Vorwurf des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses gem. § 174c StGB

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§ 174c Abs. 1 StGB schützt die sexuelle Selbstbestimmung von Personen, die sich aufgrund ihrer geistigen und/oder körperlichen Erkrankung in einem abhängigkeitsbegründenden Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses befinden.

§ 174c Abs. 2 StGB schützt die sexuelle Selbstbestimmung von Personen, die sich in einem psychotherapeutischen Behandlungsverhältnis befinden.

Große Reichweite des Straftatbestandes

Der enorme Anwendungsbereich der Strafnorm ergibt sich bereits eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut. Durch die Gesetzesänderung und Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der „körperlichen Krankheit oder Behinderung“ hat sich der Anwendungsbereich de facto auf sämtliche Arzt/Behandler – Patientenverhältnisse erweitert. Im Falle von sexuellen Handlungen besteht ein großes Risiko strafrechtlicher Relevanz. Dieses muss dem Behandler bewusst sein. Grundsätzlich sollte daher Abstinenz eingehalten werden.

1. Anvertrautsein

Das Opfer muss sich in einem Verhältnis des „Anvertrautseins“ zum Arzt/Behandler befinden. Als Täter kommt jeder Behandler in Betracht, also Ärzte, Therapeuten, Physiotherapeuten usw.

Auf den Abschluss eines Vertrages mit einem bestimmten vertraglich vereinbarten Inhalt kommt es nicht an. Ausreichend ist die tatsächliche Übertragung der Beratungs-, Behandlungs-, Betreuungsaufgabe. Der Gesetzgeber geht sodann davon aus, dass der Patient in seiner Willensausübung aufgrund des bestehenden Behandlungsverhältnisses nicht mehr frei ist und sein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung nicht mehr uneingeschränkt ausüben kann.

Auch der einmalige Besuch beim Orthopäden oder Zahnarzt kann also ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der Strafnorm begründen.

Die Einwilligung des Patienten schützt grundsätzlich nicht vor Strafbarkeit

Das hat zur Folge, dass eine Einwilligung des Patienten in einvernehmliche sexuelle Handlungen durch den Behandler oder Therapeuten nur ausnahmsweise wirksam ist und somit den Behandler/Therapeuten grundsätzlich nicht von der Strafbarkeit befreit. Dies gilt nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich auch, wenn der Anlass der Behandlung bloß in einem körperlichen Gebrechen begründet ist, s. o.

2. Tathandlung

Strafbar sind sexuelle Handlungen, die der Arzt/Behandler an der ihm anvertrauten Person vornimmt oder von dieser an sich vornehmen lässt. Sexuelle Handlungen im Sinne der Strafnorm sind nur solche, bei denen ein Körperkontakt zwischen dem Arzt/Behandler und dem Patienten stattfindet.

Ferner verlangt das Gesetz eine einzelfallabhängige Prüfung, ob die konkrete sexuelle Handlung eine Erheblichkeitsschwelle überschreitet.

Die sexuellen Handlungen müssen dabei missbräuchlich unter Ausnutzung des Beratungs-, Behandlungs-, Betreuungsverhältnisses erfolgen. Demnach müssen die sexuellen Handlungen nicht zwangsläufig im Behandlungstermin erfolgen. Besteht ein die einzelnen Behandlungstermine überdauerndes Abhängigkeitsverhältnis, so kann es einen Missbrauch dieses Verhältnisses darstellen, die sexuellen Handlungen im Anschluss an einen Behandlungstermins, gegebenenfalls auch außerhalb der Praxisräumlichkeiten, vorzunehmen.

Ein strafbarer Missbrauch scheidet aus, wenn das Beratungs-, Behandlungs-, Betreuungsverhältnis ordnungsgemäß beendet ist. Die Beendigung einer längeren Behandlung oder Therapie sollte daher ausdrücklich in der Patientenakte vermerkt werden.

Ein Missbrauch scheidet weiter aus, wenn zwischen dem Arzt/Behandler und dem Patienten eine echte Liebesbeziehung besteht. Ob diese gegeben ist, überprüfen die Gerichte anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles. 

In der Praxis kommt es gelegentlich dazu, dass aus enttäuschter Liebe heraus eine Anzeige gegen den Arzt/Behandler mit zeitlicher Verzögerung gestellt wird.

Tipp für die Praxis:

Jedem Arzt/Behandler, der sich auf eine Liebesbeziehung mit Patienten einlässt, ist daher zu raten, prophylaktisch objektive Beweise für das Bestehen einer gegenseitigen Liebesbeziehung zu sichern. Dies kann das Abspeichern digitaler Kommunikation umfassen, genauso wie das Sensibilisieren enger Freunde für die Situation, da diese später als Zeugen in Betracht kommen können.

Sollten Sie als Behandler eine polizeiliche Vorladung wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs erhalten, so sollten Sie dieser ohne anwaltliche Beratung keinesfalls Folge leisten. Kontaktieren Sie den Strafverteidiger Ihres Vertrauens. Dieser wird in der Regel zunächst Akteneinsicht anfordern und Ihnen sodann erklären, wie Sie sich sinnvoll zur Sache positionieren können. Eine polizeiliche Vernehmung ohne Aktenkenntnis ist zu riskant.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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