Vertriebsrecht: Bindung an Unverbindliche Preisempfehlungen (UVP) im Online-Handel zulässig?

  • 4 Minuten Lesezeit

Zahlreiche Hersteller beklagen, dass ein Großteil ihrer Vertriebspartner Ware hauptsächlich online vertreibt. Dies birgt unter anderem Schwierigkeiten im Hinblick auf einen harten Preiskampf.

Sanktionen aufgrund starker Abweichung von Unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) möglich?

Durch den Online-Handel werden häufig die Unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) stark unterboten. Dies führt zu Verstimmungen anderer Händler in Deutschland, sowie anderer Händler im Ausland, die teilweise über exklusive Verkaufsrechte in den jeweiligen Staaten verfügen. Viele Mandanten würde den Online-Händlern gerne eine Rabatt-Grenze auferlegen bzw. diese entsprechend durch weniger Händler-Rabatt sanktionieren, oder diese überhaupt nicht mehr beliefern.

1.

Nach Ansicht des Bundeskartellamtes ist jegliche Beschränkung des Online-Vertriebs auch dann verboten, wenn dahinter eine eigentlich sinnvolle Erwägung, wie die Stärkung des stationären Fachhandels steht. Eine solche Behinderung des Vertriebsüber bestimmte Vertriebskanäle habe einen Verlust an markeninternem Wettbewerb zur Folge und verstoße daher gegen § 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB. 

a)

Dies gilt nicht nur für das grundsätzliche Verbot des Online-Vertriebs, sondern auch bereits für erhebliche Beeinträchtigungen. Die Schwelle der erheblichen Beeinträchtigung wird dabei extrem niedrig angesiedelt. So ist diese nach Ansicht des Bundeskartellamtes bereits anzunehmen, wenn Druck auf Händler ausgeübt wird, auf „vernünftige Margen“ zu achten: 

„Wenn ein Lieferant sich nicht auf die reine Kommunikation seiner UVP beschränkt, sondern darüber hinaus mit seinen Abnehmern Kontakt aufnimmt und das Gespräch über deren Preisgestaltung sucht, so macht allein dieser Umstand den Abnehmern deutlich, dass ihre Weiterverkaufspreise beobachtet werden, und dass es nicht ohne Konsequenz bleibt, wenn diese nicht dem gewünschten Niveau entsprechen. Allein die nachträgliche und nachdrückliche erneute Thematisierung der UVP bildet mithin einen über die eigentliche UVP hinausgehenden Versuch der Einflussnahme, welcher die Unverbindlichkeit der Empfehlung und damit die Preissetzungsfreiheit des Abnehmers in Frage stellt und als unzulässige Druckausübung i. S. d. Art. 4a) Vertikal-GVO zu qualifizieren ist. 

b)

Neben der Vorgabe zur Preisgestaltung ist auch eine indirekte Druckausübung z. B. über unterschiedlich hohe Händlerrabatte für Online- und Offline-Geschäft (sog. Doppelpreissystem) unzulässig. Zulässig ist es allerdings, dem Einzelhändler für sein Beratungspersonal und seine sonstigen Leistungen einen umsatzunabhängigen Festzuschuss zu gewähren. 

c)

Daneben sind folgende Beschränkungen des Online-Vertriebs durch die Europäische Kommission als zulässig erachtet worden:

  • Vorgabe zu physischen Verkaufsstätten: der Anbieter kann von seinen Händlern verlangen, dass sie über einen oder mehrere physische Verkaufspunkte oder Ausstellungsräume verfügen, wenn sie Mitglied des Vertriebssystems werden wollen. 
  • Der Hersteller darf jedoch nicht den (relativen) Anteil der Internetverkäufe einschränken. Allerdings können      Einschränkungen dahingehend vorgenommen werden, dass die Gefahr bloßer „Alibi-Verkaufsstätten“      umgangen wird. Hierbei ist streng auf die Formulierung zu achten.
  • Hersteller können Anforderungen an die qualitative Ausführung des Internetauftritts stellen, sofern nicht      lediglich der Online-Vertrieb benachteiligt wird. Die Anforderungen in qualitativer Hinsicht müssen also für den Offline-Vertrieb gleichermaßen gelten. Anerkannt ist z. B., dass im Rahmen des Onlinehandels ein      telefonischer Kundenservice eingerichtet werden muss.

