kündigung sei unwirksam wegen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB. Nach dieser gesetzlichen Regelung, welche einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit betrifft, darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als Maßnahmen kommen Kündigung in Betracht. Zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Die Rechtsausübung muss der tragende Beweggrund für die benachteiligende Maßnahme sein. Die Darlegungs und Beweislast hierfür trägt der klagende Arbeitnehmer, der die Benachteiligung behauptet.

In diesem Fall hat der Kläger vorgetragen, die Kündigung sei postwendend auf seine Mitteilung erfolgt, er sei arbeitsunfähig krank. Nachdem er dies dem Beklagten mitgeteilt habe, habe dieser ihn kurz darauf zurückgerufen und am Telefon beleidigt. Er habe ihm am Telefon mitgeteilt, dass er den Kläger wegen der vielen Krankschreibungen nicht mehr weiter beschäftigen könne. Außerdem habe er ihm später noch mitgeteilt, dass er im Betrieb niemanden gebrauchen könne, der das Recht habe, wegen erkrankter Kinder zu Hause zu bleiben.

Der Beklagte hat vorgetragen, Motivation für die Kündigung sei die schlechte Auftragslage in Betrieb gewesen und das Erfordernis einer effizienten Zusammenarbeit in einem kleinen Team. Es sei nicht zutreffend, dass er den Kläger wegen der obigen Mitteilung/Erkrankung gekündigt habe.

Das Gericht hat folgendes entschieden:

Sowohl das erstinstanzliche Arbeitsgericht Aachen wie auch das Landesarbeitsgericht haben die Kündigung (unter Korrektur und Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist) als rechtmäßig erachtet und keinen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot angenommen.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Kündigung, die ein Arbeitgeber als unmittelbare Reaktion auf eine Krankmeldung des Arbeitnehmers ausspricht, wegen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot unwirksam sein. Beispielsweise hat das Arbeitsgericht Trier 2011 eine Kündigung aus diesem Grund als unwirksam angesehen (vgl. Arbeitsgericht Trier, Urteil vom 08.12.2011 - 3 Ca 936/11). In diesem Fall hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung gekündigt und ihm vorher verboten, trotz Krankheit den Arbeitsplatz zu verlassen, obwohl sich der Arbeitnehmer mehrmals übergeben musste.

Grundsätzlich reicht jedoch eine Kündigung, die ein Arbeitgeber wegen der Erkrankung des Arbeitnehmers ausspricht nicht für einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot aus. Dessen Voraussetzungen liegen nicht bereits deshalb vor, weil ein Arbeitnehmer erkrankt, da er mit dem Kranksein kein Recht geltend macht, sondern wegen seiner Erkrankung tatsächlich außer Stande ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Das Kranksein ist daher keine Ausübung eines Rechts.

Das Maßregelungsverbot ist erst dann einschlägig, wenn das aus der Erkrankung folgende Recht des Arbeitnehmers, der Arbeit fern zu bleiben, vom Arbeitgeber verneint wird und dann eine Kündigung ausgesprochen wird in Form einer Sanktionierung der entsprechenden Rechtswahrnehmung durch den Arbeitnehmer.

Diese Voraussetzungen sieht das Gericht vorliegend als nicht erfüllt an. Auch durch das Gespräch zwischen den Parteien bezogen auf eine Krankheit bei Erkrankung der Kinder liegt kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vor.

Fazit:

Nur unter engen (oben geschilderten) Voraussetzungen liegt bei einer Kündigung im Zusammenhang mit einer Erkrankung ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vor. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vom Arbeitnehmer vorzutragen und zu beweisen. Falls die Voraussetzungen vorliegen, ist eine solche Kündigung auch innerhalb der Probezeit oder bei einem Kleinstbetrieb unwirksam.


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