Verzugslohnanspruch des Arbeitnehmers nach einseitiger Freistellung durch den Arbeitgeber

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Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Erbringung der Arbeitsleistung frei, so ist ausnahmsweise ein tatsächliches oder wörtliches Angebot des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung entbehrlich (§ 296 BGB).

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus Annahmeverzugslohn. Die Klägerin war vom 20.08.2018 bis 12.09.2018 als Reinigungskraft bei der Beklagten beschäftigt und in einer Grundschule eingesetzt. Am 29.08.2018 erschien der Beklagte am Arbeitsplatz der Klägerin und überreichte die ordentliche Kündigung während der Probezeit zum 12.09.2018. Des Weiteren verlangte der Beklagte von der Klägerin die Herausgabe des Schlüssels für die zu reinigende Schule, erteilte ihr für Gebäude und Grundstück Hausverbot und forderte die Herausgabe der Arbeitskleidung in Form des Arbeitskittels. Die Klägerin quittierte schriftlich den Erhalt der Kündigung, gab die Schlüssel für die Schule sowie den Arbeitskittel an den Beklagten heraus. Sie verließ die Schule und kehrte zum Arbeitsplatz nicht zurück. Der Beklagte zahlte ab 29.08.2018 kein Gehalt mehr. Er behauptet, die Klägerin aufgefordert zu haben, sich am 30.08.2018 in der Geschäftsstelle des Beklagten zur Übernahme eines anderen Einsatzortes einzufinden. Nach der Vernehmung der durch den Beklagten angebotenen Zeugin zur streitigen Frage der Aufforderung zur Arbeitsleistung hat das Arbeitsgericht der Klage auf Annahmeverzugslohn stattgegeben. Auf der Grundlage des unstreitigen Verhaltens des Beklagten am 29.08.2018 habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, sie sei bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung freigestellt. Nach Auswertung der Zeugenvernehmung konnte das Arbeitsgericht eine Aufforderung des Beklagten an die Klägerin zur Arbeitsaufnahme am 30.08.2018 nicht feststellen. Die Berufung des Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.

Entscheidungsanalyse:

Die Klägerin hat gemäß § 615 Satz 1 BGB i. V. m. § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf Vergütung für den streiterheblichen Zeitraum vom 29.08.2018 bis zum 12.09.2018. Der Beklagte befand sich im streiterheblichen Zeitraum auch ohne tatsächliches bzw. wörtliches Arbeitsangebot der Klägerin im Annahmeverzug. Ein Angebot der Arbeitsleistung ist ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn offenkundig ist, dass der Arbeitgeber auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt. Dieser Umstand kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber – wie hier – durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet. Spricht der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Kündigung aus und fordert von ihm notwendige Arbeitsmittel, wie den Arbeitsschlüssel des vom Arbeitnehmer einzig zu reinigenden Arbeitsobjektes heraus und erteilt ihm darüber hinaus ein Hausverbot für das vom Arbeitnehmer einzig zu reinigende Objekt, ohne dass der Arbeitgeber gleichzeitig klar macht, dass er lediglich kein Interesse mehr an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in diesem einen Objekt habe, so ist dies vom Arbeitnehmer regelmäßig dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitgeber in Gänze nicht mehr gewillt ist, Arbeitsleistungen des Arbeitnehmer entgegen zu nehmen. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber einseitig von der Erbringung der Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freistellt, so ist er für die Behauptung, er habe diese einseitige Freistellung des Arbeitnehmers durch eine nachfolgende und unmissverständlich konkrete Erklärung aufgehoben, darlegungs- und beweispflichtig. Dies ist dem Beklagten in diesem Fall nicht gelungen. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat keine Widersprüchlichkeiten zwischen der protokollierten Aussage der Zeugin und den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts erkannt. Soweit in den Entscheidungsgründen ausgeführt wird, die Schilderungen der Zeugin seien nicht sonderlich lebendig und detailreich gewesen und die Schilderung habe eigene Emotionen vermissen lassen, so ergeben sich aus der im Kammertermin protokollierten Aussage keine Widersprüche dazu. Auch verhält sich die Aussage der Zeugin zu den konkreten Geschehnissen am 29.08.2019 kurz und knapp. Trotz mehrerer Nachfragen des Gerichts und des Klägervertreters hat die Zeugin im Kern lediglich wiedergegeben, die Klägerin sei aufgefordert worden, die Schule zu verlassen und den Schlüssel abzugeben und am nächsten Tag in der Firma zu erscheinen. Ebenfalls ist nicht erkennbar, dass zur Rechtfertigung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung weitergehende Fragestellungen durch das Gericht erforderlich gewesen wären.

Praxishinweis:

Ergänzend führt das LAG Mecklenburg-Vorpommern aus: Selbst wenn der Beklagte der Klägerin am 29.08.2018 mitgeteilt haben sollte, die Klägerin habe am 30.08.2018 in der Firma des Beklagten zu erscheinen, so liegt darin nach Maßgabe eines verständigen Erklärungsempfängers keine Aufforderung zur Erbringung der Arbeitsleistung in Abkehrung der zuvor einseitig erklärten Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Unstreitig sind am Standort der Firma des Beklagten keinerlei Reinigungsarbeiten zu erbringen.

Wenn Sie Fragen über den Verzugslohnanspruch des Arbeitnehmers nach einseitiger Freistellung durch den Arbeitgeber haben, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf.


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