Der Abrechnungsbetrug - eine praxisorientierte Darstellung

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Mit Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen ist üblicherweise die betrügerische Abrechnung von Honoraren durch Ärzte/Ärztinnen und anderen Leistungserbringern gegenüber Krankenkassen zu Lasten der Gemeinschaft der Versicherten gemeint.


Beim Abrechnungsbetrug wird häufig das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit angenommen, da diese lediglich voraussetzt, dass der Arzt sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen möchte.


Die praxisrelevanten Tatbestandsmerkmale des Abrechnungsbetruges


Der Arzt müsste in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt haben, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregte oder unterhielt.


Im Vertragsarztbereich sind die Behandlungsausweise vierteljährig der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu übermitteln, wobei insbesondere die Versicherung zu erfolgen hat, die Abrechnung sei sachlich richtig und vollständig.


Da der Arzt grundsätzlich selbst für die rechtmäßige Abrechnung verantwortlich ist, treffen ihn bei der Übertragung der Abrechnung auf Dritte Organisations- und Überwachungspflichten.


Die Täuschung kann vielfältig ausfallen


Bei der Abrechnungsmanipulation spiegelt der Arzt schlüssig falsche Tatsachen vor, denn er erklärt mit der Beanspruchung einer gewissen Gebührenziffer, die ihr zugrunde liegende tatsächliche Leistung auch erbracht zu haben, was z.B. im Falle der Abrechnung nicht (persönlich oder vollständig) erbrachter, gebührenrechtlich bewusst falsch bewerteter, unwirtschaftlicher oder nicht gesondert berechenbarer Leistungen nicht korrekt ist.


Im Falle privatliquidierender niedergelassener Ärzte kommt eine Täuschung insbesondere über nicht und/oder nicht persönlich erbrachte Leistungen oder durch Benennung unwahrer tatsächlicher Anknüpfungspunkte zur Begründung erhöhter Steigerungsfaktoren in Betracht.


Ist die GOÄ mehrdeutig und lässt dem Arzt Spielraum für eigene – vertretbare – Rechtsansichten, kann grundsätzlich nicht von einer Täuschung über Tatsachen ausgegangen werden.


Sowohl die Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigungen als auch die Angestellten der Krankenkassen erliegen dann bei der Honorarabrechnung bzw. der Nachprüfung dem Irrtum, die tatsächlichen Voraussetzungen der beanspruchten Leistung lägen vor.


Bei Privatliquidation des niedergelassenen Arztes ist auf einen Irrtum des (Privat)Patienten abzustellen.

Die Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung und / oder die Privatpatienten treffen dann irrtumsbedingte Vermögensverfügungen. Im Fall der Vertragsärzte wird die Kassenärztliche Vereinigung aus der ihr von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Gesamtvergütung an Vertragsärzte ohne Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen eine Zahlung tätigen, im Falle einer Privatliquidation kommt insbesondere die Zahlung durch den Patienten als Vermögensverfügung in Betracht.


Da falsche Mehrabrechnungen den Leistungsbedarf erhöhen und somit den Punktwert (dazu vgl. § 87a Abs. 2 SGB V) reduzieren, tritt bei den ordnungsgemäß abrechnenden Vertragsärzten, die ihr Regelleistungsvolumen überschritten haben, ein Vermögensschaden ein. Sie erhalten infolge von Abrechnungsmanipulationen schlichtweg weniger.


Zahlungen des Patienten bei Privatliquidation werden nicht durch ein unmittelbar aus der Vermögensverfügung fließendes Äquivalent wirtschaftlich voll ausgeglichen, weshalb die Rechtsprechung auch insofern einen Vermögensschaden annimmt.


Wenn jedoch die Leistung wirklich erbracht wurde, sich jedoch ein Verstoß gegen formale Bestimmungen des Vertragsarztrechts ergibt, ist die Begründung eines Betrugsschadens umstritten.


Der Vorsatz beim Abrechnungsbetrug 


Subjektiv erfordert der Betrug sowohl mindestens Eventualvorsatz als zusätzlich auch eine sog. Bereicherungsabsicht. Bereicherungsabsicht liegt vor, wenn es dem Täter auf die Erlangung des Vorteils ankommt (zielgerichteter Erfolgswille).


In bestimmten Fällen aus dem Vertragsarztbereich gibt es diverse Abgrenzungs- und Zweifelsfragen, die strenge Anforderungen an den Nachweis des subjektiven Betrugstatbestands zur Folge haben. Zu denken wäre beispielsweise an eine vollkommen fachgerechte Behandlung, die jedoch durch einen nicht genehmigten Assistenten erfolgte. Bei Privatliquidation ist beispielsweise sorgfältig zu prüfen, ob der Liquidationsberechtigte (Wahlarzt) bei Leistungserbringung durch Vertreter wirklich Vorsatz und Bereicherungsabsicht hatte.


Vorgehen der Ermittlungsbehörden


In arztstrafrechtlichen Verfahren benötigt die Staatsanwaltschaft aus Beweisgründen allgemein Unterlagen, die im Zweifelsfall (auch) Patientendaten beinhalten. Der Arzt darf freilich nicht unbefugt Patientengeheimnisse offenbaren. 

Richtet sich das Strafverfahren gegen den Arzt / Leistungserbringer oder kommt er als Teilnehmer der Straftat (Anstifter oder Gehilfe) in Betracht, ist die Beschlagnahme von Patientenunterlagen zwar grundsätzlich rechtmäßig. Die Beschlagnahme von Patientenunterlagen unterliegt jedoch nicht zuletzt angesichts des Persönlichkeitsrechts des Patienten beträchtlichen Rechtmäßigkeitserfordernissen. Die Ermittlungsbehörden werden versuchen die beweisrelevanten Unterlagen durch Durchsuchungen und Beschlagnahmen zu erlangen. Insoweit sollte jeder Betroffene, der solche Maßnahmen fürchtet, sich präventiv beraten lassen, wie er sich im Fall einer Durchsuchung zu verhalten hat.


Neben dem Risiko strafrechtlicher Sanktionen sind auch mögliche approbations-, berufs-, zulassungs- und sozialrechtliche Folgen zu bedenken. Zudem kann der Wert in Höhe des Umsatzes des aus Abrechnungsbetrug materiell Erlangten vom Staat eingezogen werden  auch wenn das ursprünglich Erlangte selbst gar nicht mehr vorhanden. Der Arzt kann keine eigenen Aufwendungen von den zu Unrecht erhaltenen Honoraren abziehen.



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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