Das OLG München hielt es ebenfalls für zulässig, die Nutzung von Auktionsplattformen wie Ebay auszuschließen. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Praxis des Bundeskartellamtes, sodass hier ein gewisses Risiko besteht.

2.

a)

Grundsätzlich steht es jedem Hersteller frei, bestimmte Unternehmen nicht (mehr) zu beliefern, oder deren Einkaufspreise zu erhöhen. Grund für die Nichtbelieferung darf jedoch nicht die unerwünschte Preisgestaltung bzw. der Online-Vertrieb sein, § 21 Abs. 2 GWB. Sollte also bereits jemals gegenüber dem Händler die Äußerung getätigt worden sein, dass man mit der Preisgestaltung bzw. dem Online-Vertrieb nicht einverstanden ist und erfolgt dann die Beendigung der Belieferung, ist der Vorwurf der Kartellrechtswidrigkeit kaum zu entkräften. Anderes ist höchstens anzunehmen, wenn gewichtige Gründe für die Beendigung der Zusammenarbeit vorliegen, z. B. Zahlungsschwierigkeiten des Händlers.

b)

Nach § 20 Abs. 1 GWB dürfen zudem marktbeherrschende Unternehmen andere Unternehmen nicht ohne Grund ungleich behandeln. Marktbeherrschend ist ein Unternehmen jedoch nur, wenn es auf einem bestimmten Markt ohne Wettbewerber oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (etwa Energieversorgungsunternehmen).

Allerdings gilt nach § 20 Abs. 2 GWB das Verbot des § 20 Abs. 1 GWB nicht nur für marktbeherrschende Unternehmen, sondern auch für sog. relativ marktstarke Unternehmen, also solche, von denen kleine und mittlere Unternehmen in bestimmter Weise abhängig sind. 

3.

Es sollte stets geprüft werden, ob ein Vertrieb der Produkte über ein selektives Vertriebssystem erfolgen kann. Hierbei können Vorgaben gemacht werden, die dazu führen, dass nur Händler beliefert werden, die bestimmte Kriterien (entweder qualitativ oder quantitativ) erfüllen. Allerdings stellen auch hier Preisvorgaben kein zulässiges Kriterium dar. Ein rein qualitatives Vertriebssystem fällt in der Regel nicht unter das Kartellverbot, wenn das System ein rechtmäßiges Erfordernis zur Wahrung der Qualität, oder Gewährleistung des richtigen Gebrauchs des Produktes ist, die Händler aufgrund objektiver Kriterien qualitativer Art ausgewählt werden, die einheitlich festzulegen, allen potentiellen Wiederverkäufern zur Verfügung zu stellen und unterschiedslos anzuwenden sind und die aufgestellten Kriterien nicht über das hinausgehen, was zur Qualitätswahrung erforderlich ist. Im selektiven Vertriebssystem können höhere Anforderungen an den Online-Vertrieb gestellt werden, u.U. kann der Verkauf über Online-Plattformen wie Ebay oder Amazon komplett verboten werden. 

Fazit:

Beschränkungen der Händler sind nur in Grenzen möglich. Ein Verbot des Online-Vertriebs ist per se nicht möglich, allerdings können Anreize zum Offline-Vertrieb geschaffen werden. Bei Beendigungen von Lieferbeziehungen oder Nichtbelieferung potenzieller Kunden sollte auf die Kommunikation von Gründen geachtet werden, hierauf sind sämtliche Mitarbeiter hinzuweisen, da sonst erhebliche Bußgelder und/oder Schadensersatzansprüche drohen. Konkrete Beschränkungen und Ungleichbehandlungen von Händlern sollten im Vorfeld stets rechtlich überprüft werden, da hier teilweise die Formulierung ausschlaggebend ist. Zu überlegen ist stets der Aufbau eines selektiven Vertriebssystems.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Sarah Op den Camp

Beiträge zum Thema